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Ausgabe:

1987

Spalte:

463-466

Kategorie:

Religionspädagogik, Katechetik

Autor/Hrsg.:

Tworuschka, Monika

Titel/Untertitel:

Analyse der Geschichtsbücher zum Thema Islam 1987

Rezensent:

Lähnemann, Johannes

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463

Theologische Literaturzeitung 1 12. Jahrgang 1987 Nr. 6

464

Giering, Achim: Voraussetzungen und mögliche Ziele einer Reform evangelischer
Agenden (Die Christenlehre 39, 1986,352-358).

Mildenberger. Friedrich: Fürbitte als solidarische Wellwahrnehmung
(ZGP4,1986,22-24).

Möller, Christian: Den Sonntag wiedergewinnen - Christen können von der
jüdischen Sabbatfeier lernen (LM 25, 1986,351-354).

Schmidt, Ludwig [Hg.]: Psalmandachten. Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht
1986.218 S. 8-. Kart. DM 23,80.

Praktische Theologie:
Katechetik/Religionspädagogik

Tworuschka, Monika: Analyse der Geschichtsbücher zum Thema

Islam. Braunschweig: Georg-Eckert-Institut für Internationale
Schulbuchforschung 1986. XXI, 343 S. gr. 8" = Studien zur internationalen
Schulbuchforschung, 46: Der Islam in den Schulbüchern
der Bundesrepublik Deutschland. 1. Kart. DM 29,-.
Tworuschka, Udo: Analyse der evangelischen Religionsbücher zum
Thema Islam. Braunschweig: Georg-Eckert-Institut für Internationale
Schulbuchforschung 1986. XIX, 300 S. gr. 8" =Studien zur
internationalen Schulbuchforschung, 47: Der Islam in den Schulbüchern
der Bundesrepublik Deutschland, 2. Kart. DM 27,-.

Die vorliegenden Bände, in denen allein mehr als 180 Schulbücher
analysiert werden, sind das erste Ergebnis eines im deutschsprachigen
Raum bisher einmaligen, ambitionierten Projekts: die Behandlung
des Islam in der Schulbuchliteratur, in den Richtlinien und audiovisuellen
Schulmedien der Bundesrepublik Deutschland zu untersuchen
, sie einer konstruktiven Kritik zu unterziehen und zugleich
Hilfen für eine verbesserte Darstellung des Islam zu geben.

Aktueller Hintergrund der Untersuchung ist, daß in der Bundesrepublik
Deutschland und West-Berlin weit mehr als I Vi Millionen
Muslime - zum großen Teil türkische Gastarbeiter und ihre Familien
- leben, daß mehr als eine halbe Million muslimischer Schüler deutsche
Schulen besuchen, daß aber auch im internationalen Rahmen
der Islam sich zunehmend als ein Weltfaktor ersten Ranges darstellt.
Dabei zeigt sich, daß über Jahrhunderte tradierte Ängste und Voreinstellungen
- der Islam als Bedrohung des Abendlandes, islamische
Länder als Objekt der Kolonialgeschichte - sich mit sensations-
orientierter Berichterstattung in der Gegenwart verbinden und so einGesamtbild
erstehen lassen, das eine unvoreingenommene Wahrnehmung
des Islam erschwert und sich den notwendigen Verständigungsbemühungen
in den Weg stellt. In diesem Zusammenhang
kommt den in Schulbüchern weitergegebenen Informationen ein
besonderer Stellenwert zu: Transportieren sie unkritisch Fehldeutungen
, Mißverständnisse, Vorurteile, oder verhelfen sie zu einer differenzierten
, weiterführenden Sicht?

Es ist außerordentlich verdienstlich, daß diese Fragestellung in den
vorliegenden Bänden systematisch angegangen wird. Dabei gewährleisten
die Struktur des Projektes und die beteiligten Wissenschaftler
hohe fachliche Kompetenz: Die Federführung liegt mit Prof. Dr.
Abdoldjavad Falaturi (Universität Köln), dem (muslimischen) Direktor
der Islamischen Wissenschaftlichen Akademie, bei einem Kenner
sowohl der islamischen Traditionen als auch der abendländischen
Philosophie, seit Jahrzehnten am Dialog mit dem Christentum beteiligt
, und mit Prof. Dr. Udo Tworuschka (ebenfalls Universität Köln)
bei einem der qualifiziertesten Fachleute im Themengebiet „Weltreligionen
im Unterricht". Das Georg-Eckert-Institut in Braunschweig
als Herausgeber der Studien zur internationalen Schulbuchforschung,
das u. a. schon die deutsch-polnischen und deutsch-israelischen
Schulbuchgespräche erfolgreich leitete, konnte für die organisatorische
und methodische Durchführung wertvolle Hilfe leisten. In
Symposien und Beratungen sind während der Erarbeitungsphase alle
kompetenten Fachvertreter in der Bundesrepublik Deutschland konsultiert
worden. Das Ehepaar Tworuschka, seit langem wissenschaftlich
und persönlich in der Begegnung mit dem Islam engagiert, hat mit

