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Ausgabe:

1987

Spalte:

423

Kategorie:

Religionswissenschaft

Titel/Untertitel:

Grundfragen der Religionsgeographie 1987

Rezensent:

Lanczkowski, Günter

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423

Theologische Literaturzeitung 112. Jahrgang 1987 Nr. 6

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wurde bei der Einigung zwischen Rat und Verordneten aus Gilden und Gemeinden
am 8. März 1530 beschlossen: „Emsers testamente vnd Swingein boker do
vo(m) Sacramente gescreuen wil ein Erb(ar) Radt bi dem Burmestern von husen
to husen von einem Idern bi den eden dar mede he dem Radt vormant fordern
laten" (Stadtarchiv Braunschweig B 15.1,1: Ratsprotokollbücher 2. Reihe
1528-1542). Möglicherweise galt diese Aktion auch der Suche nach Exemplaren
dieses unvollendeten Rostocker Druckes.

Daß die Überlieferung der Müntzerquellen weitgehend der gegnerischen
Seite zu verdanken ist, wurde relativ selten beachtet. An erster Stelle ist die Aufbewahrung
von Müntzers Briefsackinhalt in Dresden und Marburg sowie der
Akten über Müntzers Allstedter Wirken in Weimar zu nennen. Vgl. Heinrich
Boehmer: Studien zu Thomas Müntzer. Leipzig 1922, 7-9; MSB,16f, 462,467,

470-472, 393-397, 404-409, 411-415, 419-423, 430-432, 434-436, 447f.
Frühzeitig waren auch Luther (MSB, 467-470) und Johann Agricola (MSB,
379-382, 402-404) durch Veröffentlichung von Müntzerbriefen in ihrer anti-
müntzerischen Polemik beteiligt. Selbst die ersten Ansätze zur systematischen
Erfassung von Müntzers Schriften und Briefen kommen aus den gegnerischen
Reihen einer späteren Zeit (Kampf der Orthodoxie gegen den Pietismus). Vgl.
Max Steinmetz: Das Müntzerbild von Martin Luther bis Friedrich Engels.
Berlin 1971,293-297.

Herrn Superintendent Gottfried Werther/Wernigerode sei für die Möglichkeit
einer unkomplizierten Einsichtnahme in die genannten Archivalicn
gedankt.

Religionswissenschaft

BQHner, Martin, Hoheisel, Karl, Köpf, Ulrich, Rinschede, Gisbert,
und Angelika Sievers [Hg.]: Grundfragen der Religionsgeographie.

Mit Fallstudien zum Pilgertourismus. Berlin (West): Dietrich
Reimer Verlag 1985. 286 S. m. zahlr. Abb. gr. 8' =Geographia
Religionum, 1.

Unter den Teildisziplinen der Religionswissenschaft, der Religionsgeschichte
und Religionsphänomenologie vor allem, aber auch der
Religionssoziologie, -Psychologie und -ethnologie, hat die Religionsgeographie
bislang die vergleichsweise geringste Beachtung gefunden.
Fast alles Wesentliche, was auf diesem Gebiet der Religionsforschung
erarbeitet wurde, konnte in nur einem Band gesammelter Abhandlungen
zusammengefaßt werden, den Martin Schwind herausgegeben
hat.1 Es ist der Initiative von Manfred Büttner zu verdanken, mit dem
vorliegenden, ganz wesentlich von ihm angeregten Band einen Neubeginn
gesetzt zu haben mit dem ausgesprochenen Ziel, „das religionsgeographische
Denken zu intensivieren" (S. 7).

In einer für einen erneuten Einsatz durchaus sinnvollen Weise vermittelt
das Buch zunächst in den von Büttner und von Hoheisel verfaßten
Beiträgen detaillierte Rückblicke auf frühere, größtenteils vor
der Konzeption der Religionsgeographie als einer eigenständigen
Disziplin zurückliegende Äußerungen zu religionsgeographischen
Themen. Büttner verbindet seine Ausführungen mit systematischen
Überlegungen, die als „Denkanstöße" (S. 340 für weitere Arbeiten
verstanden werden sollen.

In systematischer Hinsicht von grundlegender Bedeutung ist der
Beitrag des Kirchenhistorikers Ulrich Köpf über „Die geschichtliche
Dimension in der Religionsgeographie". Er wendet sich mit Recht
gegen eine ausschließlich gegenwartsbezogene Betrachtung und fordert
eindringlich und überzeugend eine historisch orientierte Religionsgeographie
.

Der zweite Teil des Buches ist dem Pilgertourismus gewidmet, zu
dem bereits andernorts umfassende Darstellungen vorliegen2. Bei den
hier von Angelika Sievers und Gisbert Rinschede vorgelegten Beiträgen
handelt es sich in spezieller Weise um Fallstudien, die Lourdes
und Sri Lanka betreffen. Sie vermitteln wertvolle Anregungen zur religionsgeographischen
Untersuchung weiterer Pilgerzentren.

