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Ausgabe:

1987

Spalte:

251-252

Kategorie:

Allgemeines

Titel/Untertitel:

Evangelisches Kirchenlexikon Bd. 1, Lfg. 3: Ehrfurcht-Furcht 1987

Rezensent:

Winkler, Eberhard

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251

Theologische Literaturzeitung 112. Jahrgang 1987 Nr. 4

252

Irritation sowohl durch das „im Trend" Liegende wie aber auch durch
das Abseitige, Originelle, Skurrile, vielleicht sogar ein wenig
„Ver-riickte" völlig fehlt. Feministische, ökologische oder Befreiungstheologie
sind keine Themen des neuzeitlichen Christentums!

4) So wird denn auch der Anschein erweckt, als sei der Faschismus
völlig spurlos an der neuzeitlichen Praktischen Theologie vorübergegangen
. Autoren dieser Epoche werden in aller Harmlosigkeit
genannt, ohne daß (mit einer einzigen Ausnahme!) auch nur erwähnt
würde, was für haarsträubende Dinge in diesen Büchern tatsächlich
stehen und wie sie möglicherweise unterschwellig weiterwirken. So

wird die Chance vertan, daß auch die Praktische Theologie an dem
großen „Projekt", das mir zur Erschließung der Zukunft aufgegeben
zu sein scheint, an ihrem Teil mitwirken könnte: Einer Theologie
„nach Auschwitz".

Das Buch ist musterhaft lektoriert. Endlich einmal ein wissenschaftliches
Werk ohne Fußnoten, weil die Literaturhinweise durchweg
in den Text eingearbeitet wurden, was die Lesbarkeit ungemein
erhöht. Es wird durch zwei umfangreiche und sorgfältige Register
erschlossen. Als wirklich ärgerlich empfinde ich lediglich, daß auf
eine zusammenfassende Bibliographie verzichtet wurde.

Allgemeines, Festschriften

Evangelisches Kirchenlexikon. Internationale theologische Enzyklopädie
, hg. von E. Fahlbusch, J. M. Lochman, J. Mbiti, J. Pelikan u.
L. Vischer. Bd. I, Lfg. 3: Ehrfurcht - Furcht. 3. Aufl. Göttingen:
Vandenhoeck & Ruprecht 1986. XII, Sp. 961-1411 gr. 8
DM 68,-.

Nachdem die ersten beiden Lieferungen des neuen EKL in dieser
Zeitschrift vorgestellt wurden (ThLZ 110, 1985, 794-796; III, 1986,
2570, liegt nun der ganze erste Band des bewährten enzyklopädischen
Werkes in völlig neuer Fassung vor. Die in der Besprechung der
I. Lieferung genannten Ziele und Motive des neuen Lexikons kommen
auch in den weiteren Lieferungen voll zur Geltung. Das Werk
spiegelt eindrucksvoll die seit den fünfziger Jahren veränderte kirchliche
und gesellschaftliche Situation wider. Der ökumenischen Perspektive
, die nicht mehr das Hobby einiger Experten, sondern unverzichtbarer
Bestandteil theologischer Arbeit ist, wird viel Raum gegeben
. Mit Erfolg bemühen Herausgeber und Autoren sich, neu oder
unter veränderten Bedingungen sich stellende Probleme zu verarbeiten
. Die Humanwissenschaften werden viel stärker berücksichtigt als
im alten EKL. Das Letztere enthielt beispielsweise zum Stichwort
„Entwicklung" einen philosophischen Beitrag von zwei Spalten. Jetzt
wird Entwicklung in mehr als acht Spalten unter sozioökono-
mischem, psychologischem und religiösem Aspekt untersucht, wobei
3 /j Spalten die Probleme der Entwicklungsländer behandeln. Der
Artikel „Dritte Welt" gehört mit 12 Spalten zu den umfangreichen
Beiträgen, und jedes Land der Erde erhält einen eigenen Artikel (daß
El Salvador nicht 21 Mill., sondern 21 000 km2 umfaßt, kann sich der
Leser leicht korrigieren; die Zahl der Druckfehler ist gering). Der Artikel
„Frieden" erörterte im alten EKL in 2'/3 Sp. theologische und
philosophische Aspekte des Friedens, besonders des Herzensfriedens,
während der politische Frieden unter dem Stichwort „Friedensbewegung
" thematisiert wurde. Das neue EKL erweitert nicht nur das
Spektrum durch die Artikel „Friedenserziehung" und „Friedensforschung
", sondern widmet auch dem Stichwort „Frieden" zehn Spalten
, von denen vier in sozialwissenschaftliche Fragen einführen
(J. Schwerdtfeger). W. Lienemann betont in seinem theologischethischen
Beitrag, daß man zwar zwischen Frieden als göttlicher
Heilsgabe und politisch-rechtlicher sowie sozialer Aufgabe unterscheiden
muß, beides aber nicht trennen kann. Dieser Artikel ist ein
Beispiel dafür, wie komplizierte und emotional stark besetzte Themen
sachlich und engagiert erörtert werden können.

