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Ausgabe:

1987

Spalte:

375-377

Kategorie:

Systematische Theologie: Allgemeines

Autor/Hrsg.:

Webster, John B.

Titel/Untertitel:

Eberhard Jüngel 1987

Rezensent:

Dalferth, Ingolf U.

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375

Theologische Literaturzeitung 112. Jahrgang 1987 Nr. 5

376

Long, Gianni: Sul III centenariodi Johann Sebastian Bach (Protest. 41, 1986,
206-212).

Oelbe, Winfried: Musique theologique. Beobachtungen am Livre d'Orgue
von01ivierMessiaen(MuKi 56, 1986,227-240).

Stock, Alex: „Wenn du es mit Andacht anschaust". Zum Status des Christusbildes
(ZKTh 108, 1986,301-310).

Sulyok, Imre: Evangelisch-Lutherische Beziehungen in den Werken von
Franz Liszt(MuKi 56, 1986,125-128).

Vogt, Hermann J.: Baum und Strauch in der frühchristlichen Kunst. In:
Schweizer, H.:,,.. . Bäume braucht man doch!" S. 127-142.

t Ilmann. Ernst: Von der Macht der Bilder- Kunst und Reformation. Berlin:
Akademie-Verlag 1985. 25 S., 16 Abb. auf Taf. 8° = Sitzungsberichte der Sachs.
Akademie der Wissenschaften zu Leipzig, Philol.-hist. Klasse. Bd. 126, 2.
M 5,-.

Systematische Theologie: Allgemeines

Webster, John B.: Eberhard Jüngel. An Introduction to his Theology.
Cambridge: Cambridge University Press 1985. VIII, 182 S. 8°. Lw.
£ 20.-.

Websters Buch hält, was sein Untertitel verspricht: Es bietet eine
sachlich engagierte, informierte und verläßliche Einführung in die
Theologie Eberhard Jüngels - die erste dieser Art überhaupt, aber
nicht allein deshalb auch die beste, die es gegenwärtig gibt. Die
Schwierigkeiten eines solchen Versuchs, in das Denken eines aktiven
und produktiven Theologen einzuführen, der - wie er selbst sagt -
„noch nicht ganz zum alten Eisen gehört", liegen ja auf der Hand:
Einerseits ist damit zu rechnen, daß das vorliegende Werk Jüngels
durch weitere Arbeiten nicht nur ergänzt und ausgebaut, sondern
auch modifiziert und mit neuen Akzenten versehen wird bzw. werden
kann, die eine solche Einführung schnell obsolet werden lassen können
. Andererseits besteht aufgrund der fehlenden historischen Distanz
die Gefahr, seine theologische Position so zu präsentieren, daß daraus
"the trial and refutation of an absent offender" wird oder "a mere
reverent paraphrase in which critical acumen simply goes by the
board" (4). Webster meistert beide Gefahren mit Geschick. Die erste,
indem er Jüngels Hauptarbeiten zwischen 1961 und 1984 bei aller
thematischen Konzentration im Wesentlichen in chronologischer
Folge vorstellt und so bespricht, daß deutlich wird, wie die einzelnen
Themenkomplexe aufeinander bezogen sind und auseinander hervorgehen
und welche Fragen das Denken jeweils bewegt und weiter vorangetrieben
haben und wohl auch weiterhin vorantreiben dürften. Die
zweite, indem er in gelungener Verbindung von verständnisvoller
Darstellung und kritischer Diskussion einen "middle course between
distaste and infatuation" (4) steuert, der (zumal den englischsprachigen
Lesern) die Bedeutsamkeit des theologischen Oeuvres
Jüngels verständlich macht, ohne seine problematischen Aspekte zu
verschweigen.

