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Ausgabe:

1987

Spalte:

394-395

Kategorie:

Ökumenik, Konfessionskunde

Titel/Untertitel:

Ökumenisches Lernen 1987

Rezensent:

Sens, Matthias

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393

Theologische Literaturzeitung 112. Jahrgang 1987 Nr. 5

394

(7). Gabe der Sprachen (8) und Charismen von Heilungen (9) füllen
schließlich mehr als die Hälfte des Buches.

Das I. Kapitel geht vom Gegenüber der beiden Kardinäle Ruffini
und Suenens 1963 beim Vatikanum II aus. Während R. dort behauptete
, Charismen spielten im Leben der Kirche keine wichtige Rolle
mehr, sagte S., Charismen seien im Leben der Kirche weder Randerscheinungen
noch Zufälle, sondern lebenswichtig für den Aufbau
des mystischen Leibes. Pater Sullivan will deshalb „das Licht der
Heiligen Schrift und der Tradition auf die Charismatische Erneuerung
, sowie das Licht der modernen Erfahrung von Charismen innerhalb
der Erneuerung auf Gegebenheiten der Schrift und Tradition"
'enken. In der „Primärquelle" für Charismen, bei Paulus, (Kapitel 2
und 3) stellt S. fest, daß das Wirken des Geistes nicht nur Gaben der
'nspiration, sondern wesentlich mehr „Kundgebungen des Geistes"
kennt. Überhaupt ist der Maßstab für die Würde der Geistgeschenke
nicht die Inspiration, sondern ihr Beitrag zum Aufbau der Gemeinde.
Auf den Abschnitt über ,pneumatika' (Geistesgaben) folgt der über
■Pneumatikoi' (geistliche Menschen). Hier stehen die bedeutungsvollen
Sätze: „Ein Übermaß an Gaben des Geistes zu besitzen ist
keine Garantie dafür, wirklich im Geist zu leben. Nur jene, die dem
Geist gehorsam leben, sind wirklich .geistliche Menschen'" (S. 24).
Eben dieser Gehorsam kann auch heute vor ungeprüften Sologängen
Slch selbst autorisierender .Geistesmenschen' bewahren! „Mit anderen
Worten, ein Mensch kann höchst ,charismatisch' und doch kein
w'rklich .geistlicher Mensch' sein." Wichtig am Ende des Abschnittes
über die paulinischen Charismen ist die Feststellung, daß Paulus das
Erlöschen der Charismen erst am Ende der Zeit erwartet. Damit wird
all denen widersprochen, die diese Charismen nur für die früheste
Periode der Kirchengeschichte gelten lassen wollen, heute aber nicht
mehr.

Kapitel 4 geht von „zwei klar unterschiedenen, aber gleich wichtigen
Wegen" aus, auf denen der Heilige Geist im Leib Christi lebt:
■ -einerseits durch sein Bundesverhältnis mit der Kirche, indem er die
Wirksamkeit ihrer Sakramente und amtlichen Dienste garantiert,
andererseits durch seine unvorhersehbaren und oft überraschenden
charismatischen Interventionen". Das zu wissen, bedeutet eine erhebliche
Minderung gegenseitiger Spannungen. Das klassische Pfingstler-
tum als Wurzel und die wesentlichen und eigenständigen Unterschiede
neupfingstlicher Protestanten und Katholiken werden deutlich
herausgestellt. Brennpunkt dieser Entwicklung ist Kapitel 5
-Taufe im Geist". Damit tritt in das Leben vieler Leute „eine neue
Kraft, ihre christliche Hingabe zu leben und ihren Glauben zu
bezeugen". S. meint, daß die Säuglingstaufe als christliche Initiation
noch vollendet werden muß. Obwohl sie sakramental vollständig ist,
fehlt trotzdem noch .etwas in bezug auf die persönliche Ratifikation
oder Übernahme dessen, was an dem Menschen vollzogen wurde. Es
geht um die bewußte Erfahrung dessen, was bereits empfangen wurde.
Erstaunlicherweise weist S. aber auch auf die ,Sendungen' des Geistes
bei Thomas von Aquin hin und schließt aus dieser Lehre: „daß es
kei nen Grund gibt, warum Katholiken, die davon überzeugt sind, den
Heiligen Geist bereits in ihrer sakramentalen Initiation empfangen zu
haben, sich nicht auf neue .Sendungen' des Geistes freuen sollten."
Zur Vermeidung des Irrweges einer Wiedertaufe möchten wir in der
Charismatischen Gemeinde-Erneuerung lieber von einer bewußten
' erwirklichung des Heiligen Geistes im Leben reden. In diese Richtung
weist auch der wachsende Brauch der „Taufbunderneuerung" in
der Osternacht oder in anderen Gottesdiensten. Denn die Kirche muß
sich fragen lassen, was sie tut. um die empfangene Taufe bewußt zu
machen. Den Jugendlichen, die den falschen Weg der Wiedertaufe
gehen, ist es jedenfalls ernst mit ihrer Taufe. Demgegenüber mißachtet
oder vergißt ein großer Teil der Kirchenmitglieder seine
empfangene Taufe.

