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Ausgabe:

1987

Spalte:

392-394

Kategorie:

Ökumenik, Konfessionskunde

Autor/Hrsg.:

Sullivan, Francis Aloysius

Titel/Untertitel:

Die charismatische Erneuerung 1987

Rezensent:

Eichenberg, Friedrich Carl

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Theologische Literaturzeitung 112. Jahrgang 1987 Nr. 5

392

(22-38). Hier zeigt der Vf., daß historisch gesehen der christliche
Glaube den Anfang einer rehabilitierenden Arbeit für Behinderte
markiert hat, daß aber dennoch nicht zu übersehen ist, wie gerade in
diesem Arbeitszweig mehr und mehr Grundsätze bestimmend werden
, die bei genauerer Betrachtung einer Überprüfung wert erscheinen
. Zwei Aufgabenstellungen für theologische Reflexion sieht Heimbrock
in diesem Zusammenhang für wichtig an:

Zuerst gehe es um die Darstellung und Analyse aller öffentlich zur
Diskussion gestellten Zielsetzungen und Realisationen von Rehabilitationskonzepten
und der hinter diesen wirksamen Wert- und Normvorstellungen
mit Hilfe theologischer und anthropologischer Kriterien
; dann aber auch darum, die theologischen Denktraditionen kritisch
zu überprüfen, und das nicht, um ein wissenschaftliches "make
up" aufzupolieren, sondern um neue Problemstellungen angesichts
einer andersgewordenen Welt auszuarbeiten, die den Sinn von Rehabilitation
neu und anders bestimmen als das unter den Bedingungen
einer Leistungsgesellschaft üblich geworden zu sein scheint. Andernfalls
könnten beste Vorsätze und großer Einsatz nur zur Entmündigung
der Betroffenen führen, nicht aber zu einer Freiheit eröffnenden
Liebe. Die Ergebnisse des doppelten Durchgangs durch die Problematik
sind überraschend und ermutigend zugleich: Beim 2. Durchgang
durch die Problematik entdeckte Heimbrock, daß man im Blick auf
die leitenden Ideen der Rehabi litationsarbeit auch theologische Denkmuster
finden kann, die wie die Mechanismen der modernen Welt
nicht bei der „Rechtfertigung" einsetzen, sondern den Wert des
Menschen noch einmal an Bedingungen knüpfen, die durch die Kräfte
des Gesunden normiert erscheinen. In diesem Zusammenhang hält es
der Vf. für angebracht, sich auch Gedanken über die Helfer zu
machen. „Nirgendwo in der kirchlichen Arbeit ist der Leistungsdruck,
die Gesetzlichkeit so verbreitet wie in der Diakonie. Nirgendwo übernimmt
man sich seelisch so wie beim Zwang zum Helfen, unter dem
die Hilflosigkeit der Helfer nur noch teilweise verborgen werden
kann." (370 Hier ist die Gefahr groß, daß an die Stelle der Solidarität
und der Empathie die Betreuung zum Leitbild der Rehabilitation
wird, welche den „Patienten" notwendig zum Objekt werden läßt.
Damit wäre man dann nicht weit von Rehabilitationsgrundsätzen, wie
sie gesellschaftlich leider üblich geworden zu sein scheinen.

Ein eher „historischer" Beitrag ist dem Weimarer J. D. Falk
(1768-1826) gewidmet, einem der Väter der Heimerziehung. Heimbrock
sieht sich zu diesem „Rückblick" motiviert, weil damals wie
heute soziale Probleme statt mit politischen Mitteln pädagogisch
angegangen werden, dabei aber die wahren Ursachen von „Verwahrlosung
" verkleistert zu werden drohen. Hier wird der Theologe mehr
als bisher nach den Momenten zu fragen haben, die erst zu einer
Marginalisierung von Menschen geführt haben, wenn er nicht nur
Kosmetik betreiben will. Am Beispiel Falk läßt sich solches erweisen
.

Weitere Studien „Nächster oder Fremder? Überlegungen zu einem
nicht gesetzlichen Umgang mit Nichtbehinderten und Behinderten",
„.Pädagogie Gottes'. Menschliche Behinderung in biblischen Texten"
und „Der Beitrag religiöser Erziehung zur schulischen Bildung
behinderter Kinder" rufen je neu zu einer Haltung auf, die Solidarität
in verschiedenen Aktualisierungsformen zu konkretisieren instand
setzt. Fragen, welche da gestellt werden, lauten in „Nächster oder
Fremder":

- „Wie kann christliche Theologie, wie kann eine entsprechende
kirchliche Arbeit mit Behinderten . . . mit einer. . . Sichtweise von
Menschen umgehen", die in der Begegnung mit Behinderten nur
Abwehrmechanismen, Angst, ja Ekel aktivieren läßt oder aber peinliche
Handlungsunfähigkeit begründet?"

