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1987

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Systematische Theologie: Allgemeines

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Neuerscheinungen

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455

Theologische Literaturzeitung I 12. Jahrgang 1987 Nr. 6

456

selbst ins Leben Gottes hineingenommen zu werden. Der Neue Bund
hat eine ungekannte, Solidarität zwischen der göttlichen und der
menschlichen Seinsweise begründet" (433).

Stuttgart Andreas Rödler

Lundin, Roger, Thiselton, Anthony C, and Clarence Walhout: The
Responsibility of Hermeneutics. Grand Rapids: Eerdmans Exeter:
Paternoster 1985. XI, 129 S. 8". £ 7,95

Ausgangspunkt dieser interdisziplinären Gemeinschaftsarbeit am
Calvin-College in Grand Rapids 1982/1983 ist das Reizwort „Hermeneutik
", das viel verspricht und wenig leistet und darum oft enttäuschend
unproduktiv erscheint. Eröffnet die hier vorgeschlagene
Fundierung auf ein Handlungsmodell neue Horizonte? Texte ebenso
wie Textverstehen, verstanden als Handlung und Sequenz von Handlungen
, zielen auf die Einbettung in ein Konzept der Interaktion und
Verantwortung. Der Blick auf Interpretationskonflikte macht den Zusammenhang
von Interpretation und Ethik deutlich und widerrät
einer isolierenden Trennung beider. Wie aber sieht die konkrete Beziehung
zwischen Verstehen und Verhalten aus? In dieser Richtung
suchen die drei Beiträge nach einer Antwort.

Der Anglist Lundin untersucht vorbereitend "Our Hermeneutical
Inheritance" (1-30) von Descartes bis Wittgenstein in der Frontstellung
gegen die Illusion einer privaten, existentiellen Erfahrung und
gegen eine romantisch begründete Genie-Ästhetik, die den Text nur
als Stimulus für den kreativen Leser verstehen möchte. Daß dabei die
subjektive Bewußtseinsphilosophie global auf das cartesianische
„Ich" verrechnet und damit die induktive Methode als solche bestritten
wird, entspricht zwar einer Gewohnheit der hermeneutischen Philosophie
, darf aber als von Löwith widerlegt angesehen werden. Daß
die hermeneutische Philosophie als solche eine Kontradiktion zur Erkenntnistheorie
(und ihrer Betonung der Notwendigkeit einer Nicht-
verwechslung von passiver Erkenntnis in den Symbolhandlungen der
Sprache und aktiven Handlungen) darstellt, wird hier allerdings vom
Autor positiv als gegeben bejaht.

Der systematische Beitrag des Anglisten Walhout "Texts and
Actions" (31 -77) will - ausgehend von der Theorie der Sprechakte -
das Modell einer Theorie der „Literatur als Sprache" durch ein umfassenderes
hermeneutisches Grundmodell „Text als Handlung" ersetzt
wissen. Der antirealistische Agnostizismus gegenüber dem Referenzbezug
der Sprache wird auch hier als gegebener Ansatzpunkt
akzeptiert. Als Grundprinzipien der neuen Theorie werden bestimmt:
Texte sind (als Objekte wie als Instrumente) Teilelemente innerhalb
von Handlungsstrukturen. Damit ergibt sich eine Prävalenz der textpragmatischen
Funktionen über die semantischen Gehalte, die nicht
mehr als autonom, sondern als handlungsabhängig bestimmt werden.
Die Texte als solche haben teil an der temporalen Natur aller Handlungen
. Gegenüber der von der „Neuen Kritik" reklamierten Textautonomie
setzt eine Handlungstheorie den Autor als einen konstitutiven
Faktor wieder in seine rechtmäßige Funktion ein. Dieser Entwurf
mit seiner Bestreitung der referentialen Textfunktion ist zwar
wesentlich auf fiktionaie Texte hin orientiert, statuiert aber auch
heuristisch: "Fiction is itself hermeneutical; it offers new ways of
seeing or interpreting the world" (59).

Abschließend behandelt Thiselton "Reader-Response Hermeneutics
, Action Models, and the Parables of Jesus" (79-113). Es ist nicht
überraschend, daß sich diese Fallstudie gerade den fiktionalen Erzählungen
der Evangelisten zuwendet. Sind doch die sogen. „Gleichnisse
Jesu" das geradezu kennzeichnende Lieblingskind einer herme-
neutisch orientierten Exegese: Nicht was sie meinen, sondern was sie
vollziehen, soll bestimmend sein; die Semantik läßt sich für solche
Kerygmatik hier am ehesten suspendieren, da „Gleichnisse als
Gleichnisse" keine (bzw. keine eindeutige) Botschaft haben, sondern
das Einlassen einer immer neuen Erfassung der Realität vollziehen.
Dieser Ertrag der reader-response-hermeneutics wird nur insofern als