In 10 kurzen und klar geschriebenen Kapiteln führt Webster in
Jüngels Theologie ein. In komprimierter, auf das Wesentliche konzentrierter
Form stellt er jeweils zunächst dessen Position dar, ehe er
sich mit den vorgestellten Thesen und Themen kritisch auseinandersetzt
. Kapitel 1 (Paul and Jesus) präsentiert und analysiert Jüngels
Dissertation, die viele der ihn weiterhin beschäftigenden Themen
(Gleichnisse, Sprachgeschehen, Eschatologie, Christologie) erstmals
behandelt. Kapitel 2 (God's being is in becoming) zeichnet die
Hauptthesen von Gottes Sein ist im Werden nach und interpretiert sie
im Kontext von Jüngels weiterer Entwicklung. Kapitel 3 (Christo-
logy: exegesis and dogmatics) stellt konzentriert die Grundgedanken
von Jüngels Arbeiten zur Christologie im Schnittfeld von Exegese und
Dogmatik vor. Ganz zu Recht wird hier das Zentrum seiner Theologie
gesehen. Christologie ist für ihn nicht ein Lehrstück unter anderen,
sondern "provides the platform for work in all other areas, and is
normative and regulative for the whole corpus of Christian teaching"
(37). Die folgenden drei Kapitel gehen den drei wichtigsten Themensträngen
aus Jüngels magnum opus Gott als Geheimnis der Weh nach,
i. e. "speaking about God" (Kapitel 4), "thinking about God"
(Kapitel 5) und "the human God" (Kapitel 6). Dabei wird deutlich
gemacht, wie viele der früher schon angesprochenen Themen hier neu
aufgegriffen oder modifiziert weitergedacht werden. Seine christolo-
gische Abgrenzung gegen Theismus und Atheismus wird zusammen
mit seinen Überlegungen zur Rede vom Tod Gottes und zum Problemfeld
von Tod und Auferstehung gesondert in Kapitel 7 (Atheism
and the theology of death) diskutiert. Die beiden folgenden Kapitel
führen in die Hauptthemen der theologischen Anthropologie Jüngels
ein, und zwar Kapitel 8 (Anthropology and justification) in die Rechtfertigungslehre
und Kapitel 9 (Anthropology and analogy) in die
Lehre von Jesus Christus als der imago dei und der darin verankerten
Entsprechungsstruktur menschlichen Seins. Kapitel 10 (Towards a
theology of the natural) widmet sich Jüngels Auseinandersetzung mit
der natürlichen Theologie und seinen programmatischen, weithin
noch unausgearbeiteten Andeutungen zu einer natürlicheren Theologie
. Ein Schlußkapitel (Conclusion) faßt die zentralen Themen seiner
Theologie in Christologie, Gotteslehre und Anthropologie noch einmal
kurz zusammen und weist auf eine Reihe offener Fragen hin. Eine
ausführliche Bibliographie der Arbeiten Jüngels bis 1984 und der vorliegenden
Sekundärliteratur über ihn sowie ein Index schließen den
Band ab.

Webster informiert präzis und sensibel für die theologischen Anliegen
Jüngels. Mit unübersehbarer Sympathie für seinen Gegenstand
und in kritischer Korrektur manch vorschneller Kritik sucht er diese
einem Publikum verständlich zu machen, dem Jüngels Denken
ebenso fremd und idiosynkratisch erscheinen mag wie umgekehrt.
Jüngel - daran läßt er keinen Zweifel - "has a uniquely creative
contribution to make to contemporary theological reflection" (129).
Er sieht diesen Beitrag vor allem in den Bereichen der Christologie,
Gotteslehre und theologischen Anthropologie, auf die sich seine Darstellung
konzentriert. Zwar hebt er zu Recht den "kerygmatic con-
cern" (24) hervor, der selbst hinter den abstraktesten begrifflichen
Reflexionen Jüngels stehe. Bedauerlicherweise aber zieht er die Predigten
Jüngels nicht in die Darstellung und Analyse seiner Theologie
mit ein. Das ist der wohl gravierendste Mangel einer sonst erfreulich
gelungenen Einführung. Denn hier hätten sich viele der Konkretionen
finden lassen, die Webster sonst in Jüngels Arbeiten vermißt. Sogelten
seine kritischen Bedenken vor allem Jüngels "intellectual manner",
d. h. seiner Tendenz, "to adhere very closely to one intellectual
strategy to the exclusion of others" und "to emphasise the coherent.
unitary nature of his material", wo in vielen Fällen "greater aware-
ness of the sheer complexity of what is the case and consequently of
our response - intellectual, moral and religious - to what is the case"
angemessen wäre (5). Dieses Grundbedenken kommt in einer Vielzahl
präziser Einzelanfragen zum Ausdruck: Jüngel vermische ontolo-
gische und epistemologische Fragen (54), interpretiere ontologische
Aussagen ungeachtet aller philosophischen Kritik als "descriptive of
properties" (69), arbeite mit falschen (54) oder undifferenziert vereinfachenden
(82; 121) Dichotomien, greife zu rhetorischen Strategien,
wo "close argumentation" (84) erforderlich wäre, neige dazu, "pre-
scriptive rather than descriptive" (50; 64) zu argumentieren, zeige
eine auffällige "preference for the abstract and an absence of exempli-
fication " (3; 50; 59 f; 83; 106), die als methodischer Ausdruck der Tatsache
bestimmt werden, daß "Jüngel's theology is imbued with a
suspicion of the discordant, a deep-seated dissatisfaction with the
erratic" (117), und präsentiere dementsprechend immer wieder Problemaufrisse
, die "undiscriminating and schematic" seien (121; 62),
und Lösungsvorschläge, die oft "frustratingly brief and unanalysed"
(68) blieben. Inhaltlich gilt die Kritik u. a. seinem Begriff des Denkens
und seiner Bestimmung des denkenden Subjekts und seiner Rolle in
der Theologie (59ff), seiner unausgearbeiteten Pneumatologie (760,
seiner verharmlosenden Reduktion des Atheismus auf Antithcismus
(82 f), seiner einseitigen Konzentration auf die Sprache (Theorie) auf
Kosten des Handelns (Praxis) (83f; 90f; 98ff; 136ff), seiner Sünden-