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Ausgabe:

1987

Spalte:

367-369

Kategorie:

Dogmen- und Theologiegeschichte

Titel/Untertitel:

Das Konzil von Chalcedon (451), Rezeption und Widerspruch (451 - 518) 1987

Rezensent:

Lohse, Bernhard

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367

Theologische Literaturzeitung 112. Jahrgang 1987 Nr. 5

368

heimnis der Kirche" (368). 3) Daraus ergeben sich „Forderungen nach
einem kompromißlosen Ernstnehmen der Weisungen Gottes für das
gegenwärtige Leben" (369). 4) Die Unionsbemühungen des Hilarius
haben Gegenwartsbedeutung: „Es gibt wohl kein deutlicheres Beispiel
der Sorge um die Einheit und den Frieden der Kirche in der Väterzeit
als das Verhalten des Hilarius, der sich nicht scheut, die Kirchen der
im Glauben getrennten Brüder zu betreten, um mit ihnen gemeinsam
zu beten." Alle Christen sind dazu berufen, „schon jetzt die neue
Gemeinschaft der himmlischen Kirche sichtbarzu machen" (373).

Rez. gesteht, daß er zunächst die Gliederung des Buches bedauert
hat. Eine chronologische Gliederung hätte nahe gelegen: Frühwerk -
Kampfschriften - Spätwerk. So hätte sich eine theologische Entwicklung
des Hilarius zeigen lassen. Mitunter geschieht das auch, so in
Abschnitt 14,2 „Die Einheit der Gläubigen". Im Matthäuskommentar
sieht Hilarius die Einheit in der brüderlichen Liebe verwirklicht.
Schriften der Verbannungszeit bringen Auseinandersetzungen mit
den Arianern. Im Psalmenkommentar leitet Hilarius die Einheit ab
von der Einheit des Leibes Christi (338). Aber grundsätzlich meint
Figura, den Erfahrungen der Kampfzeit komme keine so große Bedeutung
zu, „daß man zwischen dem Kirchenverständnis vor und nach
dem Exil deutlich unterscheiden könnte" (25). Vermutlich hat der
Autor damit recht. Auf jeden Fall ist das Buch trotz mancher Wiederholungen
und fehlender Register eine beachtliche Leistung, an der
künftige Arbeiten über jene Epoche nicht vorbeigehen können.

Rostock Gert Haendler

Grillmeier, Alois: Jesus der Christus im Glauben der Kirche. Bd. 2/1:

Das Konzil von Chalcedon (451), Rezeption und Widerspruch
(451-518). Freiburg-Basel-Wien: Herder 1986. XXI, 383 S. gr. 8*.
geb. DM 66,-.

Im Jahre 1979 hatte Grillmeier den ersten Band seiner auf drei
Bände berechneten Darstellung der Geschichte der Christologie von
den Anfangen bis zur Zeit Karls des Großen vorgelegt.1 Der zweite
Band hatte an sich die"Entwicklung der Christologie von Chalkedon
(451) bis zu Gregor dem Großen (604) behandeln sollen. Im Blick auf
den sehr umfangreichen Stoff hat Grill meier diesen zweiten Band nun
jedoch in zwei Teilbände gegliedert und in dem jetzt erschienenen
Band 2/1 die Christologie in der Zeit von 451 bis zu dem Beginn der
Herrschaft Justinians (527-565) gewürdigt. Die im Jahre 532 veranstalteten
Religionsgespräche in Konstantinopel werden noch kurz
erwähnt (371), sollen dann aber in dem Band 2/2 näher gewürdigt
werden.

Die grundsätzlichen Bemerkungen, die Grillmeier in seinem ersten
Band über die Aufgabe der Dogmengeschichte gemacht hatte, gelten
selbstverständlich auch für den jetzt erschienenen Band. Sowohl diese
Darlegungen als auch die detaillierte Schilderung der Christologie in
den ersten vier Jahrhunderten hatten in der Fach-Diskussion eine ausgezeichnete
Aufnahme gefunden. Die souveräne Kenntnis der Quellen
und der Sekundärliteratur sowie die Besonnenheit des Urteils,
aber auch die Solidität der theologischen Reflexion, sind allenthalben
mit hohem Lob bedacht worden. Um es gleich vorweg zu sagen: auch
der jetzt erschienene Band verdient sowohl wegen der Quellenverarbeitung
als auch hinsichtlich der theologischen Bewältigung des
Stoffes uneingeschränkte Bewunderung. Allerdings hat Grillmeier
hier, bedingt durch den zu schildernden Gegenstand, teilweise ganz
eigene Akzente gesetzt. Doch sei der Band zunächst kurz vorgestellt
.