ein zu begrenzendes Modell gewertet, als einerseits die verschiedenen
Sprechakte im Handlungsmodell die führende Rolle bekommen
sollen (de facto aber wird an dem Lösungsvorschlag für Mk 4,11 ("deutlich
, daß das auf eine Überdominanz der Appellstruktur hinausläuft)
und andererseits die traditionsbetonende (und darum historisierende)
Generalisierung „Gleichnisse Jesu" eine Kriterienfunktion behalten
soll. Das führt beispielsweise dazu, daß zwar die Mt 18 wie Lk 15 vorliegenden
Stilisierungen der Parabel vom „verlorenen Schaf als
handlungstheoretisch gerechtfertigt erscheinen sollen, nicht aber die
von EvThom 107 - obwohl auch Lk dem Stoff seine eigene Aussageabsicht
nicht weniger aufgepreßt hat. Hier wird deutlich, daß die inkohärente
Generalisierung „Gleichnisse Jesu" irreführend ist, da es sich
hier zunächst und primär um die fiktionalen Segmente als Teiltexte
der jeweiligen Evangelien handelt, die schon eine sehr verschiedene,
autorspezifische Struktur wie Funktion innerhalb ihrer Makrotexte
selbst haben (lk exemplarische Rechtsentscheide; mt monarchische
Autoritätsurteile; Sellin ZNW 65, 1974, 166ff) also textpragmatisch
sehr verschieden zu werten sind. So lassen sich weder die sehr unterschiedlichen
textpragmatischen Funktionen selbst noch gar die jeweiligen
Relationen von Semantik und Pragmatik einfach von einer
globalen Handlungs- oder Praxis-Hermeneutik einebnen.

Hermeneutik war und bleibt auch hier als das sichtbar, was sie nach
Dilthey wurde: der Angriff auf die zentralen Ideen und Motive der
Aufklärungsphilosophie. Die Furcht vor der vermeintlichen Übermacht
der angeblichen Verfügungsgewalt der erkennenden Subjektivität
rehabilitierte die Vorurteilsstruktur zum Zwecke der Ausschaltung
des erkennenden Subjekts. Insofern bleibt diese Hermeneutik der
verdrängende Opponent der Erkenntnistheorie, die ein erkennendes
von einem ethischen Subjekt unterscheidet. Auch die Hermeneutik ist
indessen das gefürchtete Subjekt nur scheinbar losgeworden, sondern
hat die Überlieferung selbst in die Funktion des Subjekts eingesetzt.
Hermeneutik erneuert für sich den Anspruch der klassischen Metaphysik
, gegen die Partikularität wissenschaftlicher Erkenntnis das
Ganze menschlicher Lebenserfahrung zu setzen. Damit implizierte sie
immer schon Handlungsorientierung, so daß eine neue Akzentuierung
dieser Variante hier nicht überraschend erscheint.

Eppstein Wolfgang Schenk

Guunelle. Andre: Foi et Religion: Esquisse d'une confrontation entre Barth,
Bonhoefler et Tillich (ETR 61,1986. 523-532).

Knuth. Hans Christian: Verstehen und Erfahrung. Hermeneutische Beiträge
zur empirischen Theologie. Hannover: Lutherhaus Verlag 1986. 140 S. 8".
Kart. DM 19,80.

Root, Michael: Truth. Relativism, and postliberal Theology (Dialog 25.
1986,175-180).

Sullivan. Lawrence E.: Sound and Senses: Toward a Hermeneutics of Perfor-
mance(HR26, 1986,1-33).

Systematische Theologie: Dogmatik

Breuning, Wilhelm [Hg.]: Trinität. Aktuelle Perspektiven der Theologie
. Freiburg-Basel-Wien: Herder 1984. 182 S. 8" =Quaestiones
Disputatae. 101. Kart. DM 39,-.

Die in dem vorliegenden Sammelband vereinigten sechs Beiträge
gehen auf Vorträge zurück, die 1982 anläßlich der „Arbeitstagung der
deutschsprachigen katholischen Dogmatiker und Fundamentaltheo-
logen" (9) in Luzern gehalten wurden. Durch die Einbeziehung eines
evangelischen und eines orthodoxen Beitrages wurde ein weites interkonfessionelles
Spektrum erzielt.

In seiner problemorientierten „Einführung" zitiert der Hg. Breuning
die bekannte Formel von K. Rahner „Die ökonomische Trinität
ist die immanente und umgekehrt" (9) und sieht in ihr'e'inen „Kristallisationspunkt
" (9) der gegenwärtigen trinitätstheologischen Diskussion
, an dem sich viel Gemeinsamkeiten, auch im interkonfessionel-