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Ausgabe:

1987

Spalte:

449-450

Kategorie:

Dogmen- und Theologiegeschichte

Titel/Untertitel:

Contre Julien 1987

Rezensent:

Winkelmann, Friedhelm

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Seite 1

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449

Theologische Literaturzeitung 112. Jahrgang 1987 Nr. 6

450

Bereits 1904 hat der Mechitarist K. Tserakian eine Sammlung
seinerzeit noch unedierter armenischer Versionen apokrypher
Apostelliteratur, zumeist aus dem Genre der sog. Apostelakten, veröffentlicht
(Ankanon girk 'arrak 'elakank'). zum Teil nebeneinander
in verschiedenen Fassungen. Da dieser Ausgabe keine Übersetzung
beigegeben und ihre Einleitung auf Neuarmenisch verfaßt war, ist ihr
Material allerdings bislang für die Erforschung der frühchristlichen
Apokryphenliteratur so gut wie unausgeschöpft geblieben. In Übersetzung
zugänglich gemacht worden sind davon bislang nur die Fassungen
der Paulusapokalypse (deutsch von P. Vetter in ThQ 88, 1906,
und 89, 1907; französisch von L. Leloir in REArm NS 14, 1980), und
selbst dafür läßt die bisherige sachliche Ausnutzung offenbar zu wünschen
übrig. Dementsprechend verfolgt die vorliegende Übersetzung
das Ziel, angesichts eines in der jüngsten Zeit sehr lebhaften Forschungsinteresses
an der apokryphen Apostelliteratur die von Tserakian
gebotenen Texte über einen schmalen Spezialistenkreis hinaus
zu erschließen und damit der armenischen Apokryphenüberlieferung
die ihr gebührende Aufmerksamkeit zu verschaffen. Als Forschungsdesiderat
wird dabei zugleich allerdings die Erstellung kritischer Textausgaben
auf breiterer handschriftlicher Basis angemeldet, dessen Erfüllung
indessen noch längere Zeit auf sich warten lassen wird.

Was der Buchtitel bescheiden verschweigt, ist, daß die Texterschließung
nicht ganz in einer französischen Übersetzung der Vorlage
Tserakians aufgeht. Leloir hat über sie hinaus eine Reihe von zusätzlichen
Handschriften aus Jerusalem und Paris berücksichtigt. Er hat
ferner den Texten einen Bibelstellenapparat beigegeben und sie
schließlich mit einer je eigenen Einleitung versehen. Diese speziellen
Einleitungen sind in enger Zusammenarbeit mit der Association pour
I'etude de la litterature apoeryphe chretienne entstanden und sprechen
nicht nur interne Aspekte der armenischen Textüberlieferung
an, sondern gehen, wenn auch unter dem Vorbehalt, daß es sich dabei
vielfach eher um Problemanzeigen als -lösungen handeln müsse,
ebenfalls auf die Frage nach dem Ort der armenischen Versionen im
überlieferungsgeschichtlichen Gesamtbild der jeweiligen Schrift ein.

Ein besonders eindringliches Beispiel dafür, daß hier ein beachtenswertes
, noch ungenutztes Textmaterial erschlossen wird, bietet die
armenische Fassung des auf die alten Andreasakten zurückgehenden
Andreasmartyriums: sie bietet von der theologiegeschichtlich interessanten
Rede des Andreas auf das Kreuz einen vollständigeren und
darin dem Original näherstehenden Text als alle anderen bislang bekannten
, in die Rekonstruktion von Flamion (191 1) eingegangenen
Überliefcrungsstücke.

Bonn Knut Schäferdiek

Gregoire de Nazianze: Discours 4-5. Contre Julien. Introduction,
Texte critique, Traduction et Notes par J. Bernardi. Paris: Cerf
1983. 399 S. 8° = Sources Chretiennes. 309. Kart. ffr423,-.

Die bereits vorliegenden Bände der Edition von Gregors Orationes
in der Reihe Sources chretiennes sind in dieser Zeitschrift 106, 1981,
670f und 108, 1983, 749f besprochen. Über die generelle Überlieferung
braucht hier also nichts mehr gesagt zu werden.

Von der Einleitung zur Ausgabe der Orationes 4 und 5 seien nur
einige Aspekte hervorgehoben: Die neue Datierung (gleich nach dem
Tode Julians, 363/364). die hier vorgeschlagen wird, ist sehr kenntnisreich
und gründlich untermauert (S. 11 -37). Sehr erwägenswert ist der
S. 44 f vorgetragene Gedanke, daß Gregor sich für einen Teil seiner Informationen
auf Berichte seines Bruders Kaisarios stützen konnte,
daß uns an diesen Stellen also Hofmeinungen vorliegen könnten. Die
Äußerungen zur Methode Gregors in diesen beiden Reden (S. 38-66)
stehen im Rahmen auch der Bemühung um ein neues Julianbild, für
das in dem Sammelband »L'empcrcur Julien. De la legende ä la
realite«. I/II, Paris 1978/1981, der CJrund gelegt wurde.

