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Ausgabe:

1987

Spalte:

278-279

Kategorie:

Kirchengeschichte: Alte Kirche, Christliche Archäologie

Autor/Hrsg.:

König, Dorothee

Titel/Untertitel:

Amt und Askese 1987

Rezensent:

Haendler, Gert

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Berlin Joachim Rohde

277 Theologische Literaturzeitung 112. Jahrgang 1987 Nr. 4 278

die 24 Bücher des Gnostikers Basilides, um und nimmt an, nicht 3. Johannesbrief, ihn nicht aus einer konkreten Konfliktsituation her-
Papias reagiere auf Basilides, sondern umgekehrt Basilides reagiere zuleiten, sondern aus einer fiktiven Situation der Vergangenheit,
auf die Exegesis der Herrenlogia, wie sie Papias verfaßt habe (172). Auf insgesamt I 16 Seiten Anmerkungen setzt sich Vf. mit einer
Das spreche Tür eine Frühdatierung des Papiaswerkes. Das Schweigen sehr umfangreichen Literatur auseinander. Innerhalb des Literatur-
des Papias über das lukanische Doppelwerk und das vierte Evange- Verzeichnisses bietet er ferner ein chronologisch geordnetes Verzeich-
üum beruhe nicht auf Absicht, sondern auf Unkenntnis. Zwar nis aller Textausgaben und Übersetzungen seit 1633 sowie ein Vererwähne
er auch nirgends Paulus, doch sei er deshalb kein Antipau- zeichnis von Monographien. Aufsätzen und Lexikonartikeln speziell
'iner, sondern durch das Übergewicht judenchristlicher Traditionen zu Papias seit Schlcicrmacher 1832.
charakterisiert. In diesem Zusammenhang hätte Körtner seine Frühdatierung
des Papiaswerkes um 110 auch mit dem Hinweis stützen
können, die Unkenntnis des lukanischen Doppelwerkes und des vierten
Evangeliums beruhe darauf, daß diese erst kurz zuvor in anderen Kirchengeschichte: Alte Kirche
Kirchengebieten entstanden seien.

Die Papiasnotiz über das Matthäusevangelium wird vom Vf. anders

ak u„p„ j c- i ■. u » j . . r> ■ j i • u. König, Dorothee: Amt und Askese. Priesteramt und Mönchtum bei

"'s nautig in der Einlcitungswissenschaft gedeutet: Papias denke nicht , . • - , .,. >, ,...... . „

a_ • , . . _ , , . , , den lateinischen Kirchenvätern in vorbenediktinischer Zeit. St.
an eine Logiensammlung. wie Schlciermacher vermutete, sondern an Ottilien: EOS Verlag 1985. XI, 423 S. 8" = Regulae Benedicti Studia
ein vollständiges Evangelium, das ursprünglich hebräisch geschrieben Supplementa 12 Lw DM48-
gewesen sei, d. h.. er hielt unser erstes Evangelium für eine Übersetzung
aus dem Hebräischen. Das Fragment über Markus dagegen wolle Die Freiburger theol. Diss. arbeitet umfangreiches Quellenmaterial
die Differenzen zwischen dem ersten und zweiten Evangelium akzep- auf zu 244 Seiten Text, 115 Seiten Anmerkungen und umfangreichen
'abel machen. Die Notiz habe die Aufgabe, Kritik am zweiten Evan- Verzeichnissen. § I untersucht die Anfänge des kirchlichen Amtes
gelium abzuwehren. Nicht erst Papias, sondern schon der Presbyter und die vormonastische Askese bis Cyprian. Die Kirche wuchs,
Johannes als sein Gewährsmann greife den Vorwurf mangelhafter An- schwächere Christen „sahen voller Bewunderung zu jenen auf, die
Ordnung oder Reihenfolge auf. Durch die Beschreibung der petrini- dem Anspruch der Heiligkeit genügen konnten . . . Neben den Amts-
sehen Lehrtätigkeit suche Papias die Mängel des zweiten Evangeliums trägem kamen hier vor aHem die Märtyrer und Asketen in Frage"
zu kompensieren. Papias begründe in dem Fragment, weshalb er nicht (19). §2 „Erfahrungen im Osten" geht auf Hieronymus ein, über-
nur das erste, sondern auch das zweite Evangelium trotz seiner Män- springt also mehr als ein Jh.; Hieronymus war zum Priester geweiht,
gel als Quelle für seine Darstellung benutze (214). In diesem Zusam- Dennoch stellt er den Mönch höher, weil ein Kleriker „in seiner
menhang erörtert Vf. auch die Ursache für den Übergang der Markus- Lebensweise keine Vollkommenheit erreichen kann, sondern sich in
gestalt. die ursprünglich in die Paulustradition gehöre, in die Petrus- der Seelsorge in immer neue Versuchungen begeben muß" (87). Auch
•radition. wie sie sich im 1. Petrusbrief zeige. Unter Ablehnung der Rufin und Cassian waren Mönche mit Priesterweihe. Rufin forderte.
Hypothese von Fischer und Schenke, der I. Petrusbrief sei ursprüng- kein Mönch solle sich nach einem Priesteramt sehnen. Cassiart warnt
'ich ein deuteropaulinischer Brief, empfiehlt Vf. eine andere Lösung: im gleichen Sinne; „nur als Seelsorger für andere Mönche akzeptierte
'n den im Prolog genannten Gemeinden des an sich paulinischen Mis- Cassian den Asketen als Priester" (89). § 3 „Märtyrerverehrung und
sionsgebietes solle durch den I. Petrusbrief die Autorität des Petrus Askese" beschreibt Martin von Tours und seinen Biographen Sulpi-
über die paulinischen Gemeinden aufgerichtet, gleichzeitig aber das cius Severus sowie Paulin von Nola. Spannungen zwischen mönchi-
Paulinische Gedankengut nicht abgestoßen, sondern für die Petrustra- schem Ideal und bischöflichen Aufgaben werden deutlich. Zur mona-
dition vereinnahmt werden, indem ursprünglich paulinische Mit- stischen Lebensform „gehörte aber auch der Kult am Heiligen, der in
arbeiter wie Markus zu solchen des Petrus gemacht würden. Dieser der Volksfrömmigkcit immer größere Bedeutung erlangte" (123).
Vorgang spiegele die tatsächliche Entwicklung wider, daß ein Chri- §4 „Die vita communis der Kleriker" (124-203) beginnt mit Euseb
stentum mit Petrus als Identifikationsfigur sich mancherorts gegen- von Vercelli. also zeitlich vor Hieronymus und Sulpicius Severus,
über dem paulinischen Christentum durchgesetzt habe (219). Den- 'Kurz nach 363, vielleicht sogar noch früher, gab es in Vercelli eine
noch gehöre Papias nicht in die petrinische Entwicklungslinie, son- klösterliche Ordnung Tür Kleriker, an die Ambrosius erinnert; dessen
dem er sei ein nichtpaulinischer Heidenchrist, aber kein Antipauli- Brief wird als Ep. 63 nach M PL 16 zitiert, er steht seit 1982 als Ep. 14
ner, sondern auf dem Wege über den I. Petrusbrief habe auf ihn im CSEL 82,3 (235-295, ed. M. Zelzer). Der Abschnitt „Mönchtum
durchaus paulinische Theologie eingewirkt. und vita communis der Kleriker bei Augustin" führt zu dem Ergebnis:

•m Schlußkapitel 11 (§ 37) begründet Vf. noch einmal die Früh- Eine „enge Verflechtung von Amt und Mönchtum war Tür Augustin

datierung des Papiaswerkes um 110. Der Tradentenkreis der Pres- selbstverständlich, denn ihn hatte Gott zu beiden Lebensformen beru-

bvteroi. denen Papias seine mündliche Überlieferung verdanke, weise fen" (166). Dagegen wird der folgende Abschnitt überschrieben:

auf diese frühe Zeit, denn um 150 hätte Papias nicht mehr annehmen „Fulgentius von Rüspe: gescheiterter Versuch der vita communis",

können, daß bis vor kurzem noch persönliche Jünger Jesu gelebt hät- Sein Zeitgenosse Julianus Pomerius konnte dagegen in Arles eine

•en, wie es Papias tatsächlich getan habe. Am Anfang des zweiten gemeinsame Lebensform mit seinen Klerikern verwirklichen. §5

Jahrhunderts hätten aber auch die Schüler der Herrenjünger bereits „Mönchsleben und Klerikerbildung" schildert die Bischöfe Hilarius

kurz vor dem Aussterben gestanden. Somit werde die Entstehung des und Caesarius von Arles. Im Hause des Bischofs wurden Kinder

Papiaswerkes durch das nahe Ende der Presbyter-Ära verständlich. unterrichtet. Caesarius forderte alle Christen auf, klösterliche Ord-

Außerdem sei auch der Chiliasmus des Papias um 110 sinnvoll zu nungen zu übernehmen: „Armut, Enthaltsamkeit, Fasten, Schriftaus-

'nterpretieren und könne in die Geschichte der kleinasiatischen Apo- legung und Psalmengesang sollten nicht mehr nur den Asketen vorbe-

kalyptik eingeordnet werden (2250- Papias bemühe sich um 110 um halten bleiben, sondern auch den Alltag der Gläubigen prägen" (224).

das Erbe der mündlichen Überlieferung und suche die rechtgläubige § 6 bringt „Kritik einzelner Mönchsgemeinschaften; Rückzug in die

Tradition durch Verschriftlichung zu sichern, obwohl in seinen Einsamkeit". Immer mehr versahen Mönche Dienste an Kultstät-

Augen Bücher etwas Minderwertiges seien. ten und standen so den Klerikern nahe; dagegen gab es Proteste. „Sol-

Ich kann lediglich der vom Vf. in§ 32 (S. 198ff) entwickelten Hypo- che Protestbewegung gegen allzuviel Anpassung des Mönchtums an
these nicht folgen, den 2. und 3. Johannesbrief Tür Pseudonyme die gesellschaftlichen Gegebenheiten hatte es von Anfang an innerSchriften
zu halten, die sich fiktiv auf den Presbyter Johannes zurück- halb der monastischen Bewegung gegeben" (233). Andererseits hatte
führten, um der johanneischen Theologie den Stempel der Rcchtgläu- die Arbeit der Mönche in der Kirche auch Wirkungen auf den Klerus:
bigkeit aufzudrücken. Besonders problematisch ist es m. E. beim „Wenn die Gemeinde in den Asketen aufgrund deren Enthaltsamkeit