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Ausgabe:

1987

Spalte:

431-432

Kategorie:

Judaistik

Autor/Hrsg.:

Ben-Ḥorin, Shalom

Titel/Untertitel:

Als Gott schwieg 1987

Rezensent:

Bernhardt, Karl-Heinz

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Seite 1

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431

Theologische Literaturzeitung 112. Jahrgang 1987 Nr. 6

432

Anliegen einer Verdeutschung des Alten Testaments speziell für das
deutschsprachige Judentum und erläutern die Prinzipien, denen die
Übersetzung folgt.

Berlin Karl-Heinz Bernhardt

Booth, Roger P.: Jesus and the Laws of Purity. Tradition History and
Legal History in Mark 7. Sheffield: JSOT Press 1986. 278 S. 8-
= Journal for the Study of the New Testament, Suppl.Series 13.
£ 8.95; Lw.£ 18.50.

Die vorliegende Untersuchung stellt eine bedeutungsvolle Probe
dar. Die Konvergenzen zwischen der formkritischen und der redaktionsgeschichtlichen
Arbeit an der synoptischen Überlieferung, wie
sie vor allem von der neutestamentlichen Forschung im deutschsprachigen
Raum getragen wurde, und der formanalytischen und traditionskritischen
Untersuchung der rabbinischen Literatur durch
Jacob Neusner und seine Schule sind vielfältig sichtbar geworden (vgl.
Rez. ThLZ 112, 1987, 271). Was lag näher, als beide am gleichen
Gegenstand zu erproben? Der britische Gelehrte R. P. Booth, der in
beiden Bereichen, dem Neuen Testament und der jüdischen Rechtsgeschichte
ausgewiesen ist, hat sich dieser Aufgabe unterzogen. Das
Schulgespräch über die Reinheitsfrage Mk 7,1-23 scheint ein besonders
geeignetes Untersuchungsfeld zu sein, da es sich einerseits um
eine literarisch vielschichtige Perikope handelt und es andererseits um
einen Inhalt geht, der für die im Rabbinat entfaltete religionsrechtliche
Lebensordnung eine zentrale Rolle spielt.

Der Vf. geht in zwei Arbeitsgängen vor. Er untersucht die vormarki-
nische Komposition mit dem Instrumentarium traditionskritischer
Analyse (S. 23-116) und unterwirft sodann die Reinheitsvorschriften
der jüdischen Traditionsliteratur einer analytischen Durchdringung,
um zu jenem Kern vorzustoßen, der zur Zeit Jesu bzw. des Neuen
Testamentes als gegeben angesehen werden kann (S. 117-223). Solche
bislang kaum versuchte parallel angesetzte Sondierung soll eine naive
Betrachtungsweise ablösen, die (gefördert durch Sammelwerke wie
Strack-Billerbeck) den vorliegenden Bestand der Evangelien zu den
undifferenziert ausgewerteten Aussagen von Mischna und Talmud in
Beziehung setzt.

Die redaklions- und formkritische Erschließung der vormarki-
nischen Tradition führt auf eine vom Kern Mk 7,5 und 15 aus stufenweise
sich entfaltende Disputationseinheit, der die Korbaneinheit und
das Jes-Zitat zugeordnet werden.

Den Abschluß bildet der Zugriff auf die im Kernstück enthaltene
ipsissima vox nach den erprobten Kriterien der quellenmäßigen
Bezeugung, der Diskontinuität und der Kohärenz. Der literarische
Wachstumsprozeß wird auf dem Hintergrund der innergemeindlichen
Entwicklung vom Stephanuskreis bis Markus nachgezeichnet, wobei
eine zunehmende inhaltliche Verschiebung erkennbar wird.

Die auf der Basis der von J. Neusner entwickelten Methode durchgeführte
historische Rekonstruktion der rabbinischen Reinheitsvorschriften
verdeutlicht, daß eine spezielle Unreinheit der Hände
abgesehen vom Körper zunächst ein für den Umgang mit der
terumah, der Priesterhebe sich ergebender Sonderfall ist (185). Für
eine generelle Händewaschung vor dem Essen existiert kein Beleg, der
älter ist als Mk 7,1 ff (189). Aus rückschließender Analyse darf gefolgert
werden, daß es sich um ein opus supererogativum handelt, im
Pharisäismus praktiziert von den haberim, die einem expansiven aus
dem Kult übernommenen Reinheitsverständnis folgen (200). In diesem
später nicht mehr voll realisierten Sinn dürfte die Frage an Jesus
herangetragen worden sein.

In eindrucksvoller Weise begegnen und bestätigen sich also die
Ergebnisse der (synoptischen) Tradition History und der (judai-
stischen) Legal History.

Leipzig/Halle (Saale) Wolfgang Wiefel

Ben-Chorin, Schalom: Als Gott schwieg. Ein jüdisches Credo. Mainz:
Grünewald 1986.95 S. 8°. Pp. DM 14,80.

