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Ausgabe:

1987

Spalte:

280-281

Kategorie:

Kirchengeschichte: Mittelalter

Autor/Hrsg.:

Nüßlein, Theodor

Titel/Untertitel:

Eugippius, Vita sancti Severini 1987

Rezensent:

Haendler, Gert

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Theologische Literaturzeitung 112. Jahrgang 1987 Nr. 4

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die besten und würdigsten Kandidaten für das kirchliche Amt sahen,
mußten die weltlichen Priester sich vom Vorwurf der Zweitrangigkeit
befreien. Dies gelang am besten, wenn sie sich in ihrer Lebensweise
den Asketen anglichen" (238).

So rückten monastische und priesterliche Lebensform nahe zusammen
; die Linie zum Mönchspapst Gregor wird gezogen (240). Doch
hält die Autorin abschließend fest: „Die Synthese beider Lebensformen
war nicht endgültig, auch wenn es zeitweise so erschien. Im Laufe
der geschichtlichen Entwicklung sollte sich zeigen, daß das Amt und
auch das Mönchtum weitere Entfaltungsmöglichkeiten in sich bargen
." (244) Die Arbeit stellt keine grundstürzend neuen Thesen auf,
aber man kann viel aus ihr lernen.

Rostock Gert Haendler

Kirchengeschichte: Mittelalter

Vollrath, Hanna: Die Synoden Englands bis 1066. Paderborn-
München-Wien-Zürich: Schöningh 1985. XLII, 484 S. gr. 8" =
Konziliengeschichte. Reihe A: Darstellungen. Lw. DM 128,-.

Die Kölner phil. Diss. (1980) begründet zunächst die zeitliche Abgrenzung
. Die altbritische Kirche wird ausgeblendet; die Eroberungen
der Angelsachsen bedeuten einen tiefen Einschnitt in die Kirchengeschichte
Englands, sogar noch schärfer als die normannische Eroberung
1066. Die Quellenlage ist unterschiedlich; Synodalprotokolle
sind selten. Ausführlich kann der Zeitraum dargestellt werden, über
den Beda 731 in seiner Kirchengeschichte Englands berichtet
(32-123). Eine eigenständige angelsächsische Kirche wird sichtbar, so
wie sie von Papst Gregor 1. geplant war. Die Synoden unter Vorsitz
des Erzbischofs von Canterbury greifen über bestehende Landesgrenzen
hinweg. Beda verwendet die Begriffe synodus oder concilium für
„Ratsversammlungen ..., auf denen geistliche Fragen behandelt werden
" (59). 673 fand die erste englische Synode statt, „von der ein
Ergebnisprotokoll überliefert ist" (69). In der Vita Wilfridi des Eddius
Stephanus werden weitere Synoden genannt (77ff). Größte Bedeutung
kommt dem Erzbischof Theodor von Canterbury zu, der Protokolle
anfertigen ließ und den Ablauf der Synoden bestimmte. Neben
gesamtenglischen Synoden hat er vielleicht auch Diözesansynoden
eingerichtet (97). Unter Erzbischof Bethwald von Canterbury gingen
die Kämpfe um Bischof Wilfrid weiter (107ff). Eine Synode 702/703
unter Leitung des Erzbischofs wird auch vom König besucht (113).
Allmählich „verwandelte sich die bloße Anwesenheit des Königs und
der weltlichen Großen in eine wirkliche Beteiligung an den Verhandlungen
, so daß sich auch auf nationaler Ebene die Entwicklung zu
einer geistlich-weltlichen Mischversammlung von der Art der noch
stammesgebundenen Witenagemots erkennen läßt" (123). Die
Reformsynode 747 unter Leitung des Erzbischofs Cuthbert zeigt Kontakte
nach Rom und zur fränkischen Kirche. Der Hinweis des Bonifatius
auf die „synodus Lundunensis", in der er geboren und erzogen
worden sei, wird ausführlich erörtert (156ff und 420ff). Päpstliche
Legaten kamen nach England, auch Karl d. Gr. zeigte Interesse
(162ff). Bis zur Synode 816 kann gesagt werden, „daß der Typ der in
der Verantwortung des Episkopats stehenden Bischofssynode, so wie
er vom Erzbischof Theodor im 7. Jahrhundert eingerichtet worden
war, sich während des ganzen 8. Jahrhunderts in der ecclesia Anglo-
rum erhalten hat" (192). Das ist eine „wesentlich positivere Beurteilung
" als bisher (398).

