Recherche – Detailansicht

Ausgabe:

1987

Spalte:

468

Kategorie:

Kirchenrecht

Autor/Hrsg.:

Boekholt, Peter

Titel/Untertitel:

Der Laie in der Kirche 1987

Rezensent:

Stein, Albert

Ansicht Scan:

Seite 1

Download Scan:

PDF

467

Theologische Literaturzeitung 112. Jahrgang 1987 Nr. 6

468

beschränken und mit dem schönen Aufsatz „Die Geschichtlichkeit
des Rechts als ethisches Problem" von 1962 die rechtstheologische
Abteilung zu eröffnen. Doch der von Albert Stein getroffenen, noch
mit Dantine besprochenen Auswahl kann man im Ganzen zustimmen
; die sorgfältige Redaktion des Bandes verdient es, besonders
hervorgehoben zu werden.

Ein besonderes Problem wirft der Titel des Buches auf. Variierend
nimmt er Karl Barths berühmten Titel „Rechtfertigung und Recht"
(1. Aufl. 1938) auf. Nun unterstreicht Dantine auf der einen Seite
immer wieder die epochemachende Bedeutung dieser Barthschen
Schrift. Da er auf seine Weise selbst die These von der Rechtfertigungslehre
als „Mitte und Grenze reformatorischer Theologie"
(E. Wolf) entfaltet, sucht auch er in verschiedenartigen, sich häufig
überschneidenden Variationen einen Zugang zum Rechtsproblem
von dieser Lehre aus. Doch er bemüht sich darum als lutherischer
Theologe in einem prononcierten Sinn. Er verknüpft deshalb den von
Barth gegebenen AnstoB mit einer Rezeption von Luthers Zwei-
Reiche-Lehre, in der sich schon sehr früh die Grundzüge finden, die
Ulrich Duchrow in seiner traditionsgeschichtlichen Rekonstruktion
(Christenheit und Weltverantwortung, 1970) herausgearbeitet hat.
Diese Aufnahme der Zwei-Reiche-Lehre aber veranlaßt Dantine, die
Geschichtlichkeit des Rechts und die Autonomie des menschlichen
Gesetzgebers hervorzuheben. Im Blick auf beide Phänomene erscheint
ihm jede Form einer theologischen „Rechtsbegründung" als
verfehlt. Dieses Urteil trifft diejenigen Fassungen des Naturrechtsgedankens
, die dessen kritische Funktion zugunsten einer begründenden
eingezogen haben, ebenso wie die ordnungstheologischen
Begründungen des Rechts im Luthertum. Es trifft aber auch die
Verknüpfung von Rechtfertigung und Recht, sobald sie im Sinn
einer „christologischen Rechtsbegründung" interpretiert wird. Diese
christologische Rechtsbegründung, so erklärt Dantine scharf, „hat
dann keineswegs die alten Fehler vermieden" (S. 266), indem sie
Normen für das Recht aus theologischen Obersätzen meinte deduzieren
zu können. Doch er kritisiert das Barthsche Programm zugleich
aus einem anderen Grund, der mit der Lehre von Gesetz und Evangelium
zusammenhängt. Dem Versuch, Recht einseitig an „Rechtfertigung
" zu orientieren, erteilt er ebenso eine Absage wie dem
anderen Versuch, es ausschließlich am „Gesetz" auszurichten.
Gemeinsam ist beiden Versuchen die Schwäche, das Recht an jeweils
einen Teil des Verhältnispaares von Gesetz und Evangelium anzuschließen
(S. 292). Statt dessen aber muß man das Problem des Rechts
auf das Verhältnis von Gesetz und Evangelium beziehen. Nur dann
nämlich, so muß man - Dantine weiterführend - sagen, läßt sich die
These von der Autonomie des Rechts mit der anderen verknüpfen,
daß seine Gestaltung an einer der Gerechtmachung des Gottlosen entsprechenden
Humanität auszurichten ist.

Solche den Barthschen Impuls relativierenden Erwägungen haben
Dantine gelegentlich dazu veranlaßt, dem Programm einer „Rechtstheologie
" überhaupt eine Absage zu erteilen; mehr als ein „Beitrag
der Theologie zur Rechtsproblematik" sei nicht zu erwarten (S. 267).
Über die Unbestimmtheit einer solchen Formulierung wird sich deren
Autor selbst am wenigsten getäuscht haben; und so münden seine
Arbeiten denn doch in eine „Skizze einer Theologie des Rechts"
(S. 290ff), der höchst konkrete Ausarbeitungen zu Problemen des
innerkirchlichen Rechts zur Seite treten. Diese sind naheliegenderweise
vor allem an Problemen der Evangelischen Kirche in Österreich
orientiert.