Das Büchlein enthält Fünf Vorträge und Aufsätze Schalom Ben-
Chorins, von denen drei auf bereits früher veröffentlichte Arbeiten
zurückgehen. Ihr gemeinsames Thema ist die theologische Bewältigung
des,Holocaust', eine Aufgabe, die gleichermaßen vor Juden wie
Christen steht und die deshalb zu einem Dialog zwischen beiden
Religionen führen kann. Es geht dabei insbesondere um die Theo-
dizee-Frage, die immer wieder in des Vf. Worten anklingt, ohne eine
Lösung zu linden. Besonders bewegend ist das abschließende Kapitel
„Der Trost Jerusalems" (75-94), in dem Ben-Chorin seine Erfahrungen
, Erkenntnisse und Hoffnungen zusammenfaßt.

K.-H. 1)

Neues Testament

Schmithals. Walter: Einleitung in die drei ersten Evangelien. Berlin
(West)-New York: de Gruyter 1985. XI, 494 S. 8' =de Gruyter
Lehrbuch, geb. DM 58,-.

Was S. sich vorgenommen hat, sagt er im Vorwort. Dreierlei
zugleich soll das vorliegende Buch sein: „Lehrbuch, Nachschlagewerk
und Forschungsbeitrag"; außerdem sollen „die Verbindungen zwischen
dem jeweiligen Stand der Evangelienforschung und der Theologiegeschichte
der letzten zwei Jahrhunderte" aufgezeigt und die vorgeschlagenen
eigenen Lösungen als „Konsequenzen" aus der
Geschichte der Erforschung der drei ersten Evangelien dargestellt
werden (S. V). Wie weit S. die beiden letzten Vorgaben tatsächlich
einlöst, wird noch im einzelnen zu fragen sein. Doch schon hier sei zur
angestrebten dreifachen Zielsetzung dieses Buches festgehalten:

Ein „Lehrbuch" ist diese „Einleitung" mit Sicherheit nicht, wenn
denn noch gilt, was H. J. Holtzmann einst im Vorwort seines „Lehrbuchs
) der historisch-kritischen Einleitung in das Neue Testament"
(3. Aufl., Freiburg 1892) für Bücher dieser Art forderte, nämlich,
„programmmässig (sei) Unparteilichkeit" anzustreben (S. VII), d. h.
„der eigene Standpunkt" solle zwar „nicht verleugnet werden", er
müsse jedoch „zurücktreten hinter dem Streben nach einer unbefangenen
Darstellung, welche jedwede, einer wissenschaftlichen Begründung
fähige, Ansicht zum Wort und zum Recht gelangen läßt" (S. V);
denn, und damit greift Holtzmann zustimmend Formulierungen eines
Rez. auf, „,der wissenschaftliche Zweck eines akademischen Lehrbuchs
'" sei, den „.Lernenden zu wissenschaftlicher Selbständigkeit'"
heranzubilden, „,sein praktischer Zweck die Brauchbarkeit für
Angehörige aller Richtungen'", und „,die Sicherheit, mit welcher
diese beiden Zwecke erreicht werden, steh(e) in umgekehrtem Ver-
hältniss zu der Sicherheit, mit welcher die eigene Anschauung als die
allein berechtigte zur Geltung gebracht zu werden pflegt'" (S. VI).
Nun ist gerade letzteres das erklärte Ziel von S.s Buch, wenn er es auch
als „Forschungsbeitrag" eingestuft wissen will, und von der bei Holtzmann
geforderten Selbstbescheidung ist in ihm wenig zu finden. Auch
fragt sich, was eine „Einleitung in die drei ersten Evangelien" in einer
Lehrbuchreihe soll, in der mit P. Vielhauers „Geschichte der urchristlichen
Literatur" (1975; Nachdrucke) längst eine „Einleitung in das
Neue Testament, die Apokryphen und die Apostolischen Väter" (so
der Untertitel von Vielhauers Buch) vorliegt.

Was die Einstufung des Buches als „Nachschlagewerk" und „For-
schungsbeilrag" betrifft, so bietet es sachlich kaum mehr als S.s
ausführlicher TRE-Artikel (Bd. X, 570-626) über die synoptischen
Evangelien von 1982. Nach Aufbau und Inhalt stimmen Buch und
TRE-Artikel weithin überein. Seltsamerweise wird S.s TRE-Artikel
weder im sonst recht umfangreichen Literaturverzeichnis (432-468)
noch bei den teilweise darüber hinausgehenden Literaturverweisen im
Buch erwähnt - übrigens ist auf den Seiten 457/458 und 462/463 die
alphabetische Reihenfolge der Literaturangaben durcheinandergeraten
. Natürlich wird im Buch alles breiter als im TRE-Artikel dargestellt
; vor allem zitiert S. sehr viel ausgiebiger aus der heute nur
noch schwer zugänglichen Literatur des 19. Jh. Letzteres sowie