Als Beispiele für die neu aufgenommenen Stichworte seien aus der
3. Lieferung „Feminismus" und „Feministische Theologie" genannt.
Die Autorinnen wenden sich gegen die Maskijlinität westlicher Kultur
„mit einer falschen Objektivität, einer instrumentalen Rationalität
und einem tiefgreifenden Dualismus. . ., welche die reiche Vielseitigkeit
menschlicher, vor allem weiblicher Erfahrung zu ihrem eigenen
Schaden außer acht gelassen haben", und stellen die Frage, „wie weit
das Christentum mit seiner einseitig formulierten Botschaft und
seinen patriarchalischen Strukturen für Frauen noch glaubhaft bleiben
kann". Über „Feministische Theologie" schreiben Theologinnen
, die „ihre spezifischen Interessen und Erkenntnisse als Frauen
gegenüber einer androzentrischen, partriarchalischen und sexisti-
schen Theologie, Kirche und Gesellschaft" aussprechen und verwirklichen
wollen. Sie fordern die Möglichkeit zu feministisch-theologischer
Forschung und Grundlagenarbeit an deutschen Hochschulen,
damit nicht nur Entwürfe aus den USA übernommen werden. Es ist
zu hoffen, daß dann extreme Ansätze wie die Frage, „ob die Bibel als
ein Dokument von Sexismus, Patriarchat und Androzentrik überhaupt
ein möglicher Bezugsrahmen für feministische Theologinnen
ist" oder die Behauptung, Jesus Christus könne als Mann „für Frauen
nicht Grund und Hoffnung ihrer Befreiung sein", nicht mehr als
diskussionswürdig erscheinen.

Die Herausgeber haben sich mit Erfolg darum bemüht, „daß die
Neufassung des EKL aus der Provinzialität im theologischen Denken
und kirchlichen Leben herausführen möchte". Obwohl es ungerecht
wäre, das alte EKL provinziell zu nennen, ist die im neuen Werk
offenkundige Weitung des Horizontes dankbar zu begrüßen. Der
Leser muß dafür trotz der Erweiterung des Gesamtwerkes um einen
Band auf manche historische Information verzichten. Das zügig begonnene
neue Lexikon wird hoffentlich bis 1989 abgeschlossen vorliegen
. Es erweist sich jetzt schon als eine Bereicherung für Theologie
und Kirche.

Halle (Saale) Eberhard Winkler

[Schneider, Josef:] Die Kraft der Hoffnung. Gemeinde und Evangelium
. Festschrift für Alterzbischof D. Dr. Josef Schneider zum
80. Geburtstag. Hg. von der Fakultät Katholische Theologie der
Universität Bamberg durch A. E. Hierold. V. Eid, I. Escribano-
Alberca, O.Fuchs, N. Glatzel. Bamberg: St. Otto-Verlag 1986.
324 S., 1 Taf. gr. 8°. Lw. DM 49,80.

Erzbischof J. Schneider war bis 1955 Professor der Moraltheologie
an der damaligen Philosophisch-Theologischen Hochschule Bamberg
. Sein bischöflicher Wahlspruch dient als Titel der hauptsächlich
von Professoren der jetzigen Fakultät Katholische Theologie dargebotenen
Festschrift. Die Beiträge sind nach Disziplinen gegliedert und
bieten ein buntes Bild. Die Autoren wurden durch Haupt- und Untertitel
thematisch nicht gebunden. Der im Untertitel anvisierte ekklc-
siologische Aspekt kommt auf interessante und kontroverse Weise in
zwei neutestamentlichen Beiträgen zur Geltung; praktisch-theologisch
wird er besonders von Fuchs, Renker und Hepp aufgenommen.
Auf Würdigungen des Jubilars durch den Präsidenten der Bamberger
Universität S. Oppolzer und O. Heggelbacher folgen die Aufsätze:

M. Görg: Weisheit als Provokation. Religionsgeschichtlichc und theologische
Aspekte der jahwistischen Sündenfallcrzählung. H. Merklein: Basi-
leia und Ekklesia. Jesu Botschaft von der Gottesherrschaft und ihre Konsequenzen
Mir die Kirche. P. Hoffmann: Kirchliches Ami unter der Herausforderung
der Botschalt Jesu. Zur Entwicklung der Gemeindestrukturen im frühen
Christentum. A. Dauer: Schichten im Johanncsevangclium als Anzeichen
von Entwicklungen in der (den) johanneischen Gemcinde(n) nach G. Richter.
E. L. G rasm ück : Der Bischof und sein Klerus. Ambrosius von Mailand: De