Nach einem Vorwort und einem Verzeichnis der Abkürzungen
folgt ein erster Teil „Grundlegung" (1-103). Hier erörtert der Vf. den
„Fragehorizont", wobei es besonders um die Verbindlichkeit und die
Rezeption von „Chalkedon", aber auch um die hermeneutischen Fragen
geht; es wird aber auch das Problem der Periodisierung der Entwicklung
nach 451 behandelt. Sodann erörtert Grillmeier den Stand
der Forschung. Vor allem aber gibt Grillmeier in diesem ersten Teil

eine umfassende Übersicht über die verschiedenen Quellen, gegliedert
nach Richtungen, Gattungen, Entstchungszeit usw. (22-103). Dabei
werden auch Fragen der Echtheit, des eigenen Standortes, der Zielsetzung
der Verfasser und dergleichen gewürdigt. Allein dieser umfangreiche
Abschnitt über die Quellen ist höchst verdienstvoll. Mit
diesem Abschnitt legt Grillmeier den Grund für alle künftigen Untersuchungen
über die Christologie seit 451. Zugleich macht Grillmeier
an vielen Stellen deutlich, wo besondere Forschungsaufgaben warten,
denen er selbst noch nicht habe Genüge leisten können.

In einem zweiten Teil „Darlegung" (105-380) schildert Grillmeier
schwerpunktmäßig besonders folgende Gestalten und Entwicklungen:
die kirchenpolitischen Bemühungen von Kaiser Marcian im Zusammenhang
mit Chalkedon nach 451; Anerkennung, Verteidigung und
Interpretation des Konzils von Chalkedon durch Papst Leo [.; die
Rezeption des Konzils von Chalkedon in den Bischofskirchen - die
„Enzyklika" des Kaisers Leo I. und ihr Echo; das Henotikon von 482
als ein „ökumenisches" Experiment; und schließlich die chalcedo-
nische Restauration unter Kaiser Justin I. (518-527). - Am Schluß
des Bandes findet sich ein knappes bibliographisches Verzeichnis. Die
Register werden in Band 2/2 erscheinen.

Bekanntlich hat Grillmeier sich seit Jahrzehnten mit der Geschichte
der Christologie in der alten Kirche befaßt. Es dürfte seit
langem keinen besseren Kenner dieser Materie als ihn geben. Gleichwohl
ist es beachtlich, welche Fortschritte sich in dieser neuen Darstellung
, verglichen mit früheren Behandlungen des Themas, finden.
Auf einige Punkte soll hier besonders hingewiesen werden.

1) Hatte der erste Band Grillmeiers einen besonderen Schwerpunkt
in der Darstellung der Entwicklung vom Neuen Testament zu den
frühen Kirchenvätern, also in der Verklammerung von apostolischer
und nach-apostolischer Zeit, gehabt, woraufhin besonders die wichtigsten
Kirchenväter behandelt wurden, so hat der neue Band seinen
besonderen Akzent in der Würdigung der Rezeption von Chalkedon.
Das ist ein Ansatz, der in gleicher Weise aus erneuter theologischer
Reflexion wie aus vertieftem Quellenstudium kommt und zu beachtlichen
neuen Einsichten führt. Dies wird nicht zuletzt bei einem Vergleich
mit dem großen Werk deutlich, das A. Grillmeier vor über drei
Jahrzehnten zusammen mit H. Bacht über das Konzil von Chalkedon
veröffentlicht hatte.2

Was zunächst die erneute theologische Reflexion betrifft, so scheut
Grillmeier sich nicht, Einsichten und Methoden der heutigen ökumenischen
Theologie auf die Epoche um Chalkedon anzuwenden. So
wird das Henotikon, das ja in problematischer Weise die Kluft
zwischen Anhängern und Gegnern von Chalkedon zu überwinden
trachtete, als „ökumenisches" Experiment gewürdigt (267ff). Am
Schluß des Bandes zieht Grillmeier Texte heran, die von der Gemeinsamen
Kommission der katholischen Kirche und der Koptisch-
Orthodoxen Kirche 1975 und 1976 erarbeitet worden sind und bei
denen man über die damalige Differenz in der Zwei-Naturen-Lehre
hinausgelangt ist (378). Von daher kann Grillmeier den verschiedenen
Richtungen der damaligen Christologie mit vertieftem Verständnis
begegnen, ohne doch die Sachfrage nach der angemessenen und rechten
Lehre zu relativieren.

Nicht minder wichtig ist sodann die historische Untersuchung der
Rezeptionsgeschichte von Chalkedon. Grillmeier arbeitet hierbei
schärfer, als es bisher geschehen ist, heraus, daß Chalkedon einen Einschnitt
in der Konzilsgeschichte darstellt. Auf dem 4. Ökumenischen
Konzil ist der Einfluß des Kaisers stärker gewesen als bei den ersten
drei Konzilien, und auch in der Geschichte danach ist die kaiserliche
Politik viel stärker in kirchliche Fragen verwickelt als vorher. Von
daher erörtert Grillmeier ausführlich die „Reichskirchenstruktur"
und das kaiserliche Selbstverständnis, aber auch die kirchliche Akzeptanz
gegenüber dem kaiserlichen Einfluß (passim; bes. 107-125;
158-170). Damit wird die Verflechtung von Reich und Kirche scharf
herausgearbeitet und auch kritisch beleuchtet. Zugleich wird aber
auch die Machtpolitik der Patriarchen von Alexandrien und Antiochien
gegenüber Konstantinopel gewürdigt. Aber auch in lehr-