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Ausgabe:

1987

Spalte:

365-367

Kategorie:

Dogmen- und Theologiegeschichte

Autor/Hrsg.:

Figura, Michael

Titel/Untertitel:

Das Kirchenverständnis des Hilarius von Poitiers 1987

Rezensent:

Haendler, Gert

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365 Theologische Literaturzeitung 112. Jahrgang 1987 Nr. 5 366

und Häresien, vor allem wegen ihres gnostischen und bildungs- Stadt Davids ist. Die entscheidende Blickrichtung geht in die Zukunft
mäßigen Gehaltes, als notwendiges Übel und Korrektiv ansieht, auf die Offenbarung der himmlischen Kirche" (149). Auch die Unwobei
sein eigenes Argumentieren mit Hilfe der platonischen Philoso- Vollkommenheit der Kirche kommt in den Blick; Abschnitt 6.3 ist
Phie untergründig - wie auch bei vielen späteren Kirchenlehrern - überschrieben „Ist die Kirche Sünderin?" Wichtiger ist der folgende
eine erhebliche Rolle gespielt haben dürfte. Jedenfalls wußte Origenes Abschnitt „Die Kirche als neue Gemeinschaft". Hilarius sieht „be-
Maß zu halten und innerhalb der Abweichungen .Abstufungen' vor- reits in der irdischen Kirche die himmlische Kirche" (165).
zunehmen. Obwohl er auf dem Weg der Verurteilung der Häresien Teil 11 „Das Leben der Kirche" beginnt mit Kapitel 7 „Kirche und
weit vorangekommen ist, drängt er nicht - wie viele seinerzeitige Heilige Schrift". Nur in der Kirche wird die Bibel richtig verstanden,
kirchliche Autoritäten - auf die Vernichtung aller häretischen Ideen Schriftauslegung geschieht als Predigt der Kirche. Gottes Wort setzt
und Werke, was ihn neben einigen eigenen ,Heterodoxien' (Lehre von sich durch, „auch wenn die Irrlehrer es in die Verbannung schicken,
der Präexistenz der Seele, Subordinationismus im Verhältnis des Diese Überzeugung beschreibt der verbannte Hilarius in einem perSohnes
zu Gott Vater, spiritualistische Eschatologie und Exegese) sönlichen Bekenntnis, das zugleich die Durchsetzungskraft des Wor-
suspekt gemacht hat. Die Meinung Justins und anderer, daß die tes Gottes bezeugt" (182). Kapitel 8 „Kirche und Sakrament" beginnt
Häresie zugleich satanische Apostasie sei, hat Origenes so nicht ge- mit der Einschränkung, daß es bei den Kirchenvätern noch keine
te'lt. was ihn auch weithin von dem Verdacht freispricht, er habe im Lehre von den Sakramenten gibt. Hilarius bietet jedoch „viele Hinengeren
Bezug auf die späteren Ketzcrverfolgungen hingezielt. weise auf einige Selbstvollzüge der Kirche, die man später als Sakra-

1.11 ,c i * n i u i^- mente bezeichnet hat" (184). Kapitel 9 „Die Gläubigen in der

Halle (Saale) Hans-Joachim Diesner ' K " B

Kirche" geht vom Priestertum aller Gläubigen aus und kommt dann

zu praktischen Fragen: „Hilarius spricht vom Streben nach der Gunst

Ficn.r. w: u i r. v u j • j . „ ... der Menschen, welches von Eifersucht begleitet ist" (229). Abschnitt

r|gura, Michael: Das Kirchenverstandnis des Hilarius von Portiers. . . v '

Freiburg-Basel-Wien: Herder 1984. 382 S. gr. 8" = Freiburger 9 3 berichtet von neuen Hymnen, die Hilarius aus der Verbannung

theologische Studien, 127. Kart. DM 98,-. mitgebracht hat. Kapitel 10 untersucht Hinweise auf das kirchliche

Amt und pastorale Aufgaben des Bischofs (246-270). Hier steht ein

Das Thema der Freiburger Dissertation erregt Interesse: Hilarius Abschnitt „Kirche und Kaiser", in dem Hilarius als Vorläufer des

kämpfte gegen die Arianer und ging deshalb 356-360 in die Verban- Ambrosius gesehen wird (265). Kapitel 11 „Die Kirche und die Irr-

nung; doch suchte er zugleich auch stets nach Verständigung, was ihm lehren" beginnt mit der Aussage, Hilarius habe „erst beim Aufbruch

Kritik des radikalen Altnicäners Lucifer von Calaris einbrachte. Was ins Exil (vor September 356) vom Glauben des Konzils von Nikaia ge-

yerstand Hilarius unter Kirche, für die ersieh so sehr einsetzte? Figura hört" (270). Hilarius grenzte sich nicht nur gegenüber Arius ab,

arbeitet die Quellen gründlich durch und trägt eine Fülle von Zitaten sondern auch gegenüber Sabellius, Marcell und Photin. Hilarius sah

zusammen. Die Arbeit umfaßt 3 Teile: 1. Das Geheimnis der Kirche; bei allen Häretikern eine Gemeinsamkeit: Arianer und Sabellianer

2. Das Leben der Kirche; 3. Die Ekklesiologie des Hilarius zwischen „wollen Gott begreifen, indem sie die göttlichen Offenbarungen der

Ost und West. menschlichen Vernunft unterordnen. Das Maß für die Unbegreiflich-

Tcil I beginnt mit einem Kapitel „Biblische und eschatologische keit Gottes ist die Schwäche der menschlichen Natur" (275). Für den

