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Ausgabe:

1987

Spalte:

473-475

Kategorie:

Interkulturelle Theologie, Missionswissenschaft

Autor/Hrsg.:

Müller, Karl

Titel/Untertitel:

Missionstheologie 1987

Rezensent:

Blauert, Heinz

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Theologische Literaturzeitung 1 12. Jahrgang 1987 Nr. 6

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einem Ort des Unfriedens werden lassen; die Konflikte innerhalb der
Ökumene beweisen es.

Die christliche Friedensarbeit wird ohne Bezugnahme zur Bergpredigt
und darin besonders zur Feindcsliebe (Mt 5.38-48) nicht auskommen
. In dem Beitrag von Jürgen Becker, Die biblische
Zumutung der Feindesliebe - Aufgaben und Grenzen der Friedenserziehung
(300ff). wird das Gebot Jesu in seinem neutestamentlichen
Umfeld und vor seinem alttestamentlichen Hintergrund entfaltet.
Dann jedoch wird deutlich gemacht, daß das neutestamentliche Verständnis
nicht einer direkten. ..unvermittelten" Anwendung der Bergpredigt
das Wort redet. Dennoch ist die Bergpredigt nicht ohne
politische Relevanz, nur - „die Vorgabe der Liebe muß sich der Vernunft
und der geschichtlichen Erfahrung des Umgangs mit Konflikten
stellen" (311). ..Wenn nach dem NT nur Gott den Frieden im qualifizierten
Sinn geben kann und diese Gabe noch aussteht, dann ist der
Umkehrsatz zwingend, daß Menschen nach dem NT nur zur Mini-
mierung von Unfrieden beitragen können" (311).

Der zuletzt zitierte Beitrag ist m. E. für den gesamten Band charakteristisch
: Die gesammelten Texte spiegeln bei aller Unterschiedlichkeit
im einzelnen das Bemühen wieder, die „Politikfähigkeit des
christlichen Friedenszeugnisses" (um es mit einem in der DDR
geprägten Begriff zu benennen) zu erweisen. Nicht prophetischer
Eifer, sondern politisches Mühen, nicht vollmächtige Worte des
Bekennens allein, sondern kleine Schritte des Möglichen sollen die
Konsequenz aus dem Frieden, den Gott in Christus schon gestiftet
hat, sein. Wichtig war den Veranstaltern aber auch (und das im
Interesse der Sache!), daß es am Schluß des Kongresses zu einer
„Vernetzung der Problemkreise" komme. Gerade die notwendigen
„kleinen Schritte" erfordern einen Dialog aller Verantwortlichen und
das Vermögen, „aus dem Gesichtskreis des Gegners heraus die
Probleme zu sehen und zu beurteilen" (Ulrich Wilckens im Schlußwort
, 407). Auch wenn der Weg zu einer stabilen Friedensordnung
noch lang erscheint, lohnt es sich doch, schon jetzt mit einer Friedenspädagogik
zu beginnen, die das Ganze ins Auge faßt. Daß der Kieler
Kongreß die wichtigsten Probleme und Aufgaben der Friedensethik
erkannt und benannt hat, wird dann deutlich, wenn man die Texte im
zeitlichen Abstand-wie in diesem Falle-auf sich wirken läßt.

Berlin Günter Krusche

Ökumenik: Missionswissenschaft

Müller, Karl: Missionstheologic. Eine Einführung. Mit Beiträgen von
H.-W. Gensicnen u. H. Rzepkowski. Berlin (West): Reimer 1985.
IX,207S.gT.8DM26,-.

Im Jahre 1980 schrieb Horst Rzepkowski in Verbum SVD (Vol. 21,
S. 79): „Die katholische und evangelische Missionswissenschaft sind
in den letzten Jahren vielfach in gegenseitiger Abhängigkeit und Anregung
neue Wege der Deutung und der begrifflichen Fassung gegangen
. . . Die missionarische Forschung hat nicht wenig zur Entspannung
und Entgiftung zwischen den Konfessionen beigetragen."
Sollte es für diese Behauptung eines Beweises bedürfen, so liefert ihn
die Missionstheologie Karl Müllers. Im Vorwort (VII) stellt Müller
fest, Weil „mehr als auf anderen Gebieten . . . auf dem missionarischen
Sektor ökumenische Zusammenarbeit möglich" sei und „.ökumenisch
' zu arbeiten" eine Bereicherung darstelle, sei bei der Entstehung
des Buches „bewußt auf diesen Aspekt geachtet" worden In besonderer
Weise weiß sich der Autor Hans-Werner Gensichen und dessen
Werk „Glaube für die Welt" verpflichtet. Das findet u. a. im Aufbau
der Missionsthcologic Müllers seinen Ausdruck, die sich mit der
Gliederung Grund-Ziel-Werk der Mission der Missionstheologie
Gensichens anschließt. Diesen drei zentralen Kapiteln schickt der
Autor einen Überblick über katholische und evangelische missionstheologische
Bemühungen voraus: „Was ist Mission?". Eingerahmt
werden diese vier Kapitel von zwei von Getisichen geschriebenen:

„Missionswissenschaft als theologische Disziplin" und „Last und
Lehren der Geschichte". Den Abschluß findet das Werk durch zwei
von Rzepkowski beigesteuerte Kapitel „Die Welt von heute als
Kontext christlicher Sendung" und „Wegweisungen zu missionswissenschaftlicher
Literatur". Angesichts dessen, daß es für den
Nichtfachmann schwierig ist. „sich in der Vielfalt der Meinungen zurechtzufinden
", ist diese „Einführung" für die Interessenten unter
ihnen, speziell für Studenten gedacht (VII). Daraufist auch die kurze,
jeweils etwa einseitige Literaturübersicht vor jedem Kapitel orientiert
.

Nach Gensichen kommt es für die Missionswissenschaft primär
darauf an, „die Kirchen überhaupt erst einmal aus provinzialistischer
Selbstgenügsamkeit herauszurufen zu einem Verständnis ihres Gesendetseins
, das ihre ganze Existenz erneuern sollte". Ein Leitkonzept
der Missionswissenschaft müsse vornehmlich an dieser Aufgabe
orientiert sein (6), einer notwendig „kontroversen, kontextuellen und
konfrontationsträchtigen" Aufgabe, die ihr „einen Rückzug aus der
Stellung zwischen den Fronten in beschauliche Selbstgefälligkeit nicht
mehr" erlaube (8). In Partnerschaft mit den anderen Disziplinen
müsse sie dem dimensionalen Bezug auf die missio Dei und der
missionarischen Intention im Gesamtbereich der Theologie nachgehen
. Im Rahmen der zu reflektierenden operationalen Seite der
Mission nennt er drei „neue Aspekte weltweiter christlicher Verantwortung
. . .. an denen auch die anderen Fächer partizipieren":
Dialog mit nichtchristlichen Religionen, „kontextuelle" Theologie
und die entwicklungspolitische Verantwortung der Christenheit im
Weltmaßstab (19).

Müller spannt im 2. Kapitel, in dem er die verschiedenen Definitionen
der Mission referiert, den Bogen von Gustav Warneck über die
Weltmissionskonferenzen (er selber nahm an der Konferenz in Melbourne
als Beobachter teil) zum Missionsdekret Ad Gentes und dem
Apostolischen Schreiben Evangelii Nuntiandi. In der Sache, so stellt
er fest, herrsche „überraschende Einmütigkeit" (38). So entsprechen
z. B. die in den ersten fünf Kapiteln von Ad Gentes entfalteten Gedanken
„im wesentlichen dem, was Vicedom über die Missio Dei sagt"
(59). Wie hier stellt Müller immer wieder der Diskussion innerhalb
der katholischen Kirche die auf protestantischer Seite gegenüber -
stets ohne Negativbewertung in beschreibender Haltung. Seine eigene
Position wird u. a. erkennbar, wenn er den Begriff des „integralen
Heils" favorisiert, „daß den ganzen Menschen und den Menschen in
seiner ganzen Wirklichkeit umfaßt" und dafür als Kronzeugen Erz-
bischof Romero nennt (73): „Daß Mission etwas mit Weltverantwortung
zu tun hat, sollte heute keiner bezweifeln. Mission und
Weltverantwortung gleichzusetzen aber ist Aushöhlung des Evangeliums
" (74). Ohne auf diese Problematik im einzelnen einzugehen,
wird darauf hingewiesen, wie Evangelii Nutiandi und die ökumenische
Erklärung „Mission und Evangelisation" das Verhältnis
Mission und Weltverantwortung sehen.

Im 5. Kapitel entwickelt der Autor die ganze Breite des Werkes der
Mission, erst im Blick auf deren Träger, sodann auf deren Vollzug.
Hier läßt er einer ausführlichen Darlegung der positiven Sicht der
Religionen in der katholischen Theologie einen Abschnitt über den
Dialog, einen mehrfach untergliederten über das Zeugnis der Liebe
(Entwicklungshilfe, Gerechtigkeit und Friede, Befreiung. Option für
die Armen), sodann Verkündigung des Evangeliums und Sammlung
des Gottesvolkes (schließend mit den autochthonen Kirchen) folgen.
Bemerkenswert sind die Feststellungen: „Entwicklungshilfe als Dienst
am Menschen fällt durchaus in den Bereich der Mission; es
hieße die Kirche in die .Sakristei' zurückdrängen, wollte man ihr die
Kompetenz dafür absprechen" (115). „Gerade auf dem Sektor der
Entwicklungshilfe ist ökumenische Zusammenarbeit möglich und
erstrebenswert" (117).

Im Anschluß an die von Müller nach Grund, Ziel und Werk entfalteten
Missionstheologie versucht Gensichen, „Last und Lehren der
Geschichte als unentbehrliche Wegweisung" kenntlich zu machen,
und zwar unter Orientierung an dem zweiten, dem ersten und dritten