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Ausgabe:

1987

Spalte:

255-256

Kategorie:

Religionswissenschaft

Autor/Hrsg.:

Khoury, Adel Th. u. Hünermann

Titel/Untertitel:

Peter [Hrsg.], Weiterleben - nach dem Tode? 1987

Rezensent:

Obst, Helmut

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Seite 1

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255

Theologische Literaturzeitung 112. Jahrgang 1987 Nr. 4

256

„Die Antwort der Religionsforschung auf die Frage: ,Was ist Religion
?' lautet ganz allgemein, daß sich eine beträchtliche Zahl von
Menschen in ganz verschiedenen Kulturen und Gesellschaften, zu
verschiedenen Zeiten und an verschiedenen Orten mit Fragen beschäftigt
hat, die wir als ,religiös' bezeichnen würden, und einem
Phänomen anhingen und anhängen, das wir gemeinhin als .Religion'
bezeichnen."

Diese Tautologie beruht offensichtlich auf dem Bemühen, „Religion
in ihrer menschlichen Gestaltung" (S. 25) zu erfassen und abzusehen
von der für alle Religionen konstitutiven Korrelation zwischen
der Erscheinungs- und der Vorstellungswelt, einem Faktum, das der
Vf. vermutlich ansprechen will mit dem von ihm in Frage gestellten
„normativen Religionsbegriff"' (S. 250ff).

Beträchtliche Teile des Buches sind einerseits der Disziplingeschichte
, andererseits der Aufzeichnung von feststehenden Ergebnissen
der Religionsphänomenologie gewidmet. Sie werden in einer normativen
Weise dargeboten, die eine Realisierung der vom Vf. sehr oft
wiederholten Forderung nach einer empirischen Forschung, die
Belege für Phänomene verlangt hätte, vermissen läßt.

Das übergreifende Anliegen des Buches besteht zweifellos im Programm
einer „hermeneutischen Erforschung von Religionen", also
im Verstehen religiöser Phänomene. Für dieses nicht neue Anliegen
werden in theoretisierender Weise Richtlinien erteilt, nach denen zu
forschen sei. An ihrer Stelle hätte man gern an konkreten Beispielen
Demonstrationen der geforderten Methoden gesehen und Ergebnisse
erfahren, die tatsächlich zu neuen Erkenntnissen führen.

Heidelberg Günter Lanczkowski

' Nach der zeitlichen Reihenfolge ihres Erscheinens: U. Bianchi. Probleme
der Religionsgeschichte. Göttingen 1964. - H. R. Schlette, Einführung in das
Studium derÄeligionen. Freiburg 1971. -C. H. Ratschow, Methodik der Religionswissenschaft
. München-Wien 1973. - U. Mann (Hg.), Theologie und
Religionswissenschaft. Der gegenwärtige Stand ihrer Forschungsergebnisse und
Aufgaben im Hinblick auf ihr gegenseitiges Verhältnis. Darmstadt 1973. -
G. Lanczkowski (Hg.), Selbstverständnis und Wesen der Religionswissenschaft.
Darmstadt 1974. - U. Tworuschka - D. Zilleßen, Thema Weltreligionen. Ein
Diskussions- und Arbeitsbuch für Religionspädagogen und Religionswissenschaftler
. Frankfurt-München 1977. - J. Holm. The Study of Religions.
London 1977. - T.W. Hall, Introduction to the Study of Religion. San
Franciscb 1978. - G. Lanczkowski, Einführung in die Religionswissenschaft.
Darmstadt 1980. - U. Tworuschka, Methodische Zugänge zu den Wcltreligio-
nen. Einführung für Unterricht und Studium. Frankfurt/M. 1982.

Khoury, Adel Th„ u. Peter Hünermann [Hg.]: Weiterleben - nach dem
Tode? Die Antwort der Weltreligionen. Freiburg-Basel-Wien:
Herder 1985. 160S. kl. -8* = Herderbücherei, 1202. Kart.
DM 8,90.

Das vorliegende Herder-Taschenbuch will in kurzer, knapper
Weise breitere Kreise über die sehr unterschiedlichen Vorstellungen
der Weltreligionen vom Leben nach dem Tode unterrichten.

Es kommt damit einem aktuellen Trend entgegen. Fünf auf ihrem
Gebiet ausgewiesene Autoren stellen fünf Weltreligionen vor: Konrad
Meisig: „Hinduistische Vorstellungen vom Leben nach dem Tode";
Erhard Meier: „Die Nachtod- und Wiedergeburtsvorstellungen im
Buddhismus"; Dieter Vetter: „Leben nach dem Tod im Judentum";
Ludwig Hagemann: „Eschatologie im Islam"; Peter Hünermann:
„Gott selbst - Zukunft des Menschen. Der christliche Glaube an das
ewige Leben".

