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Ausgabe:

1987

Spalte:

390-392

Kategorie:

Praktische Theologie

Autor/Hrsg.:

Heimbrock, Hans-Günter

Titel/Untertitel:

Pädagogische Diakonie 1987

Rezensent:

Wegenast, Klaus

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Marburg Dietrich Stollberg- Katrin Wienold

389 Theologische Literaturzeitung 112. Jahrgang 1987 Nr. 5 390

starr und unangepaßt sei und weltanschaulicher Pluralismus die des Handelns gebracht, sind nach Tidball die Voraussetzungen für die

christliche Wahrheit bedrohe, sei eine Pastoraltheologie vonnöten, Praxis eines fähigen Hirten.

die missionarisches Engagement ("birth of more sheep"), Laien- Das Buch versucht, evangelikale Tradition und Implikationen der
aPostolat und last not least die Wahrheitsfrage ins Zentrum rückt. Im Seelsorgebewegung konstruktiv zu verbinden, allzu enge Scheu-
Anschluß an die reformierte Tradition von H. Zwingli bis S. Hiltner klappen in Frage zu stellen und für eine vorsichtige Öffnung zur
definiert Tidball Pastoraltheologie als „Theologie aus der Hirten- Pastoralpsychologie hin zu plädieren. Der vom Vf. favorisierte
Perspektive" (24). wissenssoziologische und kommunikations-theoretische Ansatz

Als eine Disziplin in der Spannung von „objektiver christlicher („Plausibilitätsstruktur" im Neuen Testament wie in unserer Zeit,

Wahrheit" und „subjektiver christlicher Erfahrung", zwischen Lehre Situationsanalogien usw.) wird leider nicht konsequent verfolgt und

und Praxis habe Pastoraltheologie „im Herzen der Praktischen Theo- erkenntnistheoretisch durchreflektiert. Die „christliche Wahrheit"

'°gie" ihre „Wurzeln in der Lehre" (28). Das „biblische Verhältnis wird als gegeben vorausgesetzt, aber doch nicht theologisch sorgfältig

zwischen Lehre und Verhalten" solle ernster als bisher genommen formuliert. Deutschsprachige Literatur zum Thema ist dem Autor

Werden (so daß Poimenik und Ethik unter der Hand konvergieren). (abgesehen von der Übersetzung E. Thurneysens und eines Aufsatzes

Auf mehr oder weniger biblizistische Weise erfolgt sodann die ca. von K. Rahner) nicht bekannt. Das Buch hinterläßt einen zwiespälti-

100 Seiten umfassende „biblische Grundlegung", in der sich schlech- gen Eindruck: Erfreulich ist die positive Rezeption einiger Autoren

terdings nichts Mitteilenswertes zu finden scheint. Dies gilt auch für der amerikanischen Seelsorgebewegung, bedauerlich einerseits das

den ersten Teil des historischen Überblicks, der die Ausprägung der mangelnde theologische Reflexionsniveau, andererseits der Mangel

hierarchischen Leitungsstruktur der Kirche beklagt, antike Poimenik an praktischen Folgerungen (auch wenn er im Sinne einer „Einlei-

(Chrysostomos, Basilius, Augustin u. a.) referiert (vgl. dazu Th. Bon- tung" als beabsichtigt erscheint),
hoeffer. Ursprung und Wesen der christlichen Seelsorge, München
'985), Luthers seelsorgerischen Ansatz und die Wechselseitigkeit des
christlichen Zeugnisses betont, sowie Bucer, Calvin und Baxter nicht

zu kurz kommen läßt. Der der Erweckungsbewegung gewidmete Ab- Praktische Theologie: Diakonik

schnitt (Wesley, Simeon, James, Spurgeon u. a.) wirkt hingegen informativ
und hilfreich

. Heimbrock, Hans-Günter: Pädagogische Diakonie. Beiträge zu

In einem weiteren Abschn.tt kommt Tidball kritisch auf Schleier- einem vergessenen Grenzfall. Neukirchen-Vluyn: Neukirchener

rnachers ..Anthropozentrismus" zu sprechen und widmet sich dann in Verlag 1986 125 S. 8". Kart DM22,-.