Heidelberg Günter Lanczkowski

1 M. Schwind (Hg.), Religionsgeographie (Wege der Forschung, 397). Darmstadt
1975.

1 G. Lanczkowski, Die heilige Reise. Auf den Wegen von Göttern und
Menschen. Freiburg i. Br. 1982. - H. Fink, Auf den Pilgerstraßen Europas.
München 1981.

Ebertz, Michael N., u. Franz Schultheis [Hg.]: Volksfrömmigkeit in

Europa. Beiträge zur Soziologie populärer Religiosität aus 14 Ländern
. München: Kaiser 1986. 288 S. 8' = Religion - Wissen -
Kultur, 2. Kart. DM48,-.

Die Beiträge dieses Bandes beschäftigen sich nicht mit den 'survi-
vals' vorchristlicher Bräuche religiöser Relevanz, sondern mit der

Volksfrömmigkeit im Kontext der offiziellen kirchlichen Frömmigkeit
unter Berücksichtigung der sozialen ,Trägertypen'. Dadurch wird
eine Begrenzung des sonst nur zu leicht unübersichtlich werdenden
diffusen Materials auf christlich-kirchlich Wesentliches erreicht und
seine Auswertung unter den Gesichtspunkten einer Analyse der
gegenwärtig vorfindlichen Christlichkeit vorgenommen. Die einzelnen
regionalen Beiträge zum Thema wurden von den Hgg. umsichtig
vorbereitet, mit den Autoren diskutiert und mit einer knappen forschungsgeschichtlichen
Einführung nebst Literaturverzeichnis versehen
. M. N. Ebertz und F. Schultheis haben darüber hinaus in einer
umfangreichen Einleitung die grundlegenden Fragen erörtert und die
derzeitige Forschungslage umrissen (11-51). Geboten werden insgesamt
siebzehn interessante und qualitätvolle Situationsanalysen
oder Darstellungen signifikanter Teilaspekte. Alle Beiträge werden
durch spezielle Literaturhinweise ergänzt. Aufnahme fanden Untersuchungen
ausfolgenden Ländern:

Bundesrepublik Deutschland: F. Fürstenberg, Protestantische Volksfrömmigkeit
im Strukturwandel Deutschlands (53-64); M. N. Ebertz, Maria
in der Massenreligiosität. Zum Wandel des populären Katholizismus in
Deutschland (65-83); Österreich: I. Mörth, Zwischen „Aberglauben" und
„Ideologie". Aspekte von Alltagsreligiosität am Beispiel Österreich (88-98);
Schweiz: I. Baumer. Vielfalt in der Schweizer Volksfrömmigkeit (102-114);
Niederlande: P. H. Vrijhof u. G. F. Bouritius, Zwischen Vergangenheit
und Zukunft: Volksfrömmigkeit in den Niederlanden (118-129); Großbritannien
: R. Towler, Konventionale und alltägliche Religion in Großbritannien
(134-140); Schweden: W. Ken ney, Auf der Suche nach Sinn. Symbole in der
schwedischen Volksfrömmigkeit (144-150); Polen: W. Piwowarski, Die
patriotische Massenreligiosität (153-162); Ungarn: M. Tonika, Volksfrömmigkeit
im Wandel. Entwicklungstendenzen in Ungarn (166-174); Jugoslawien
: M. Kersewan, Das slowenische Weihnachtsfest. Zur Vorksfrönimig-
keit in Jugoslawien (177-186); Frankreich: F.-A. Isambert, Empirische Vielfalt
und ideologische Geschlossenheit: Populäre Religiosität in Frankreich
(192-203): P. Aries, Zur Geschichte populärer Religiosität (204-211):
Italien: C. Prandi, Der Einfluß der katholischen Kirche auf die populäre Religiosität
in Italien. Am Beispiel der Erbauungsliteratur des 19. Jahrhunderts
(217-225); C. Gallin i. Photographische Riten: Populäre Religion im modernen
Italien (226-235); Spanien: C. de la Lastra, „Spanien ist katholisch!"
(240-248); Portugal: A. J. Esteves, Populäre Religion in Portugal(252-262);
Griechenland: N. Kokosalakis, Populäre, offizielle und Zivilreligion. Zur
Soziologie des orthodoxen Christentums in Griechenland (265-276). - Angefügt
ist ein Mitarbeiterverzeichnis mit näheren biographischen Angaben.

K.-H. B.

Altes Testament

Donner, Herbert: Geschichte des Volkes Israel und seiner Nachbarn
in Grundzügen. 1: Von den Anfangen bis zur Staatenbildungszeit. 2:
Von der Königszeit bis zu Alexander dem Großen. Mit einem Ausblick
auf die Geschichte des Judentums bis Bar Kochba. Göttingen:
Vandenhoeck & Ruprecht 1984, 1986. VIII, 511 S. m. 7 Ktn u.
Zeittafel gr. 8" = Grundrisse zum Alten Testament. ATD, Ergänzungsreihe
, 4,1+2. Kart. DM 29,80 u. 36,80.

Wem die Geschichte Israels am Herzen liegt, nimmt ein neues
Lehrbuch auf diesem Gebiet mit besonderer Spannung zur Hand. Und
er tut das im Blick auf die Verunsicherungen der letzten Jahre hin-