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Ausgabe:

1987

Spalte:

441-442

Kategorie:

Kirchengeschichte: Mittelalter

Autor/Hrsg.:

Pontal, Odette

Titel/Untertitel:

Die Synoden im Merowingerreich 1987

Rezensent:

Haendler, Gert

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Theologische Literaturzeitung 112. Jahrgang 1987 Nr. 6

442

Das 2. Beispiel, der „Dictatus papae" ist für den heutigen Historiker
höchst interessant. Aber viel deutet darauf hin. „daß der Dictatus
papae im späten 11. und im 12. Jahrhundert über die Kurie hinaus so
gut wie unbekannt war, genauer: daß seine Resonanz außerhalb Roms
auf die Kompilatoren einiger südfranzösischer Kirchenrechtsbücher
beschränkt blieb" (62). Auch das Beispiel 3, das Wormser Konkordat
von 1122, war den Zeitgenossen weniger bekannt, als man heute annimmt
. Die 3 ausgewählten Texte „waren also weniger dazu bestimmt
, eine Rechtslage erst zu schaffen, vielmehr sie zu fixieren, zu
beschreiben, zu bekräftigen" (68). Für den heutigen Historiker sind
jene 3 Texte „geradezu Eckpfeiler unseres Geschichtsbildes vom
11 ./12. Jahrhundert. Es sind Texte, auf deren Ausdeutung bis in jedes
Wort hinein ganze Forschergenerationen allen erdenklichen Scharfsinn
verwandt haben" (69).

Abschließend geht der Jurist Elmar Wadle auf weltliche Rechtstexte
ein: Frühe deutsche Landfrieden. Auch er trifft eine Auswahl:
Der bayerische Landfriede 1094, der Mainzer Reichsfrieden 1103 und
der alemannische Frieden 1104 bilden eine gewisse Einheit; sie enthalten
Bericht und Programm, es lagen schriftliche Dokumente vor.
Es fehlen aber „Belege für die Anwendung der Friedensprogramme"
(83). Dokumente aus der Zeit Friedrich Barbarossas zeigen ein einheitliches
Schema: „Einem Teil, der über die der Beurkundung vorausgehende
Errichtung des Friedens berichtet, folgt eine nähere, in
objektivierende Form gekleidete Beschreibung des Inhalts des edic-
tum pacis (c. 3 Reichsfriede 1152), der forma pacis, der statuta pacis
(c. 18 Landfriede 1179)." (86) Interessant ist der Hinweis, daß ein
Friedenstext Barbarossas durch die Aufnahme unter die Texte der
Juristen „im rechtlichen Sinne eine gleichsam selbständige Geltung"
bekam, die dann eine Verbreitung im späteren Mittelalter bewirkte.
Man kann folgern: „Nicht der Rechtssetzungsakt des Jahres 1152, wie
immer er im einzelnen ausgesehen haben mag, hat dies bewirkt, sondern
die Rezeption und Anerkennung des Textes durch die Wissenschaft
" (91). - Die Vorträge sind gründliche Quellenstudien, die
weitere Forschungen anregen könnten. Das Problem „Überlieferung
und Geltung" geht jeden Historiker und Theologen an, der sich mit
weiter zurückliegenden Texten zu beschäftigen hat.

Rostock Gert Haendler

Pontal, Odette: Die Synoden im Merowingerreich. Paderborn-
München-Wien-Zürich: Schöningh 1986. XXI, 346 S. gr. 8' ■
Konzilicngeschichte. Reihe A: Darstellungen. Lw. DM 92,-.

In der Einleitung wird die Bischofssynode von der Bibel her begründet
: „Von Anfang an hatte sich die Kirche an die Worte gehalten, die
Christus zu seinen Aposteln gesprochen hatte: Wo zwei oder drei in
meinem Namen versammelt sind, bin ich mitten unter ihnen
(Mt 18,20); sie war überzeugt, daß jeder Beschluß in kollegialer Weise
gefaßt werden mußte, wenn er vom Heiligen Geist inspiriert sein
sollte. Die Bischöfe versammelten sich darum so schnell und so häufig
wie möglich, um gemeinsam die alle betreffenden kirchlichen
Probleme zu lösen" (1). Gallische Tradition betont die Kollegialität:
„Der Bischof ist völlig dem Provinzialkonzil unterworfen" (2). Diese
Ordnung blieb auch unter fränkisch-merowingischer Herrschaft. Die
erste Synode 511 in Orleans zeigt einen gewissen „Gallikanismus", sie
war zugleich eine nationale und religiöse Versammlung: „Die
Bischöfe, vom Verband des Imperium Romanum losgelöst, formierten
sich in Orleans zur fränkischen Landeskirche innerhalb der katholischen
Kirche. Der Frankenkönig, der das Konzil einberufen, die
Tagesordnung festgesetzt und die Themen umgrenzt hat, erscheint als
der Herr dieser fränkischen katholischen Kirche, die sich auf ihn
beruft, und nicht auf den Papst" (32). Außerhalb des fränkischen
Machtbereichs faßte das Konzil von Orange 529 wichtige dogmatische
Beschlüsse nach Absprache mit Rom: „Die päpstliche Bestätigung
des gesamten Dokumentes setzte tatsächlich den Schlußpunkt
" (70).

