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Ausgabe:

1987

Spalte:

304-306

Kategorie:

Praktische Theologie

Titel/Untertitel:

Studientexte Funkkolleg Religion 1987

Rezensent:

Friemel, Franz Georg

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303

Theologische Literaturzeitung 112. Jahrgang 1987 Nr. 4

304

Mit dem Titel des Buches ist die negative Seite des Programms
genannt, das Vf. entwickeln will. Die christliche Ethik soll nicht aus
Forderungen und Geboten, auch nicht den zehn Geboten abgeleitet
werden. Stattdessen sollen die zentralen Glaubensaussagen die christlichen
Verhaltensweisen begründen und entwickeln. Das hat den Vorzug
, daß Glauben und Leben deutlich aufeinander bezogen bleiben
und „die christliche Ethik heute nicht mehr auf Fundamente außerhalb
des Glaubensbekenntnisses gebaut werden kann wie etwa das
Naturrecht oder das Gesetz als Gegensatz zum Evangelium" (S. 6).

Die Glaubensinhalte werden in sieben Hauptstücken vorgestellt:
Schöpfungslehre, Sündenlehre, Christologie, Ekklesiologie, Lehre
vom Heilsweg, Eschatologie und Gotteslehre. Abgesehen von der
Umstellung der Gotteslehre an den Schluß ist dies das Schema der altprotestantischen
Orthodoxie, das hier übernommen wird. Aus jedem
dieser Lehrstücke werden ethische Konsequenzen entwickelt, und erst
am Schluß wird die Möglichkeit erwogen, von ethischen Handlungsfeldern
her nach den Lehraussagen zu fragen. So kommt eine stark
deduktive Ethik zustande, bei der zuerst ein Überblick über die betreffende
Lehre gegeben und dann über die praktischen Konsequenzen
gesprochen wird. So wird aus der Schöpfungslehre die Absage an Sklaverei
und Rassismus und die Bejahung der Einheit der Menschheit
abgeleitet. Von der Christologie her schränkt die Rede von der
Königsherrschaft Christi jede irdische Herrschaft ein, so daß sie nur
zum allgemeinen Nutzen eingesetzt werden darf, während die Lehre
vom hohenpriesterlichen Amt Christi vom Verdienstdenken befreit
und ein weltoffenes, situationsbezogenes Handeln ermöglicht. Der
Wortcharakter der Kirche verpflichtet zur Gewaltlosigkeit, wie die
Ekklesiologie auch dem Nationalismus widerspricht. Der Blick auf
den Heilsweg des Einzelnen läßt die Grenzen allgemeingültiger
Normen und das Recht individueller Berufung erkennen. Unter dem
Vorzeichen der Selbstverleugnung um des nahen Endes willen werden
die Themen Arbeit, Stellung zum Eigentum, christliche Ehe und
Umgang mit der Natur behandelt.

Das Buch ist allgemeinverständlich und flüssig geschrieben, allerdings
auf Kosten der Genauigkeit im Detail. Weil Vf. einen Überblick
über die gesamte Glaubenslehre geben will, kommt er auf eine Fülle
von Themen zu sprechen und gibt geschichtliche Überblicke, die allzu
pauschal ausfallen (z. B. S. 25, 34, 670- Außerdem ist das methodische
Vorgehen nicht eindeutig. Wenn es S. 58 heißt, daß bei der
Suche nach sittlichen Auswirkungen nur die Lehren zu beachten.
seien, die „sich im Bewußtsein der Allgemeinheit überhaupt durchsetzen
konnten", wird die populäre Anschauung vom christlichen
Glauben zum Maßstab, die das Dogma der Kirche reduziert (fehlen
deswegen Trinitätslehre und Pneumatologie?). Dann wieder ist von
der Methode, „ethische Begleiterscheinungen des Bekenntnisses zu
ermitteln", die Rede (S. 104), die an ein Nebeneinander denken läßt,
das keine zwingende Kraft hat. Bei den Aussagen über die christliche
Ehe wird ein indirekter Zugang gewählt, denn „wir sind notgedrungen
darauf angewiesen, aus den Glaubensüberzeugungen des Bekenntnisses
Rückschlüsse zu ziehen" (S. 123). Schließlich ist die Zuordnung
der ethischen Themen zu den einzelnen Loci nicht überzeugend.
Wenn Arbeit und Ehe im Kontext der Enderwartung erscheinen,
nimmt es nicht wunder, wenn Vf. Arbeit mit Selbstentäußerung und
Entfremdung verbindet (S. 118) und die Monogamie zwischen weltverneinender
Ehelosigkeit und schöpfungsbejahender Polygamie darstellt
(S. 127). Müßte das ethische Urteil nicht anders lauten, wenn
diese Themen an andere Loci angeschlossen würden, und wie kommt
man dabei aus einer gewissen Beliebigkeit heraus? Die Schwierigkeit,
hierfür eindeutige Kriterien zu entwickeln, hängt doch wohl damit
zusammen, daß ethische Themen ihre eigene Geschichte und ihr
eigenes Beziehungsgeflecht haben, die sich nicht mit denen der dogmatischen
Themen decken.

