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Ausgabe:

1987

Spalte:

459-460

Kategorie:

Systematische Theologie: Dogmatik

Autor/Hrsg.:

Häring, Hermann

Titel/Untertitel:

Das Problem des Bösen in der Theologie 1987

Rezensent:

Suda, Max Joseph

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459

Theologische Literaturzeitung 112. Jahrgang 1987 Nr. 6

460

die freie moralische und liebende Hingabe an den Schöpfer und seine
Mitgeschöpfe macht den Menschen zur Person. Durch die „Sendungen
" des Sohnes und des Geistes begegnet der allmächtige Schöpfer
seinen vernünftigen Geschöpfen in liebender Hingabe, die es ihnen
ermöglicht, ihm zu entsprechen und ihm in der Hingabe der Liebe
gleich zu werden. Daher ist es erst „das Gnadenangebot Gottes, das
vor die Entscheidung stellt, personal in Gott leben zu wollen oder sich
hochmütig und lieblos mit sich selbst zu begnügen". (164)

Das Problem, das hier einer Lösung näher gebracht werden soll, ist
das alte theologische Dilemma, wie der Widerspruch zwischen der
Allmacht Gottes und der freien Entscheidung seiner vernünftigen
Geschöpfe zusammengedacht werden kann. Der trinitarische Gottesbegriff
bietet nach Oeing-Hanhoff die Denkmöglichkeit, Gottes
wirkende Allmacht und seine hingebende Liebe zusammenzubringen.
Trinitarisch gedacht „wird Gott zwar geschichtlich, hinnahmefähig,
endlich und ohnmächtig in der Ohnmacht der Liebe, aber er bleibt
doch - als der Vater - auch ewig, unveränderlich, jenseitig und allmächtig
. Die Trinitätslehre mit Einbeziehung der Lehre von den
Sendungen, also der ökonomischen Trinität, ist die Aufhebung dieses
Widerspruchs." (172)

Insgesamt gesehen geben die Beiträge ein eindrucksvolles Bild von
den gegenwärtigen Bemühungen um das Zentrum der christlichen
Theologie, den Gedanken des dreieinigen Gottes. Der vorliegende
Berichtsband gibt auch ein Zeugnis davon, wie heute im Dialog der'
Konfessionen die gesamtchristliche Tradition neu sprechend wird,
das gemeinsame Glaubensgut überwiegt und die konfessionellen
Unterschiede als konstruktive Anfragen integriert werden können. Zu
bedauern bleibt allenfalls, daß - trotz der zusammenschauenden Einführung
- die Beiträge doch im wesentlichen nebeneinander stehen.
Sicher wären auch für den Leser die Diskussionen während der
Tagung von großem Interesse gewesen.

Rostock Helmut Fritzsche

Häring, Hermann: Das Problem des Bösen in der Theologie. Darmstadt
: Wissenschaftliche Buchgesellschaft 1985. VI, 212 S. 8"
= Grundzüge, 62. Kart. DM 42,-.

In dieser Publikation liegt uns eine sowohl dogmengeschichtlich als
auch systematisch erhellende Zusammenfassung einer Problementwicklung
vor, von der immer nur ein vorläufiges Ende konstatiert
werden kann. Vulkanartige Ausbrüche des Bösen in unserem Jahrhundert
und Befürchtungen von noch gefährlicheren Ausbrüchen
„garantieren", daß die Theologen - solange überhaupt noch der
Menschheit Zeit gegeben ist - in Reflexion über Gott und vor Gott
jeweils vorläufige Antworten und Anweisungen für unsere Ethik
suchen müssen.

Drei »geschichtlich besonders wirksame Beantwortungsversuche
werden vom Autor vorgestellt: erstens der neuplatonisch-augusti-
nische Versuch, das Böse als notwendig für die Harmonie des Kosmos
zu erweisen. Dieses Schema wurde nicht nur in der Antike, sondern,
wie der Autor zeigt, mutatis mutandis später auch in der Neuzeit
gebraucht, um eine Ordnung zu bejahen, die einander widerstrebende
Seiten einschließt (z. B. Darwin: die Ordnung der Artenentwicklung
aus dem "struggle for life", Freud nach 1920: die Entspannung der
Triebe im Gegeneinander von Libido und Destrudo). Theologisch
entsteht aber die Frage, ob Gott das Böse gewollt hat, wenn er die Welt
in einer bestimmten Ordnung erschuf. Die Antwort ist bei Augustin,
daß das Böse gerade als ein von Gott Nichtgewolltes in die Ordnung
eintritt, womit sich die Theorie vom Bösen als Nichtiges und Nichts
ergibt, die noch Barth in unserem Jahrhundert vorgetragen hat.

