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1987

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Kirchengeschichte: Reformationszeit

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355

Theologische Literaturzeitung 112. Jahrgang 1987 Nr. 5

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der mittelalterlichen Kirche werden kaum gestellt. In dieser Hinsicht
ist das Buch oberflächlich. - Trotzdem lädt diese Einführung zu untereinander
sehr verschiedenen Laienbewegungen, die heute wieder die
Phantasie anregen, zum weiteren Lesen ein.

Rom JosE. VercruysseSJ

Kirchengeschichte: Reformationszeit

Smolinsky, Heribert: Augustin von Alveldt und Hieronymus Emser.

Eine Untersuchung zur Kontroverstheologie der frühen Reformationszeit
im Herzogtum Sachsen. Münster/W.: Aschendorff 1983.
VII, 467 S. 8- = RST, 122. Kart. DM 148,-.

Diese Würzburger theologische Habilitationsschrift faßt ein wenig
beackertes Arbeitsfeld ins Auge, das am Rande der großen Reformationsgeschichte
liegt und in der Vergangenheit vorwiegend von der
Orts- und Landeskirchengeschichte behandelt worden ist. Es geht um
den katholischen Anteil an den theologischen Auseinandersetzungen
der Reformationszeit, der stets im Schatten der mächtig aufbrechenden
Reformationstheologie gestanden hat; es geht um zwei katholische
Theologen, die nur der zweiten Garnitur zuzurechnen sind, und
es geht um den territorialen Rahmen des albertinischen Herzogtums
Sachsen, das mit seinem langen Verharren beim alten Glauben in der
allgemeinen Reformationsgeschichte gegenüber dem führenden Kurfürstentum
Sachsen eine bescheidenere Rolle gespielt hat. Es ist das
Verdienst des Vf., ein solches in dreifacher Hinsicht wenig glanzvolles
Thema angepackt und auf die höhere Ebene der allgemeinen
Reformationsgeschichte gehoben zu haben.

Alveldt (t nach 1535) und Emser (t 1527) gehören in die Frühzeit
der Reformation, mit ihnen soll unterhalb der erstrangigen katholischen
Kontroverstheologie der „Normalfall antireformatorischer
Publizistik" erfaßt werden. Ihre beiden Hauptwohnsitze Leipzig und
Dresden lagen geographisch und thematisch nahe an Wittenberg und
Luther und waren als die zwei wichtigsten Städte des Herzogtums
Sachsen eng mit dem anderen sächsischen Teilstaat verbunden, in
dem sich die Reformation frühzeitig ausbreiten konnte. Neben dem
Gemeinsamen ist jedoch auch der Unterschied zwischen Alveldt als
dem Franziskaner der strengen Observanz und dem Humanisten
Emser zu bedenken.

Für die erneute Behandlung des anstehenden Themas wird eine einsichtige
Begründung gegeben: der bisherige Literaturstand stammt
weitgehend vom Ende des 19. Jh.; er wird von einem konfessionell
verengten Standpunkt gekennzeichnet und ist daher verbesserungsbedürftig
. Die neue katholische Sicht der Reformationsgeschichte
rechtfertigt auch eine neue Beschäftigung mit zweitrangigen Erscheinungen
, die für das Gesamtbild nicht unwichtig sind. Dabei stützt sich
die Untersuchung auf eine sehr umfangreiche Fachliteratur zu Einzelfragen
und eine große Zahl gedruckter Quellen, während ungedruckte
Quellen aus Archiven und Bibliotheken nur in Einzelstücken herangezogen
werden konnten, da neues handschriftliches Material kaum
noch zu finden war.

Das Ziel der Arbeit ist es, den Kampf um die Reformation paradigmatisch
zu erfassen, geschichtliche Hintergründe aufzudecken, die
wesentlichen Inhalte, die Taktik und die hinter den Kämpfern stehenden
Kräfte darzulegen und die Kontroversen in ihrer Abhängigkeit
von der Zeit und den Umständen kennenzulernen. Die Struktur der
Streitigkeiten soll in formaler und materieller Hinsicht erkennbar
werden. Eine erschöpfende Darstellung der kontroverstheologischen
Leistung beider Männer wird nicht angestrebt; der Vf. beschränkt sich
auf einen „notgedrungen flüchtigen Blick" und glaubt, das Thema nur
„kursorisch und notgedrungen wenig eindringlich" behandelt zu
haben, was schon mit Rücksicht auf den Umfang als zu bescheiden
bezeichnet werden muß.