So sehr dem Vf. zuzustimmen ist, wenn er Glauben und Handeln in
der christlichen Ethik aneinanderbinden will, so führt die Methode
der Ableitung aus dogmatischen Loci zu keiner überzeugenden
Lösung. Das Buch gibt eher Anregungen, bei der Behandlung dogmatischer
Themen etwa im Unterricht praktische Konsequenzen'mitzu-
bedenken.

Rostock Joachim Wiebering

Praktische Theologie: Allgemeines

Funk-Kolleg Religion. Bd. 1 u. 2. Hg. von P. Fiedler, H. Fries, W. Härle
, R. Hummel, J. Müller, K. E. Nipkow, A. Schilson, J. Wallmann.
Gütersloh: Gütersloher Verlagshaus Gerd Mohn; Düsseldorf: Pat-
mos 1985. 394 S. u. 376 S. 8° = GTB. Siebenstern, 1285/1286. Kart.
DM 28,80. (s. 1.)

Studientexte Funkkolleg Religion. Hg. von P. Fiedler, H. Fries, W.
Härle, R. Hummel, J. Müller, K. E. Nipkow, A. Schilson, P.
Schmoock, J. Wallmann. Weinheim-Basel: Beltz Verlag; Gütersloh
: Gütersloher Verlagshaus Gerd Mohn; Düsseldorf: Patmos
1985. XIII, 581 S. m. Abb. gr. 8°. Kart. DM 78,-. (s. 2.)

(1.) In den beiden Bänden haben wir die Vorträge noch einmal vor
Augen, die unter der Federführung des Süddeutschen Rundfunks -
1983/84 im Medienverbund von verschiedenen Sendern der Bundesrepublik
nach Art einer vorübergehend für das Radio geschaffenen
ökumenisch-theologischen Fakultät ausgestrahlt wurden. Man versuchte
damals, zentrale Themen der Religion in ihrer historischen
Entwicklung und in ihrer Bedeutung für unsere Zeit zu entfalten. Das
Ziel war zunächst, „zuverlässigen Aufschluß über das Christentum"
zu geben; da wir aber in einer Welt leben, in der Völker, Kulturen und
damit auch Religionen einander näherrücken, galt es auch, eine Auskunft
über die großen nichtchristlichen Religionen zu geben. Weil
Religion sich nicht im luftleeren Raum vollzieht, sondern mit Gesellschaft
und Zivilisation eng verbunden ist, mußten auch Erkenntnisse
über den Wandel in der gegenwärtigen Gesellschaft zur Sprache
gebracht werden. Das Funk-Kolleg umfaßt eine Reihe von 30 Vorlesungen
, die nach 4 Themenblöcken gegliedert sind: I. Grundelemente
der Religiosität; II. Weltreligionen in ihrer Bedeutung für unseren
Lebensbereich; III. Christentum; IV. Zukunft der Religion -
Zukunft der Menschheit.

Die Sendereihe richtete sich an persönlich und beruflich an Religion
und Glauben Interessierte. Unter den 24 066 eingeschriebenen
Teilnehmern überwog die Gruppe der „allgemein Interessierten", die
sowohl aus Hörern bestand, die sich mit der Kirche eng verbunden
als auch aus solchen, die sich von der Kirche distanziert fühlten.

Die Dozenten sind als theologische Lehrer an ev. und kath. Ausbildungsstätten
und an Universitätsfakultäten oder als theologische
Autoren bekannt und anerkannt. Es sind über die als Hgg. Genannten
hinaus: Peter Antes, Horst Bürkle, Ludwig Ehrlich, Karl Suso Frank,
Reinhard Frieling, Joh. Gründel. Wolf-Dieter Hauschild, Waltraud
Herbstrith, Ellert Herms, Werner Jetter, Ulrich Luz, Michael Milden-
berger, El. Moltmann-Wendel, Geiko Müller-Fahrenholz, Peter Neuner
, Ferdinand Reisinger, Rolf Rendtorff, Trutz Rendtorff, Richard
Schaeffler, Dietr. Stollberg, Winfried Thiel, Bernhard Uhde, Herbert
Vorgrimler, Harald Wagner und Hans Waidenfels.

Die beiden Taschenbücher, die die theologischen Rundfunkvor-
lesungcn sozusagen „gefroren" aufbewahren, sind nicht nur für die im
eigentlichen Sinn inskribierten Hörer wichtig, sondern auch für Leser,
für welche ein Zusammenhang mit dem ursprünglichen Medium der
Veröffentlichung nicht mehr gegeben ist. Sie enthalten nämlich eine
eindrucksvolle Zusammenschau des heutigen theologischen Denkens.
Diese hier vorgelegte Behandlung theologischer Probleme ist alles
andere als weitabgewandt, sondern steht im lebhaften Austausch mit
den Problemen unserer Zeit und unserer Zeitgenossen. Die Ausführungen
der Theologinnen und Theologen sind angereichert durch
Gespräche, Stellungnahmen, Zitate, Geschichten, Teile aus Reportagen
sowie durch Litcraturbeiträge und erhalten dadurch etwas vom
Charakter des Features.

In den Textbänden ist durch die Art des Umbruchs diese Eigen-