Das Merowingerreich wurde 533 nach Chlodwigs Tod geteilt, doch
gab es gesamtfränkische Synoden 533, 541 und 549, daneben auch
Synoden für Teilreiche. In den Jahren 561-613 wurden „die Generalkonzilien
des fränkischen Gesamtreiches allmählich durch Konzilien
der Teilreiche ersetzt" (120). Drei Typen von Synoden werden unterschieden
: Sie wollen Eingriffe der Könige abwehren und Kirchengüter
erhalten (122-135), sie wollen innere Probleme lösen (136-155), es
gab auch gesetzgebende Konzilien, um die innere Disziplin zu
erneuern (156-168). Das Jahrhundert von 613-714 brachte zunächst
eine gewisse Stabilisierung; dann griff der Verfall so um sich, daß
keine Synoden mehr stattfanden. Über gesetzgebende Synoden kann
wenig gesagt werden, da die Quellen so spärlich sind (182-200).
14 Bischofsprivilegien könnten auf Synoden (oder Hoftage?) hindeuten
(204-212). Gemischte Versammlungen von weltlichen Großen
und Bischöfen könnten „nur schwer als Konzilien angesehen werden"
(213).

Der Verlaufsgeschichte folgt ein systematisierendes Kapitel „Die
Kirche im Merowingerreich im Spiegel ihrer Konzilien". Es zeigt
sich, „daß die Kirche eine erstaunliche Anpassungsfähigkeit an
veränderte Situationen zeigte und dabei doch ihre Verfassungsstrukturen
beibehielt" (219). Die Bindung an das Papsttum „droht
sich aufzulösen, während das regnum Francorum zum Einheitsprinzip
wird" (221). Die Metropoliten verloren an Bedeutung, ihr
Amt sank „zu einem bloßen Titel herab" (230). Einflußreich waren
die Bischöfe, doch sie wurden „von der Königsgewalt streng überwacht
und manchmal sogar vor ein königliches Gericht gestellt"
(231). Manche Synoden beschäftigten sich mit der Pfarrorganisation
(234), andere mit dem Mönchtum: „23 Kanones aus 13 Konzilien
betreffen die Äbte, 29 Kanones aus 12 Konzilien beziehen sich auf
Mönche, Nonnen oder Klöster" (240). Synoden kümmerten sich um
die Lage der Sklaven, „ein gewichtiger Beitrag der Kirche zur Ver-
christlichung, ja zur Humanisierung der mittelalterlichen Gesellschaft
" (256). Man sorgte für Arme, Aussätzige und Asylsuchende
(2600- Häresien spielten kaum einen Rolle. Juden wurden diskriminiert
, doch scheint es „keine brutalen Verfolgungen von Juden
gegeben zu haben" (266). Heidentum lebte in mancher Form weiter
trotz vieler Verbote. Häufig wurden Beschlüsse zur Liturgie gefaßt,
Fastengebote wurden für Mönche, Kleriker und alle Gläubigen eingeschärft
(269-272). Die politischen Einflüsse auf die Konzilien
waren erheblich (272-275). Ein Anhang zeigt die Überlieferung der
Quellen und die Rezeption einiger Kanones im Kirchenrecht des
Mittelalters (294-304). Eine chronologische Liste der Synoden, eine
alphabetische Liste der beteiligten Bischöfe sowie Register runden das
instruktive Buch ab.

Rostock Gert Haendler

Kirchengeschichte: Reformationszeit

Winzeier, Peter: Zwingli als Theologe der Befreiung. Basel: Reinhardt
1986. I l3S.8- = Polis,N.F. 12.

Der grüne Umschlagkarton der Oktavbroschur zeigt vorn ein
weißes Kreuz und schräg dazu ein stilisiertes schwarzes Schwert.
Welche Symbolik! Soll sie der Charakteristik der Lebensleistung
Zwingiis dienen? Kam der Reformator mit dem Kreuz dem Schwert
zu Hilfe, oder war es umgekehrt? Fragen dieser Art setzen sich fort bei
der Lektüre des kleinen Bandes.

Man muß sich Mühe geben, dem Vf. in bezug auf die sachliche Einschätzung
des Bandes gerecht zu werden. Sicher ist es gut, auch in der
Rezension die biographischen Notizen zu wiederholen, die der Umschlag
bekanntgibt. Peter Winzclcr ist gebürtiger Zürcher, ordinierter
Pfarrer und im Fach Thcologiegeschichtc Hochschulassistent an der
Freien Universität in Berlin (West). Der Band ist geschrieben u. a. in
Auseinandersetzung mit der gesamtpolitischen und in Anlehnung an