den ersten beiden Händen des Projekts den inhaltlichen und methodischen
Rahmen der Untersuchungen pilothaft ausgefüllt. - Weitere
Bände werden für die Lacher Katholische Religion und Geographie,
aber auch über Richtlinien und Lehrpläne sowie über audio-visuelle
Schulmedien vorgelegt. Erst dadurch kann ein zutreffendes Gesamtbild
davon entstehen, wie gegenwärtig der Lehrer angeleitet wird, den
Islam im Unterrieht zu behandeln. Zu fragen wäre, ob nicht darüber
hinaus Unterrichtsmodelle, die dem Lehrer in Zeitschriften oder
Modellreihen zur Verfügung stehen, sowie didaktische Werke zu den
Weltreligionen für die Hand des Lehrers der Untersuchung bedürften.
Soweit Modelle offiziell für den Unterrichtsgebrauch zugelassen sind,
werden sie allerdings auch in den vorliegenden Bänden berücksichtigt
.

Inhaltlicher Maßstab lür Analyse und Kritik ist, den Islam im
Spiegel seines eigenen Selbstverständnisses zu sehen, wobei sich die
Autoren am heutigen Forschungsstand, „verbunden mit den authentischen
Quellen des Islam, nämlich Koran, Sünna und denjenigen
Schulen und Richtungen, die von der seit tausend Jahren bestehenden
und von der gesamten islamischen Welt respektierten theologischen
Al-Azhar-Universität in Kairo anerkannt werden", orientieren
(Tl. 1/2 VII). Ihnen ist dabei bewußt, daß dies in den meisten Fällen
bisher nicht die Perspektive eines westlichen Schulbuchautors war,
daß damit nicht die ganze Spannbreite von auch im Islam divergierenden
Anschauungen erfaßt wird und daß damit die Spannungen „zwischen
dem islamischen Selbstverständnis und der politischen Wirkung
in den islamischen Ländern nicht überwunden wird" (Tl. 1/2
V). Dennoch eröffnet diese Betrachtungsweise, wie dann gerade an
vielen Einzelbeispielen sichtbar wird, überraschende Einsichten und
Hilfen für ein neues Verständnis. Dabei weichen die Autoren auch
solchen traditionell als heikel geltenden Themen wie Stellung der
Frau im Islam, Strafrecht des Koran, dem sogen. „Heiligen Krieg"
nicht aus, versuchen freilich, „die dahinterstehende Logik im gesamtislamischen
Wertsystem zu beleuchten" (Tl. 112 VII).

Die Untersuchung folgt einem durchdachten methodischen Gesamtkonzept
: In einem ausführlicheren Analyseteil werden die Schulbücher
nach inhaltlichen Dimensionen und Kategorien ausgewertet
und - vor dem Hintergrund von Erläuterungen zu einem angemessenen
Verständnis der jeweiligen Dimension bzw. Kategorie - beurteilt.
Da aber hierbei die Ausführungen der einzelnen Schulbücher notwendigerweise
atomisiert werden, enthält ein weiterer Teil sog. „Buch-
profile", d. h. es wird die Darstellung des Islam im Zusammenhang
der jeweiligen Schulbücher - nach Schulstufen geordnet - vorgestellt
und charakterisiert. - Bei der Aufgliederung in Dimensionen ergeben
sich fachbedingte Unterschiede für den Geschichts- und den Religionsunterricht
: Werden die Inhalte der Geschichtsbücher vorwiegend
nach historischen Aspekten (von der Entstehung des Islam bis
zur Darstellung des 19. und 20. Jh.) aufgeteilt, so die der Religionsbücher
nach systematischen Gesichtspunkten: I. Gott/Theologie;
II. Koran; III. Muhammad; IV. Umma/Gemeinschaft; V. Verhältnis
Christentum/Judentum/Islam; VI. Geschichte; VII. Gegenwärtige
Situation des Islam in der Welt. Für die Analyse wird die „quantifizierende
Methode" („Raumanalyse": Welchen Raum nimmt das Thema
ein, wie verteilen sich hier Quellentexte, Autorentexte, Bilder,
Karten ...) mit der qualitativen Inhaltsanalyse, der bewußt das sachlich
größere Gewicht beigemessen wird, verbunden. Den eigentlichen
Reiz der Untersuchung macht die Verknüpfung von tabellarischen
Übersichten mit inhaltlicher Auswertung und Einzelbetrachtung und
die dabei erreichte Differenzierung sowohl des Islambildes als auch
der pädagogischen Aufgabe aus. Erkenntnisse aus der Analyse und
Erfordernisse für die weitere Schulbuchentwicklung werden in dem zu
jedem Inhaltspunkt formulierten „Fazit" (Tl. I) bzw. der „Zusammenfassung
" (Tl. 2)gesammelt vorgetragen.

Um den inhaltlichen Ertrag wenigstens exemplarisch sichtbar zu
machen, seien hier in Kürze drei Themenbereiche angesprochen:
1) Bei der Darstellung des Lebens Muhammads findet in den Schulbüchern
zwar keine generelle Verdammung oder Verächtlich-