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Ausgabe:

1987

Spalte:

17-21

Kategorie:

Allgemeines

Autor/Hrsg.:

Wolf, Herbert

Titel/Untertitel:

Germanistische Luther-Bibliographie 1987

Rezensent:

Bräuer, Siegfried

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Theologische Literaturzeitung 112. Jahrgang 1987 Nr. 1

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wörtlichem Sinne) umstürzend, weil sich bei ihm das Sehen des Auferstandenen
nicht als geradlinige Auswirkung der urchristlichen Jesuspredigt
ereignete, sondern damit eine völlige Um- und Neubewertung
dessen verbunden war. was er von Jesus gehört hatte?

Jedenfalls wird bei Biser nicht deutlich, warum nicht der Christ
durch das Hören der Jesusbotschaft auch zu einer Erfahrung gelangen
kann, in welcher der Akt der Vermittlung zurückbleibt und ihm'die
Gottesherrlichkeit auf dem Antlitz des Gekreuzigten unmittelbar einleuchtet
und aufgeht. Verweist darauf nicht ganz deutlich der von
Paulus verwendete Plural in dem Schlüsselsatz von 2Kor 4,6 „Gott
hat es in unseren Herzen tagen lassen zum strahlenden Aufgang der
Gottherrlichkeit auf dem Antlitz Christi"? Spricht er hier nicht dem
von ihm zum Christusglauben geführten Gcmeindemitglied dieselbe
Unmittelbarkeit der Erfahrung des Auferstandenen zu. wie sie bei ihm
selbst gegeben ist? Erst von dieser her kann ja der einzelne Christ jene
Freiheit und Mündigkeit im Glauben gewinnen - jene „Freiheit des
Christenmenschen** (Luther) -, die. gerade nach Paulus, das Kennzeichen
des Christseins vom Ursprung her ist und die auch die
Glaubensvermittlung in unserer Zeit erst eigentlich ermöglicht: „Der
Christ der Zukunft wird entweder ein M>stiker sein oder er wird nicht
mehr sein", sagte Karl Rahner. Nur in einem solchen Verständnis des
Glaubensaktes wird auch jene „Strukturgleichhcit v on Offenbarungsempfang
und Glaube", von der Biser wiederholt spricht (z. B. P91).
wirklich eingeholt, so daß erst so wirklich gelten kann, was Biser sagt:
„Der Augenzeuge hat dem Glaubenden, inhaltlich und strukturell
gesehen, nichts voraus" (ebd.).

Rückblickend auf die neuen Erschlicßungswege und Impulse, die
Biscr in ..Jesus lür Christen" und „Paulus für Christen" vorgestellt
hat. bleibt dem Rezensenten nur der Wunsch, daß der ..Engel, der

nach Ansicht des Verlagsleitcrs durch die Redaktion gegangen war. als
die Idee zu .Jesus für Christen' konzipiert wurde" (P 5). sich durch die
beiden Bände auch möglichst vielen Lesern vernehmbar macht: es
könnte dies einen Neuanfang für das Christsein in unserer Zeit bedeuten
.

1 W. Kern, Der Gekreuzigte als der Erhöhte, in: Geist und Lehen. Heft 2/1976.
S. 91.

2 Vgl. H. Weder. Die Gleichnisse Jesu als Metaphern. Göttingen 1978. S. 149;
H. Frankemölle. In Gleichnissen Gott erfahren. Stuttgart 1977. S. 78f. 81; A.
Kemmer. Gleichnisse Jesu. Freiburg-Basel-Wien, 2. Aufl. 1983. S. 95: O.
Koch. Wer Ohren hat der höre. Stuttgart 1983.S. I52.u. v. a.

1 Wie unter Einbeziehung der historischen Kritik diese Pcrikopc für C hristen
heule neu zum Sprechen kommen kann, zeigt W. Kellner. Der Traum vom
Menschensohn. München 1985.S.97IT.

4 Für die Gleichnisse versuche ich diesen Zugang weiter zu entfalten in: G.
Baudlcr. Jesus im Spiegel seiner Gleichnisse. Das erzählerische Lebenswerk
Jesu als Zugang zum christlichen Glauben. Stuttgart-München 1986.
1 Vgl. G. Baudler. Darf ich Jesus psychologisieren?: in: Kat. Bf Hell 4 '85. S.
267-276; bes. 273.

Bei näherem Zusehen entpuppt sieh diese ..volksfromme Meinung" als die
schon im Konzil von Chalcedon (4511 von der Kirche zurückgewiesene Irrlehre
des Monophysitismus. die - religionspädagogisch gesprochen - in Jesus einen
auf I rden wandelnden und (bloß äußerlich) als Menschen verkleideten Gott
sieht und bekennt

Dies ist die an Kierkegaard anschließende Grundlinie der Biserschen JetUS-
Deutung schon in seinem Jesus-Buch ..Der Heller". München 1976.
" J. B. Metz, Kleine Apologie des Erzählens, in: C oncilium9. 1973.338.
* Vgl. das frühere Paulusbuch des Autors: E. Biscr. Der Zeuge. Eine Paulusbe-
fragung.Graz-Wien-Köln 1981.