Als die Überlieferungszeugen, die dem Archetyp am nächsten stehen
, sieht B. die Codices Ambras. E-49-50 inf. (S. IX) und Patmiacus

44 (S. X)an. Er weist jedoch S. 73 schon selbst aufdie Schwierigkeiten
hin, die das von ihm vorgeschlagene Stemma fraglich erscheinen lassen
. Dieser Eindruck verstärkt sich einem noch bei der Überprüfung
am Text. Der Vergleich mit dem Text in der Kirchengeschichte des
Sokrates (S. 80) verliert an Überzeugungskraft, da es ja noch keine kritische
Sokrates-Edition gibt, und B. selbst nicht die Sokratesüberliefe-
rung umfassender für diese Stelle zu Rate zieht.

Die Arbeit mit dem textkritischen Apparat der Edition ist nicht
leicht. Weil der Editor keine Sigel für Handschriftengruppierungen
eingeführt hat, wird der Überblick erschwert, und es ist ein ständiger
Rückgriff auf die Einleitung notwendig, um die einzelnen Lesarten
richtig einordnen zu können. S. 86 wird einmal eine Sigelleiste für die
Handschriften gegeben - sie gilt wohl für beide Reden -, doch fehlen
in ihr S und P, Handschriften, die im Apparat immer zitiert werden.
Auch wird im Apparat nicht immer die Reihenfolge der Sigelleiste
gewahrt. Aus dem Apparat ist nicht zu entnehmen, an welchen Stellen
Handschriften eine Lücke haben. Lücken im Text von J sind aus S.
81 f, also der Einleitung zu entnehmen. Veränderungen der Textüberlieferung
durch den Editor sind in dieser Ausgabe nicht kenntlich gemacht
. S. 306,5 müßte zum Beispiel im Apparat zuerst die Textlesart
mit dem Sigel des Autors genannt werden, dann die Variante von D,
aufdie sich der Editor stützt, dann die Lesart, die durch die übrigen
Zeugen gestützt wird. Der Apparat sollte sich mehr auf Wesentliches
konzentrieren. Zum Beispiel sind S. 96, 11.26 unwesentliche Varianten
nurjeweilseinernicht zentralen Handschrift aufgeführt. Viele Beispiele
ließen sich dafür noch erbringen.

Die Anmerkungen zum Text sind knapp und nützlich. Manche Angaben
sind allerdings nicht ganz ausreichend. Nur einige Beispiele: S.
257 Anm. 1 wäre auch auf Sozomenos ed. Bidez-Hansen p. 54,1 I zu
verweisen. Der genaue Titel von W. Schmidts Standardwerk lautet
„Der Attizismus in seinen Hauptvertretern". S. 259 Anm. 3, S. 274
Anm. 5 u. a. wird Marrou noch nach der 1. Aufl. zitiert. Die Standardwerke
von Janin (Constantinople und Leseglises .. .(erschienen 1969
in 2. Aufl. (so zu S. 328 Anm. I).

Das Stellenregister erfaßt leider nur Bibelbezüge (S. 383-386). Bei
einem Autor wie Gregor wären auch die anderen Zitate sehr wichtig
und interessant. - Das Wortregister ist sehr mager (S. 387-394). Welches
Prinzip liegt dieser Auswahl eigentlich zugrunde? - Das Eigennamenregister
(S. 395-399) bietet leider keine Erklärungen. Die
Akzentuierung ist hier nicht immer richtig: z. B. Ikarios, Konstantios,
Oualerianos.

Berlin Friedhelm Winkelmann

Gregoire de Nazianze: Discours 32-37. Introduction texte critique et
notes par C. Moreschini. Trad. par P. Gallay. Paris: Cerf 1985. 339
S. 8° = Sources Chretiennes, 318. ffr282,-.

Diese in Konstantinopel gehaltenen Orationes haben von jeher
wegen ihres autobiographischen Gehalts (bes. 32 und 36) das größte
Interesse gefunden.

Als Hg. fungierte Moreschini. in der Gregorforschung des längeren
ausgewiesen, und für Übersetzung und Beratung Gallay. Textkonstituierung
und Übersetzung sind sehr zufriedenstellend. In den Annota-
tiones wären noch mehr Hinweise auf Literatur nicht unangebracht
gewesen. Es wird aber das Wichtigste erläutert. Für die handschriftliche
Überlieferung konnte sich M. aufdie Vorarbeiten T. Sinkos (De
traditione orationum Gregorii Nazianzeni, Krakau 1917) und die bereits
vorliegenden Bände der Orationesedition berufen (sehr nützlich
die Bemerkungen zu den Grundsätzen der Textkonstituierung
S. 66-78). M. folgt (S. 38f. 62) auch in der Annahme der Inauthentizi-
tät von or. 35 Sinko (op. cit. 43-48). Die kurzen Charakterisierungen
der einzelnen Reden (S. 10-61) stellen das Wesentliche heraus und
stützen sich hauptsächlich auf die Monographien von P. Gallay (La
vie de saint Gregoire de Nazianze. Lyon-Paris 1943) und J. Bernardie
(La predication des Peres Cappadociens et son auditoire, Paris
1968).