- „Wie verhält sich die psychologisch beschreibbare Wahrnehmung
zur theologisch beschreibbaren Wahr-nehmung des Behinderten als
Geschöpf Gottes?" (59)

- Welche Konsequenzen lassen sich aus theologischen Einsichten in
die unverlierbare Würde des Menschen für den Umgang mit Behinderten
in Sonderschulen und Heimen ableiten?

In „Pädagogie Gottes" fragt der Vf. angesichts der Symbolsprache
der Bibel, die Taubheit, Stummheit, Blindheit und manche andere
Behinderungen als Metaphern für Sünde, Verstockung und ähnliches
in Dienst nehmen, danach, ob im Bann einer solchen Sprache Behinderte
eigentlich ernst genommen werden können? (89) Und wie soll
denn ein Behinderter solche Metaphorik lesen?

In „Der Beitrag religiöser Erziehung zur schulischen Bildung behinderter
Kinder" sind es weniger Fragen als Antworten:

„Der Religionsunterricht könnte . . . den Raum dazu bieten", falsche
Antworten auf das aktuelle Leiden wie „Strafe Gottes" etc. als
falsche und lebensfeindliche zu entlarven, er könnte aber auch Mut
dazu machen, das Leiden nicht nur zu akzeptieren, sondern zu beklagen
, wie es die Männer und Frauen der Bibel auch getan haben. Auf
keinen Fall sollten behinderte Kinder im Religionsunterricht zu
Objekten von Versorgung und Mitleid werden, sondern überall da zur
Mitarbeit mit den verbliebenen Möglichkeiten motiviert werden, wo
sie selbständig Verantwortung tragen können. Von einer solchen religionspädagogischen
Grundhaltung könnten auch andere Handlungsfelder
religionspädagogischer Arbeit profitieren. Das Buch schließt
mit einer Predigt über Rom 9,14-24, die der Vf. anläßlich einer Taufe
gehalten hat. Eindrucksvoll wird da die Kernbotschaft der Rechtfertigung
in der Auseinandersetzung mit dem Schicksal eines autistischen
Kindes ausgerichtet.

Es sind viele Anregungen und interessante Beobachtungen, welche
das schmale Bändchen dem Leser ermöglicht. Darüber kann man
einige Ungenauigkeitcn übersehen (Th. S. Kuhn, der „Erfinder" des
Paradigmenwechsels ist bestimmt kein Amerikaner; über die Metaphorik
und die Bildsprache der Bibel wäre bestimmt noch mehr und
anderes zu sagen als auf den Seiten 73 ff).

Das Buch ist in die Hand vieler Pfarrer und in der Diakonie arbeitender
Menschen zu wünschen, weil hier mit Vorurteilen ebenso
Schluß gemacht wird wie mit eingeschliffenen Verhaltens- und Denkmustern
, die einer theologischen, aber auch einer pädagogischen Prüfung
nicht standhalten können.

Bern Klaus Wegenast

Daiber, Karl-Fritz: Die Eigenständigkeit der Diakonie. Zwischen kirchlichem
Auftrag und sozialstaatlichem Rahmen (LM 26. 1987.28-32).

Nüchtern, Michael: Krankheit und Heilung. Eine biblisch-theologische
Besinnung (Diakonie 12,1986,211-215).

Turre. Reinhard: „Kaiserswerth" - wohin? 150 Jahre Mutlerhausdiakonie
und weiter? (ZdZ 40, 1986,229-237).

Ökumenik: Allgemeines

Sullivan, Francis A.: Die Charismatische Erneuerung. Die biblischen
und theologischen Grundlagen. 2., Überarb. Aufl. Aus dem Amerik.
von W. Wörner u. N.Baumert. Graz-Wien-Köln: Styria 1986.
199 S.8".

Dieses Buch unterscheidet sich von anderen Büchern zum gleichen
Thema darin, daß der Vf. nicht über etwas schreibt, das er nur beobachtet
hat, sondern er berichtet von eigenen Erfahrungen. Kardinal
Suenens schreibt im Vorwort, daß hier eine Theologie der Charismen
in eine allumfassende sakramentale Sicht der Kirche eingefügt und
damit der „Erneuerung" theologische Glaubwürdigkeit verliehen
wird. Wenn dem Vf. weiter persönliche Klarheit und Unterscheidung,
sowie Bescheidenheit und maßvolle Behandlung anderen Meinungen
gegenüber als Gabe des Heiligen Geistes zuerkannt wird, so bestätigt
das die Einheit von Geist und Buchstaben in diesem Buch.

Einem Abschnitt über Charismen und Charismatische Erneuerung
(1) folgen Charisma bei Paulus (2) und Bemerkungen über die pauli-
nischen Charismen (3). Charismatische Bewegung und Erneuerung
der Kirche (4) stehen im Spannungsverhältnis, das seine Zuspitzung in
der Taufe im Geist (5) erfährt. Drei spezielle Geistesgaben: Prophetie