Theologie der Kirche" (28-50). Man kann von einer „christolo- Kaiser empfand Hilarius bis Ende 359 Hochschätzung. „Erst als er im

Bischen Exegese im weitesten Sinn" reden (29). Alttestamentliche Kaiser die treibende Kraft der Homöer erkannte, wandelte sich

Stellen werden aufChristus hin verstanden. Jesusworte erfüllen sich in schlagartig sein Verhältnis zum Kaiser" (283).

der Kirchengeschichte. „Wie Jesus den Kindern die Hände auflegt Teil III „Die Ekklesiologie des Hilarius zwischen Ost und West"
und für sie betet, so erlangen später die Heiden die Gabe des Heiligen setzt eine breite Gemeinsamkeit voraus: Hilarius war „einer der
Geistes durch Handauflegung und Gebet der Apostel" (39). Doch soll letzten Zeugen der kirchlichen Einheit in beiden Teilen des römischen
der wörtliche Sinn biblischer Stellen nicht vorschnell übersprungen Reiches" (286). Daher wertet Figura die Verbannung des Hilarius in
werden; erst an zweiter Stelle steht der „Fortschritt vom Buchstaben den Osten gering. „Die deutlichen Ähnlichkeiten mit der östlichen
m Richtung auf eine Vertiefung oder Verinncrlichung" (45). Vielfältig Exegese im Psalmenkommentar und im Mysterienbuch gehen letztsind
die Beziehungen zwischen Christus und der Kirche. Hilarius lieh auf eine dem Osten und Westen gemeinsame exegetische
unterscheidet einen dreifachen Leib Christi: Der natürliche Leib, der Methode zurück. Wenn sie auch ihre Ursprünge im Orient hatte
sakramentale Leib, der verherrlichte Leib. Das wird ausführlich in (Philo und Origenes), so war sie doch zur Zeit des Hilarius bereits in
dem Kapitel „Christus und die Kirche" dargelegt (50-96). Kürzer ist der westlichen Kirche Allgemeingut" (286). Hilarius war also nicht
der Abschnitt „Der Geist und die Kirche" (97-115). Besondere Bc- so sehr ein Vermittler als vielmehr ein „Bindeglied zwischen östlichen
deutung hat das Kapitel „Typologie und Bilder der Kirche". Figura und westlichen Bischöfen" (286). Kapitel 12 „Die Unionsbemühun-
fblgt der Bibel, nicht den Schriften Hilarius. So beginnt die Reihe mit gen des Hilarius" gehen von der Gefahr aus, die Hilarius im damaligen
Eva als „einem Vorausbild der Kirche" (117). Evas Geburt aus Adam Streit sah. Daher wollte er beitragen „zur Einheit zwischen östlichen
wird christologisch und sakramental gedeutet, sie kann auch ein Sym- und westlichen Bischöfen durch eigene Kenntnis der unterschied-
bol der allgemeinen Auferstehung sein. Geläufiger ist die Arche Noah liehen Auslegung des Christusgeheimnisses in beiden Teilen des
alsein Bild der Kirche. In den Frauen Sara, Rebekka und Rahel findet römischen Reiches" (287). Kapitel 13 „Glaube und Glaubens-
Hilarius Beziehungen zur Kirche (125). Die Wüstenwanderung wird bekenntnis" untersucht das Verhältnis zwischen mündlichem und
christologisch und eschatologisch mit der Kirche verbunden. Das schriftlichem Bekenntnis; der Begriff fides kommt bei Hilarius 1300
Verhältnis Synagoge - Kirche spielt im Matthäuskommentar eine mal vor (312). Kapitel 14 „Die Einheit der Kirche" geht auf die Vor-
Rolle. Die Kirche als Schiff hat für Hilarius aktuelle Bedeutung: „Es Stellung des Hilarius ein, daß die Einheit der Kirche „ein Abbild der
ist der Wogengang des arianischen Kampfes, der das Kirchenschiff fast Einheit von Vater und Sohn ist" (326). Kapitel 15 wiederholt, daß
scheitern läßt" (143). Das häufig auftauchende Bild von der Kirche als Hilarius noch keine ausgebildete Ekklesiologie hatte. Aber die Väter
Haus Gottes ist bei Hilarius nur selten. Die Kirche als Licht wird u. a. wußten um das Geheimnis der Kirche, daß sie in Bibelstellen und Bil-
begründet mit Mt 2, der Geschichte vom Weihnachtsstern. Das Bild dem fanden. Das Kirchenverständnis des Hilarius ist „mehr von der
von der Mutter Kirche, das andere Kirchenväter oft bieten, findet sich vorausgehenden Tradition bestimmt, als in die Zukunft weisend"
..bei Hilarius verhältnismäßig selten und wenig entfaltet" (147). Auch (361). Nach einem Vergleich mit Vaticanum II stellt Figura 4 Punkte
Kapitel 6 „Die Kirche in der eschatologischen Spannung" bietet Bil- heraus: 1) Hilarius sieht immer wieder „über die irdische Kirche hin-
der. die wir von anderen Kirchenvätern her kennen: Die Kirche ist aus auf die himmlische Kirche" (366). 2) Nach Hilarius wird das
„Stadt Gottes, Leib Christi, das neue Jerusalem, dessen Vorbild die Geheimnis Gottes „für den einzelnen Christen gegenwärtig im Ge-