Allgemeines, Festschriften

Wolf, Herbert: Germanistische Luther-Bibliographie. Martin Luthers
deutsches Sprachschaffen im Spiegel des internationalen Schrifttums
der Jahre 1880-1980.1 Icidclbcrg: Winter 1985.403 S. gr. 8" =
Germanistische Bibliothek. N. E. 6. Reihe: Bibliographien und
Dokumentationen. DM l32.-:gcb. DM 160,-.

Wie kaum ein anderer Arbeitszweig der historischen Disziplinen ist
die Lutherforschung mit vortrefflichen Hilfsmitteln ausgestattet, vor
allem das Kalcndarium von Georg Buchwald, das Hilfsbuch von Kurt
Aland und die Bibliographie der Drucke von Josef Bcnzing/Helmut
Claus. Als Bibliographie der älteren Sekundärliteratur steht der
„Schotlcnloher" zur Verfügung, dessen Lückenhaftigkeit bei intensiver
Benutzung aber bald zu Tage tritt. Die neuere Literatur wird
im Lutherjahrbuch Jahr um Jahr differenziert aufgeschlüsselt. Die
Verwendung ist mit relativ großem Zeitaufwand verbunden. Es verwundert
nicht, daß Herbert Wolf über „die Erschwernis durch die
unzureichende Erfassung der Sekundärliteratur" seufzte, als er 1980
seine Einführung in germanistische Luther-Studien vorlegte (vgl.
ThLZ 106. 1981. 8260. Bereits damals teilte er mit. daß die von ihm
gesammelten und gesichteten ca. 800 Titel „zu einer germanistischen
Luther-Bibliographie ausgebaut werden" könnten, „sofern sich für
ein solches SpezialUnternehmen genügender Bedarf und ausreichende
Förderung abzeichnen" würden. Beides trat ein. allerdings beschränkte
sich die Förderung „in personeller und materieller Hinsicht
auf die bescheidene Grundausstattung" im Rahmen seines Marburger
Universitätsinstituts (24). Um so erstaunlicher ist. daß Wolf in
so kurzem Abstand der Lutherforschung ein Arbeitsmittel „in Gestalt
einer objektiven Pcrsonalbibliographic" mit 400.3 Titel-Nr. übergeben
kann, „die aus fachspczifischcm Ansatz mit interdisziplinären
Ausblicken das zwischen 1880 und 1980 über Luther weltweit veröffentlichte
Schrifttum bucht" (I I). In der Einleitung (1 1-24) wird
Ansatz und Aufbau der Bibliographie ausführlich erläutert. Sachliche

und thematische Begrenzung (Einbeziehung der Literatur, die traditionell
außerhalb germanistischer I 'achstudien liegt, vor allem musik-
und druckgeschichtlicher Untersuchungen. Verzicht auf allgemeine
historische oder theologische Arbeiten über Luther, desgleichen auf
Veröffentlichungen in Tageszeitungen u.a.). zeitliche Abgrenzung
(Zeil der Vorbereitung der WA bis zum Abschluß der WA). Information
u. a. über die Materialerhebung, die bibliographischen Ein-
Zeldaten, die nur auswahlweise Einbeziehung von Rezensionen, die
Titclanordnung (in rückläufiger Abfolge) und Verweisungen. Zu
einzelnen Kapiteln gibt Wolf noch gesonderte Erläuterungen. Ein ausführliches
Verzeichnis der benutzten Quellen (25-33) und der Abkürzungen
(34-37)schließen sich an.

Das 1. Kapitel der Bibliographie (Nr. 1-214) ist den Arbeitsgrundlagen
gewidmet, d. h. den Primärbibliographien und Ausgaben
(übergangen werden Ausgaben in fremden Sprachen), der handschriftlichen
Überlieferung sowie Text- und Quellengeschichte, den Sckiin-
därbibliographien. Studienhilfen, Forschungsberichten und For-
schungsinstitutionen. Im 2. Kap. werden die Lutherbiographien u. ä.
aufgeführt, die „Luthers deutsches Sprachschaffen gebührend würdigen
" (Nr. 215-240). Als Schwerpunkt ist erwartungsgemäß das 3.
Kap.. Sprache, besonders differenziert angelegt (Nr. 241 -1327). Es
enthält auch für die Grundlagenfragen der Lutherphilologic relevante
Titel zu Luthers Theologie und umschließt vor allem Luthers Verhältnis
zur Sprache sowie seine Sprachenkenntnisse, sprachphilo-
sophischc und -theologische Aspekle, aber auch die Rolle der Volkssprache
im Gottesdienst und in anderen Bereichen. Viel Raum nimmt
die Auflistung der Titel zu den strukturellen Erscheinungsformen der
Sprache Luthers (Phonologic. Graphcmik. Morphologie. Syntax.
Lexikologie. Formelhaftes) ein. Geringer ist die Titclzahl zu den
Anwendungsweisen (u. a. soziologische Aspekte. Grobianismus. Verhältnis
zwischen mündlicher und schriftlicher Sprache), um wieder
anzuschwellen im Abschnitt 3.4. Einflüsse und Wandlungen (Verhältnis
zum Dialekt, zur Kanzleisprache, zu Buchdruck und Druckcr-
sprachc. Bezüge zur Mystik, zum Humanismus, zum Lateinischen