Im materialen Teil des Buches werden die notwendigen Angaben
zur Lebensgeschichte von Alveldt und Emser dargeboten und vor

allem ihre Schriften vorgestellt und in den Zusammenhang der theologischen
Auseinandersetzungen gebracht. Bei Alveldt geht es um vier
Hauptthemen: das göttliche Recht des Apostolischen Stuhls, die
Lehre von der Kirche, die Lehre von den Sakramenten und um die
christliche Spiritualität. Er erreichte die Höhe seines Schaffens im
Jahre 1520, seine theologische Herkunft ist unklar, Einflüsse von Eck
lassen sich feststellen.

Emsers Werk ist wesentlich vielschichtiger. Er führte ein echtes
Humanistenleben, bis er 1519 durch die von Luther ausgehende Herausforderung
eine grundlegende Änderung durchmachte. Die Untersuchung
beschränkt sich hier unter Auslassung der poetischen Werke,
der Übersetzung klassischer Autoren, der Editionen fremder Schriften
und anderer Publikationen auf die Schriften im Anschluß an die Leipziger
Disputation, auf die umfänglichen Kontroversen um Luthers
Adelsschrift und auf die publizistische Tätigkeit zugunsten der Heiligsprechung
des Bischofs Benno von Meißen. Die lehrreiche, ausführliche
Erörterung über Emsers Texte zur Adelsschrift geht auf die rhetorischen
, stilistischen, inhaltlichen und taktischen Gesichtspunkte
ein und macht die Überlegenheit Luthers mit seiner überzeugenderen,
wirkungsvolleren Art gegenüber dem steifen, langatmigen Emser
deutlich, der in unsinnige Gedankengänge abschweifte und für Luthers
Anliegen kein tieferes Verständnis zeigte.

Da Alveldt und Emser in die Kirchenpolitik des sächsischen Herzogs
Georg einbezogen waren, werden auch die theologisch-kirchenpolitischen
Schriften und Maßnahmen des Herzogs und die Luthergegner
im Umkreis des herzoglichen Hofes und der Stadt Leipzig mit
behandelt: der Abt Paulus Bachmann von Altzella, der Abt Simon
Blick in Pegau, der Leipziger Dominikaner Petrus Sylvius, der Dresdener
Schloßkaplan Wolfgang Wulffer aus Schneeberg und der
Meißener Franziskaner Jakob Schwederich. Die von Emser
1524-1526 in Dresden unterhaltene Druckerei wird als Sprachrohr
dieser geistigen Kräfte des Festhaltens am Alten mit Recht gewürdigt
.

Es gab im Herzogtum Sachsen einen literarischen Widerstand gegen
Luther, aber er erreichte in seinem Niveau nur eben das Mittelmaß-
Dabei zeigt sich ein Wandel des Lutherbildes bei den Kontroversisten:
Während Lutheranfangs, was in einem Nachbarland Böhmens leicht
erklärlich ist, einfach mit dem schlimmen Odium des Hussitismus
beladen war, lernte man ihn im Laufe der Zeit besser kennen und kam
zu einer differenzierteren Einschätzung, so daß er als Vorläufer des
Antichrist und Werkzeug des Teufels angesehen wurde, bis man
schließlich an ihm eine zersetzende Tätigkeit herausfand. Der
Bauernkrieg und Luthers Eheschließung gaben hierzu neue Angriffspunkte
. Bei ihrer Polemik stützten sich beide sächsischen Kontroverstheologen
auf unterschiedliche Argumente: Alveldt holte sie fast
nur aus der Bibel, Emser zog vor allem die Väterliteratur und die
Geschichte der Kirche heran. Gegen die existenzbedrohende Leugnung
des Mönchtums und bei der Verteidigung der Heiligenverehrung
standen sie beide mit den schon genannten kleineren Mitstreitern auf
einer Linie. Ein Verzeichnis ihrer theologischen Schriften wird im
Anhang geboten.

Die Arbeit hat ihr Ziel erreicht, eine sachliche, von konfessioneller
Enge freie Darstellung eines für die Reformationsgeschichte nicht
unwesentlichen Stückes zu bieten, das sich in unmittelbarer Nähe des
Ursprungsherdes der Reformation, aber in einem noch altgläubig
beherrschten Territorialstaat abgespielt hat. Nicht zuletzt die sächsische
Kirchengeschichte hat davon einen erheblichen Gewinn. Für
die evangelische Reformationsgeschichte ergibt sich die Möglichkeit,
die Gegenseite besser zu verstehen, zumal Alveldt und Emser den
Reformator zu ansehnlichen Anstrengungen herausgefordert
haben.

Friedewald Karlheinz Blaschke

Binder, Hans-Gerald: Schwerpunkte kirchlichen Handelns in der „Kirchenordnung
aller Deutschen in Siebenbürgen" (1547) (Kirchliche Blätter 14, 1986,
H. 10,8).