Die allgemeinmenschliche Erfahrung, daß das Böse nicht Nichts
sei, führt zu einem zweiten Beantwortungsversuch des Inhalts, daß das
Böse Sünde des Menschen sei. Häring greift hier wieder auf Augustin
zurück (wie überhaupt die Darstellungen zu Augustin am eindrücklichsten
sind, bedingt durch die einschlägige Vorarbeit Härings: Die
Macht des Bösen, 1979). Er zeigt, daß Augustinus trotz einer falschen

Exegese von Rom 5,12 (auf S. 97 übrigens der dumme Druckfehler
„Rom 12,5"!) eine anthropologische Wahrheit ausgesprochen hat:
„die Erfahrung einer fundamentalen Unsicherheit, Unfreiheit und des
Unvermögens, sich Gott (und dem Nächsten) wirklich zuzuwenden"
(S. 99). Der Autor führt die Entwicklung des Themas über Luther,
Pascal und Kierkegaard bis in die Gegenwart (z. B. Ricoeur) und zeigt
die Aporetik dieses Bcantwortungsversuchs in der Unableitbarkeit
von Freiheit und Schuld.

Der dritte Beanlwortungsversuch ist die von Leibniz erdachte und
bereits von Voltaire und Kant bekämpfte Lösung in der Theodi/ee.
Da Leibniz die Denkanstrengung unternahm, das Böse systematisch
der Existenz, Güte und Gerechtigkeit Gottes zu- und unterzuordnen,
und gleichzeitig die menschliche Freiheit zu begründen, hätte die
positive Entfaltung dieses Beantwortungsversuchs mehr Raum verdient
, als sie in diesem Buch erhält - dies wäre kritisch anzumerken.
Auch ist nicht einsichtig, warum die gewichtigen Beiträge Hegels zu
diesem Thema mit einem Satz übergangen werden (S. 140).

Insgesamt stellt der Autor seine Untersuchungen in einen
biblischen (S. 11 1 f), insbesondere christologischen (S. 172 ff) Bezugsrahmen
. Das hat den Vorteil, daß das Problem des Bösen immer
wieder vom existentiellen Erleben her formuliert werden kann; die
biblischen Texte sprechen ja eine lebensnahe Sprache.

Freilich wird eine christologische Antwort auf das Problem des
Bösen vom Autor zwar formuliert und aus der neueren Diskussion
belegt, nicht aber (wahrscheinlich wegen des begrenzten Platzes) argumentativ
ausgeführt. Ist eine derartige Argumentation überhaupt
möglich? - Als Protestant horcht man beim Stichwort „Theologie des
Kreuzes" (S. 174) auf, in der eine solche Argumentation angegangen
und entfaltet wurde. Zur genaueren Kenntnisnahme dieser Entfaltung
werden wirabernuraufandere Literatur verwiesen.

Wien MaxJ.Suda

Blank. Josef, u. Jürgen Werbick [Hg.]: Sühne und Versöhnung. Düsseldorf:
Patmosl986. 172 S. 8"= TheologiezurZeit, I. Kart. DM 26,-.

llerms.Eilert: Die Lehre im Leben der Kirche(ZThK 82.1985,192-230).

Pannenberg, Wolfhart: Constructivc and Critical Function of Christian
Eschatology(HTR 77, 1984, 119-139).

-: Dogmatische Grundsatzentscheidungen? (KuD 33. 1987.93-99).

Pitters, Hermann: Unsere Kirche - Kirche des Herrn (Kirchliche Blätter 14.
1986,4-5).

Siegwalt, Gerard: Der biblische Kanon und die Offenbarung (NZSTh 28,
1986,51-67).

Praktische Theologie:
Liturgiewissenschaft

Gerhards, Albert: Die griechische Gregoriosanaphora. Ein Beitrag zur
Geschichte des Eucharistischen Hochgebets. Münster/Wf:
Aschendorff 1984. XXIII. 261 S„ 2 Taf. gr. 8- = Liturgiewissen-
schaftl. Quellen und Forschungen, 65. Kart. DM 78,-.

Mit dieser Veröffentlichung wird die Dissertation eines Schülers
von Louis Ligier/Rom (Gregoriana) und Balthasar Fischer/Trier
zugänglich gemacht. Sie steht methodisch wie inhaltlich auf einem
sehr hohen Niveau. So wird verständlich, daß dem Vf. bereits kurz
nach dieser Veröffentlichung die Bochumer Professur für Liturgiewissenschaft
übertragen wurde unter Verzicht auf eine Habilitation.

Die Gregoriusanaphöra nimmt in der Liturgiegeschichte eine
Sonderstellung ein, da in ihr nicht der Vater (per Christum), sondern
Christus angeredet wird. J. A. Jungmann hat von seiner ersten Arbeit
„Die Stellung Christi im liturgischen Gebet" (1925) an den Weg des
liturgischen Gebetes durch Christus zu Gott als die allein in der
römischen Liturgie bewahrte „ursprüngliche Weise des christlichen
Betens" vertreten, das an Christus gerichtete Vorstehergebet sei >,als
eine späte Folge des ... Wandels im liturgischen Christusbild anzuse-