Die Verknüpfung von Dantines - wie wir nun doch sagen dürfen -
rechtstheologischen Arbeiten mit denjenigen zur politischen Ethik ist
konsequent. Denn in ihnen zeigt sich derselbe Grundzug: der Versuch
nämlich, die befreiende Botschaft des Evangeliums in bezug auf die
Welt des Politischen so zur Sprache zu bringen, daß dadurch deren
geschichtlicher und autonomer Charakter nicht geleugnet wird. Die
Frage nach dem Geschichts-Bezug des Glaubens ist deshalb auch die
Leitfrage für Dantines - von manchen als überspitzt empfundene -
Kritik an Karl Barth (S. 143 ff). Das Interesse am geschichtlichen

Wandel bahnt Dantine auch den Zugang zu Phänomen und Begriff
der Säkularisierung (S. 119ff).

Viele werden Wilhelm Dantine noch als den in Erinnerung haben,
der unvergeßliche Theologenkongresse in Wien organisiert hat: Gelegenheiten
zum Disput wie zum Fest und vor allem: Gelegenheiten
zur Begegnung über Grenzen hinweg. Jene Verbindung von Weite
und Zielstrebigkeit, von Liberalität und Entschlossenheit, die ihn als
Motor jener Wiener Kongresse so anziehend machte, bewirkt auch die
Anziehungskraft seiner - ebenfalls Grenzen überschreitenden -
Studien zum Verhältnis zwischen Theologie und Recht. Wenn wir
uns heute, von manchen Seiten aus, diesem Thema aufs neue nähern,
so ist eine Aufnahme der Überlegungen Wilhelm Dantines unentbehrlich
. Nicht nur um der Erinnerung an ihren Autor, sondern auch
um der zukünftigen Behandlung ihres Themas willen ist diese Veröffentlichung
dankbar zu begrüßen. Um so mehr bedauert der Rez.,
daß eine schnellere Würdigung wegen anderer Verpflichtungen
unterblieb.

Heidelberg Wolfgang Huber

Boekholt. Peter: Der Laie in der Kirche. Seine Rechte und Pflichten
im neuen Kirchenrecht. Kevelaer: Butzon & Bercker 1984.
359 S. 8 Lw. DM36,-.

Das Buch bietet mehr, als sein Titel ausdrückt. Die Einleitung
bringt allerdings eine systematische und kirchengeschichtliche Skizze
über die Stellung des Laien in der römisch-katholischen Kirche
(S. 15-22). Dann aber wird ein Kommentar zu allen Bestimmungen
des neuen römisch-katholischen Rechtsbuches (CJC 1983) geboten,
die nicht spezielles Recht der geistlichen Stände darstellen und also
einen Laien betreffen können. Das führt von den Grundpflichten und
Grundrechten der Laien in der Kirche (S. 25 ff) über Grundfragen der
kirchlichen Verfassung (S. 89ff) zu einer ausführlichen Behandlung
des Sakramentenrechts (S. 196ff); aber auch Bestimmungen über das
Kirchenvermögen, das kirchliche Strafrecht und das Gerichtswesen
werden erläutert (S. 329ff). Dabei wird der Gesetzestext des Codex
jeweils nach der von den deutschen Bischöfen veranlaßten Übersetzung
der zweisprachigen Ausgabe (1984 im gleichen Verlag
erschienen) wiedergegeben, was zur ersten Orientierung sicherlich
ausreicht.

Zutreffend stellt der Vf. in seiner Einleitung wie bei den Einzelwürdigungen
heraus, daß in der nachkonziliaren katholischen Kirche
und ihrem Recht Kleriker und Laien nicht mehr als Glieder zweier
sich ausschließender Gruppen „Amtskirche" und „einfaches
Kirchenvolk" gegenüberstehen (S. 9). Dabei verschließt er nicht die
Augen davor, daß nach gegenwärtigem Kirchenrecht noch Wünsche
offen stehen; beispielsweise die von ihm bedauerte Ausschließung der
Frauen vom gottesdienstlichen Laienauftrag des Akolythen (S. 76)
oder die nur uneigentliche Weise der Mitwirkung von Laien an der
Leitungsgewalt der Kirche (S. 100). Vielleicht hätte die Analyse des
„cooperari possunt" in can. 129 §2 hier eine weitergehende Würdigung
ermöglicht. Mit Recht wird es als Rückschritt gewertet, daß die
Laienpredigt entgegen einer ad experimentum bisher im Bereich der
Deutschen Bischofskonferenz eingeräumten Möglichkeit jetzt nicht
mehr in der Eucharßtiefeier erfolgen darf (S. 173).

Ein sinnstörender Druckfehler ist S. 93 Z. 3 zu verbessern: der vom Staat
ermöglichte Kirchenaustritt hat „nur", nicht etwa „nicht nur" bürgerliche
Wirkung, denn die katholische Kirche ignoriert ihn! Gemäß dem vom Vf. nicht
kommentierten can. 117 erläßt sie dem Ausgetretenen allerdings die Pflicht zur
katholischen Eheschließungsform.

Karlsruhe Albert Stein

Winter, Jörg: Die Barmer Theologische Erklärung. *in Beitrag über ihre
Bedeutung für die Verfassung, Recht, Ordnung und Verwaltung der Evang.
Landeskirche in Baden nach 1945. Heidelberg: Müller 1986. VIII, 45 S. gr. 8" =
Freiburger Rechts- u. Staatswissenschaftl. Abhandlgn., 47. Kart. DM 24,-.