einem eigenen Kapitel den Trends des 20. Jh., unter denen die pasto-

ral-psychologisch orientierte Seelsorgebewegung Vorrangstellung ein- Nach der Meinung H. G. Heimbrocks, die er im Vorwort des vornimmt
. Als ihr Hauptvertreter kommt S. Hiltner ausgiebiger zu Wort; liegenden Büchleins äußert, befindet sich die Diakonie in einem
zitiert werden aber auch die Amerikaner Oglcsby, Williams, Oden, „spannenden und hoffnungsvollen Prozeß des Aufbruchs aus ihrem
Browning und der Schotte A. Campbell, dem eine „biblische" Pasto- einstigen Winkeldasein" und das nicht nur im Blick auf ihre institu-
^hheologie bescheinigt wird. Thurneysen und Adams erscheinen tionelle, sondern auch auf die konzeptionelle Seite dieser wichtigen
überraschenderweise friedlich vereint als „evangelikale" Pastoral- Arbeit der Kirche in der Gesellschaft. Dennoch gibt es auch Bereiche
theologen (wobei die Vokabel „evangelikal" im Englischen eher die in der Diakonie, die eher im Schatten liegen. Sie werden zwar hier und
Konnotation besitzt, die bei uns das Wort „biblisch" hat), werden da „bedient" und sind auch irgendwie wichtig, aber theoretisch kom-
dann freilich doch gesondert referiert und inhaltlich differenziert. men sie im Grunde nirgends vor. Oder wo sind die Theologen und
Nach Meinung von Tidball hat Adams „einen enormen Beitrag zur Diakoniewissenschaftler, welche die praktischen und Wissenschaft-
Wiederbelebung einer biblischen Pastoraltheologie" geleistet, indem liehen Bemühungen von Heilpädagogik, Sondererziehung, Rchabili-
er dem Pfarrer Selbstvertrauen und Sinn für die berufliche Identität tation, um nur einige zu nennen, ins Kalkül theologischer Arbeit auf-
Segenüber allerlei psychologischen Entfremdungen zurückgegeben zunehmen bereit und in der Lage sind?

hat (238). Das Grundproblem des Menschen, darin sei Adams zuzu- Der erste Bericht „Pädagogische Diakonie-ein vergessener Grenz-

stlninien. bleibe die Sünde und nicht Vererbung oder Erziehung. fall" (9-21) verdeutlicht diese Feststellung. Ausgehend von dem Tat-

Dennoch sei dieser umstrittene Autor zu kritisieren, da die Bibel nicht bestand, daß Diakonie für eine lange Zeit nur eine bestimmte Praxis

nur konfrontierende Seelsorge kenne, Sünde keineswegs nur indivi- bezeichnete, die von keinerlei wissenschaftlicher Reflexion begleitet

duell zu verstehen sei, die Verurteilung der psychologischen Schulen wurde, kommt Heimbrock zu der Forderung an die Adresse von

durch Adams dessen eigene behavioristische Psychologie nicht ver- Theologie und Diakoniewissenschaft, vor allem auch einmal den er-

decken dürfe und seine Schöpfungstheologic unangemessen sei. ziehungsdiakonischen Bereich nicht nur theologisch zu begründen.

Auch der katholischen Pastoraltheologie gilt ein Abschnitt (241 ff). sondern auch in Kooperation mit den verschiedenen hier tätigen

K. Rahner wird als Protagonist vorgestellt und als existentialistischer Humanwissenschaften zu erschließen und dabei auch zu überprüfen,

Relativist kritisiert. Er sei nicht in der Lage, „einen stabilen Überbau" ob das hier Geleistete noch in irgendeiner Weise mit dem zu tun hat.

ftir die Pastoraltheologie seiner Konfession zu liefern (244). was christlicher Glaube unter „Dienst" am Menschen verstehen

Im Schlußkapitel, das zeitgemäßer Seelsorge gilt, soll eine biblische heißt. Daher werde es nicht zu umgehen sein, wieder einmal grund-
Perspektive der Analyse „gegenwärtiger Weltsicht" gegenübergestellt ständig nach Grund und Wesen von Krank-Sein zu fragen, fundamen-
Werden. Jesus wird in soziologischer und kommunikationstheore- taltheologisch und anthropologisch. Nach einer Diskussion verschie-
tischer Terminologie unter Verwendung des Hebräerbriefes als dener einschlägiger Versuche aus Theologie und Humanwissenschaft.
• wichtigster signifikanter Partner" ("most important significant die entweder eine Überbaufunktion über einer ansonsten autonomen
other") im lebensnotwendigen Kommunikationsnetz des einzelnen Praxis ausüben oder aber an mehr oder weniger freischwebenden Zieldargestellt
, der mit der „Wolke der Zeugen" die Glaubenden hinein- Vorstellungen von wieder zu erlangender Leistungsfähigkeit orientiert
nimmt in die Plausibilitätsstruktur der christlichen Überlieferung. erscheinen, kommt der Vf. zum Schluß, daß die Theologie gut daran
Vergebung, Leiden und das Amt des Heilens, die ökumenische Frage tun würde, endlich ihre Position und ihre Versuche, Leiden zu ver-
nach der Einheit und schließlich das Amt, welches eher charismatisch stehen und zu bearbeiten, so vorzutragen, daß sie ein verständliches
und laizistisch als priesterlich oder gar bürokratisch verstanden wird, und nachvollziehbares Angebot an die Nachbardisziplinen sein
werden zum Schluß diskutiert. Das Team-Pfarramt erfährt eine posi- können, ohne diese gängeln oder gar normieren zu wollen,
tive Würdigung. Gründliche Kenntnisse des Wortes Gottes und Men- Am wichtigsten scheint mir dann der zweite Beitrag „Probleme und
schenkenntnis, in einer geistlich geübten Persönlichkeit zur Einheit Aufgaben christlicher Theologie zur Rehabilitation Behinderter"