In der „Einleitung" macht Peter Hünermann anhand des Gedichtes
„Reklame" von Ingeborg Bachmann den Versuch, die Problematik
von den Fragen des modernen Menschen her zu sehen, ein Anliegen,
das dann - mit Ausnahme des eigenen Beitrags - kaum durchgehalten
wird. Wie stets in solchen Fällen sind die Einzelbeiträge vom individuellen
Ansatz und der Methode ihrer Vff. geprägt, ergeben sich von
daher Vorteile und Nachteile für das Ganze. Wird der Leser beispielsweise
durch Konrad Meisig (S. 10-60) relativ umfassend und anschaulich
, unter Berücksichtigung größerer Zusammenhänge und
Entwicklungen, in die hinduistischen Vorstellungen vom Leben nach
dem Tode eingeführt, geschieht dies für den Islam durch Ludwig
Hagemann recht unvermittelt, knapp und lexikalisch trocken. Dabei
seien die informative Kürze der Darstellung (S. 103-120), ihre Prägnanz
und intensive Koranbezogenheit ausdrücklich hervorgehoben
.

Nimmt man die erklärte Absicht der vorliegenden Publikation
ernst, über die Eschatologie der „Weltreligionen" zu unterrichten,
dann ist der Beitrag von Peter Hünermann (S. 121-160) über das
Christentum der unbefriedigendste. Klare Einblicke in Inhalte und
Formen der traditionellen christlichen Aussagen über die Zukunft des
Menschen jenseits des Grabes werden nicht angeboten, konfessionelle
Unterschiede treten gar nicht erst in den Blick. Statt dessen
findet man Untersuchungen und Reflektionen aus der Sicht heutiger
katholischer Theologie, die ohne Zweifel interessant und bemerkenswert
sind, aber keineswegs als die Antwort des Christentums auf die
durch den Titel gestellte Frage „Weiterleben - nach dem Tode?"
angesehen werden können. Auf eine Entfaltung des in sich klaren
eschatologischen Konzeptes der römisch-katholischen Kirchen in seiner
anschaulichen Farbigkeit, wie es vom kirchlichen Lehramt festgelegt
und für die größte christliche Kirche normativ ist, verzichtet der
Vf. Einen Blick auf die historische bzw. dogmengeschichtliche Entwicklung
vermißt man ebenso wie Informationen über Gemeinsamkeiten
und Unterschiede heute weltweit auf Gemeindeebene an der
Basis präsenter christlicher Vorstellungen vom Weiterleben nach dem
Tode. Aufdiese Weise treten heikle, aber entscheidende und prägende
Aussagen traditioneller christlicher Eschatologie, wie die Unsterblichkeit
der Seele oder Fegefeuer und Zwischenzustand, kaum ins
Blickfeld, ein Umstand, der auf seine Weise die Krise heutiger christlicher
Eschatologie, von der so viele andere profitieren, signalisieren
kann. Daß christliche Grundpositionen in diesem Beitrag sichtbar
werden, bleibt unbestritten. Strittig ist, ob angesichts der für die
anderen Beiträge zugrundegelegten Methode die Eschatologie des
Christentums als „Weltreligion" so vorgestellt werden kann und der
heutigen Vorfindlichkeit entspricht.

Abschließend sei unterstrichen: Dem an der Frage „Weiterleben -
nach dem Tode?" in der Sicht wichtiger Weltreligionen Interessierten
werden durch das vorliegende Taschenbuch nicht nur - mit der
gemachten Einschränkung - wichtige Sachinformationen vermittelt,
sondern die fünf Beiträge geben in sich und in ihrem Nebeneinander
vielfältige Anregungen, stellen neue Fragen, die auf und in die jeweilige
Spezialliteratur weisen, von der am Schluß der einzelnen Beiträge
eine Auswahl angeboten wird.

Halle (Saale) Helmut Obst

Alter Orient

Knauf. Ernst Axel: Ismael. Untersuchungen zur Geschichte Palästinas
und Nordarabiens im 1. Jahrtausend v.Chr. Wiesbaden:
Harrassowitz i. Komm. 1985. IX, 133 S. m. I Kte gr. 8° = Abhandlungen
des Deutschen Palästinavereins. Kart. DM 52,-.

Im Laufe der letzten 20-30 Jahre hat sich das Interesse für Archäologie
, Geographie, Topographie und Geschichte des Mittleren Ostens
in gewissem Grade von West- nach Ostjordanland verschoben. Was
Palästina betrifft, macht es die intensive Forschung, die seit einem Jh.
auf allen Gebieten betrieben worden ist, unwahrscheinlich, daß sich
das Wissen um die Geschichte des Landes in der Zukunft wesentlich
ändern wird. Das Ostjordanland, das heutige Königreich Jordanien,
war bis vor einem Menschenaltcr verhältnismäßig unerforscht, und
das Interesse für die Geschichte des Landes war nicht groß. Das ist
heute anders. Der Anfang wurde mit Nelson Gluecks "surveys" in