Die Dänenkriege im 9. Jh. führen zu einem Rückgang der Nachrichten
. Chronistische Mitteilungen schildern die Abwehr der Gefahren
, bringen aber wenig über innere Angelegenheiten der Kirche. Die
Möglichkeit von Synoden wird vorsichtig offengehalten: „Falls sich
das Leben der Kirche in Synodalversammlungen geäußert hat, so
haben sie jedenfalls - außer einigen Andeutungen in den narrationes
der Urkunden - keinerlei Spuren hinterlassen" (196). Im späteren

10. Jh. begannen die Klosterreformen. Es gibt mehr Quellen, aber es
sind Heiligenviten, die ihren Helden feiern, so daß „Synoden nur eher
zufällig erwähnt werden" (239). Großen Einfluß hatte Dunstan, eine
Synode 957 brachte seine Erhebung zum Bischof (245). Frühestens
967 wird ein generale concilium angesetzt, auf dem Dunstan weitgehende
Reformziele verkündete (264). Danach folgte ein Hoftag des
englischen Königs, den die bisherige Forschung mit dem Konzil in
eins gesetzt hatte (273). Freilich wird vorsichtig formuliert: Wir nehmen
„eine in der Verantwortung des Erzbischofs von Canterbury
stehende Synode an, auf der Beschlüsse einer Papstsynode für England
bekanntgemacht wurden. Der König war helfender weltlicher
Arm . . ." (273). Wichtig für die Klosterreform war 970 die Regularis
Concordia; sie wurde beschlossen von versammelten Äbten, so daß
man nicht von einer Synode sprechen kann (279). Günstig beurteilt
wird die Zeit um die Jahrtausendwende, doch bietet sie nur „spärliche
Hinweise, daß möglicherweise Synoden stattgefunden haben" (306).
Erzbischof Wulfstan von York vertrat die Ansicht, das Christentum
sei Gründlage für alles weltliche Recht, daher hätten Bischöfe *t
allem öffentlich-politische Aufgaben wahrzunehmen. Rein kirchliche
Synoden, „wenn es sie denn überhaupt noch gab", traten zurück,
„weil die Bischöfe in den Reichsversammlungen Leitungsfunktionen
innehatten" (378). Die Herrschaft des Dänenkönigs Knut 1016-1035
wird von englischen Quellen positiv dargestellt. Es gab „Versammlungen
der Großen Englands, an denen natürlich auch der Episkopat teilgenommen
hat, doch ordnen sich keiner der Versammlungen Verhandlungsthemen
zu, die ihre Einstufung als Synode rechtfertigen
würde" (382). Zusammenfassend wird formuliert: „Es hat den Anschein
, als läge es nicht am bruchstückhaften Charakter unserer Quellen
, wenn man im I 1. Jahrhundert bis zur normannischen Eroberung
nichts von kirchlichen Synoden hört" (402). Ein Nachwort erörtert
das Thema „Synodalgeschichte und Mentalitätsgeschichte". In einem
Appendix werden einzelne Probleme nochmals untersucht
(415-480). Insgesamt bekommt man einen vielfältigen Einblick in die
englische Kirchengeschichte des frühen Mittelalters von einem festen
Standpunkt aus. Wenn alle Darstellungen dieser Reihe Konziliengeschichte
so ausführlich vorgehen wie die von H. Vollrath, so muß
freilich mit einem Mammutwerk gerechnet werden.

Rostock Gert Haendler

Eugippius: Vita Sancti Severini. Das Leben des heiligen Severin.

Lateinisch/Deutsch. Übers, u. hg. von Th. Nüsslein. Stuttgart:
Reclam 1986. 157 S. m. 1 Kte kl. 8° = Universal-Bibliothek, 8285.
Kart. DM 4,80.

Das Heft bietet eine der interessantesten Quellen über die Zeit der
Völkerwanderung. Der Mönch (und spätere Abt) Eugippius schrieb
511 in Italien im Rückblick von jener Zeit, in der das römische Reich
noch intakt war, das sich im Raum um Passau wohl am längsten gehalten
hat. Der heilige Severin (t 482) half den Menschen in vielen
Nöten; seine Heiligkeit soll durch die Lebensbeschreibung festgehalten
werden. Für spätere Leser ergeben sich freilich viel weiterreichende
Erkenntnisse. Die Quelle ist oft gedruckt worden, z. B. in
den Monumenta Germaniae Historica und in der Wiener Kirchenväterausgabe
CSEL. Es gibt auch mehrere zweisprachige Ausgaben;
als klassische Ausgabe darf die von Rudolf Noll gelten, die 1963 im
Akademie-Verlag, Berlin, erschien (Schriften und Quellen der Alten
Welt, Bd. 11). Die dortigen Untersuchungen der handschriftlichen
Überlieferungen (27-35) fehlen hier; dafür wird in einem Nachwort
ein Überblick über die neuere Literatur geboten (139-154). Positiv
aufgenommen werden die Forschungen von Friedrich Lotter, über die
ThLZ102, 1977, 89-93 ausführlich berichtet hatte. 1981 hat ein
3. Lorcher Symposium stattgefunden über Severin und die Vita Severini
. Mehrfach nennt Nüsslein das Buch von Alexander Giese „Geduldet
euch, Brüder", in dem Severin sein Leben erzählt (Wien-Hamburg