Im 7. Kapitel wägt S. bei der Gabe der Prophetie ab zwischen „Falschen
Propheten in der christlichen Gemeinde" und der „Unterscheidung
der Geister" damals und heute. „Um als Prophetie
anerkannt zu werden, muß die Botschaft die Gruppe als ein Wort des

Herrn treffen und nicht nur als ein Wort, das aus dem Denken der
Sprechenden kommt."

Zur Gabe der Sprachen bemerkt S. im 8. Kapitel, daß es in Korinth
und heute ein artikuliertes Sprechen ist, das einer wirklichen Sprache
zumindest ähnlich ist. Paulus hält es vor allem für das persönliche
Gebet hilfreich und weiß, daß die Ausübung dieser Gabe kontrollierbar
ist. Es zeigt sich, auch heute, daß dieses „nicht rationale Gebet"
Situationen durchdringt, in denen das normale Gebet nur schwer
durchkommt. Wer die Sprachengabe heute verdächtigt, tut das auch
mit Paulus und Korinth. Interessant ist Sullivans Hinweis auf die Verbindung
des Singens im Geist mit dem „in jubilatione - Singen" der
Alten Kirche, das Augustin kennt und schätzt, und das erst im 9. Jh.
durch feststehende Sequenzen ersetzt wurde.

Am akutesten ist wohl das 9. Kapitel über „Charismen von Heilungen
", weil solche, auch ärztlich bestätigte, Heilungen heute an vielen
Stellen erfahren werden. S. macht sie weder davon abhängig, daß Gott
Krankheit überhaupt nicht wolle, noch davon,- ob der Glaube an
Heilung ausreichend sei oder nicht. Er betont vielmehr, daß Heilungen
wirkliche Zeichen des kommenden Sieges Jesu sind, daß aber der
vollständige Sieg über den Tod für uns noch ausstehe. „Jede Heilung
von Krankheit ist ein Zeichen für jene .Erlösung des Leibes'
(Römer 8,23), auf die wir immer noch in Geduld warten müssen."
(S. 181) Daraus ergibt sich auch, daß ein Gebet um Heilung Gott nicht
diktieren kann, wie er es beantwortet.

Das Buch als ganzes atmet den Geist der Gaben, die es beschreibt.

Stendal Friedrich Carl Eichenberg

Ökumenisches Lernen. Grundlagen und Impulse. Eine Arbeitshilfe
der Kammer der Evangelischen Kirche in Deutschland für Bildung
und Erziehung. Hg. vom Kirchenamt der Evang. Kirche in
Deutschland. Gütersloh: Gütersloher Verlagshaus Gerd Mohn
1985. 144 S.8 Kart. DM9,80.

Keine Denkschrift und keine Studie, sondern eine Arbeitshilfe wird
hier vorgelegt. Wozu will dieses Buch helfen? Der Titel „Ökumenisches
Lernen" erscheint doppeldeutig: Soll das Lernen in der
Gemeinde ökumenisch getan werden, oder sollen wir lernen, ökumenisch
zu leben? Die Doppeldeutigkeit dieses Begriffs, der seit einigen
Jahren von verschiedenen Seiten ins Gespräch gebracht wird.' ist
gewollt. Es geht darum, in der Kirche das Lernen und die Ökumene so
miteinander zu verbinden, daß beides einander befruchtet und eigentlich
eins ohne das andere nicht mehr gedacht und getan werden kann.
In dieser Programmatik trägt die Arbeitshilfe Denkschriftcharakter.
Sie ist ein überzeugender Versuch, zwei kirchliche Denk- und Arbeitsbereiche
, Gemeindepädagogik und Ökumene, zu integrieren.

Dazu wird zunächst knapp und grundsätzlich ausgeführt, daß heute
Ökumene eine Dimension des Lernens sein muß und daß andererseits
ökumenische Gemeinschaft gerade als Lerngemeinschaft entsteht
(S. 11-18). Bemerkenswert ist dabei, daß es sowohl anthropologisch
als auch ekklesiologisch gemeinsame Grundansätze für die Ökumene
und das Lernen gibt: der ganzheitliche Ansatz im Verständnis des
Menschen und das Bekenntnis (Nizänum!), als Gemeinde in einer
universalen Glaubensgemeinschaft zu stehen (S. 13ff). In der Beschreibung
des Lernverständnisses finden neuere pädagogische und
ökumenische Ansätze zusammen: Ökumenisches Lernen ist grenzüberschreitend
, ist handlungsorientiert, ist soziales Lernen, schließt
interkulturelles Lernen ein und ist ein ganzheitlicher Prozeß (S. 17).

Um diesen Grundansatz biblisch-theologisch zu entfalten, werden
alttestamentliche und neutestamentliche Texte „ökumenisch gelesen
" (S. 19-36) und danach wird knapp und systematisch in Anlehnung
an wichtige Aussagen von Vollversammlungen des Ökumenischen
Rates der Kirchen über „Kirche als Ökumene" gesprochen
(S. 36-45). Diese Teile laden zum Mit-Studieren ein.

In Möglichkeiten der Praxis hinein will dann der Abschnitt
„Ökumene leben in der Kirche und in der Gemeinde" führen