Recherche – Detailansicht

Ausgabe:

1987

Spalte:

225

Kategorie:

Praktische Theologie

Autor/Hrsg.:

Oeter, Ferdinand

Titel/Untertitel:

Die Zukunft der Familie 1987

Rezensent:

Winkler, Eberhard

Ansicht Scan:

Seite 1

Download Scan:

PDF

^5 Theologische Literaturzeitung 112. Jahrgang 1987 Nr. 3 226

Fallbeispiele veranschaulichen Gründe für gelingende und belastende „Seele" in verschiedenen Religionen. Ausgeblendet ist die Frage, „ob
gegenseitige Beziehungen. Die Bedeutung der verschiedenen Gemein- hinter den verschiedenen Erscheinungsformen von Seele . . . irgend-
debilder, der biographischen Wurzeln und der unterschiedlichen welche .Realitäten' stecken" (35). Seele wird in diesem Buch aus der
°"enVerständnisse für Kommunikation und Kooperation wird dar- Sicht und dem Erleben des religiösen Menschen dargestellt. An zehn
gelegt. Das Schlußkapitel gibt Hilfen, mit Konflikten umzugehen. Die ausgewählten Texten unseres Kulturbereiches kommt der Vf. im eingelungene
Verbindung von Erfahrungsbezug, Reflexion und Anlei- leitenden Teil (14-36) zu einer plausiblen Definition des Phänomens.
tung zur Praxis machen das Buch zu einer empfehlenswerten Hilfe für Für den Leser überraschend, weil unvermittelt, führt er dabei den
die Ausbildung und Weiterbildung aller kirchlichen Mitarbeiter. Der religionswissenschaftlich nicht unumstrittenen Begriff der „Macht"
dialogische Stil und die drucktechnische Hervorhebung der Kernsätze ein: „Seele ist diejenige Mächtigkeit, die dem Menschen (an sich und
sowie die geschickte graphische Gestaltung erhöhen die praktische an anderen) als Offenbarung physischen und hyperphysischen (kör-
Verwendbarkeit des Buches. perlichen, geistigen, nachtodlichen) Lebens widerfährt" (34f).

E w Seele ist für den religiösen Menschen ein Ereignis, ein Machterlebnis
. Er reagiert auf diese ihm widerfahrene Macht mit Furcht,
Schrecken und Staunen, aber auch mit Ergriffenheit und Liebe. Das,
«er. Ferdinand: Die Zukunft der Familie. Streitschrift für eine was als solche Macht in Erscheinung tritt, kann Gestalt und Körper-
Reform der Familienpolitik. München-Basel: Reinhardt 1986. ljcnkeit haben. Das homerische Epos, die llias, weiß darum: Achill

12 Ka8rt=DMUtSChC L'8a mr K'nd Famil'e °eSellSChaft' greift nach der Seele des Patroklos, er greift wie durch Rauch (15ff).

Das „ältere Helgilied" der Edda erzählt: Sigrun verbringt mit der

Der Arzt und Ökonom Oeter diagnostiziert in der BRD eine „Fron- Seele des toten Hel» im Grabhügel eine Liebesnacht (I8ff). Der Vf.

dienstpflicht" der Familien mit zwei und mehr Kindern zugunsten hebt m,t Recht hen,or< daß Körperlichkeit und Unkörperlichkeit

d« kinderlosen Ehepaare und Einkindfamilien. Das Steuer- und k«nc zuverlässigen Kntcnen sind, „um das, was wir .Körper* nennen.

Rentensystem benachteilige die Familien mit Kindern, die „ein über- von dem abzugrenzen, was man .Seele' heißt" (35). An Hand seiner

höhtes Lebensniveau der Kinderlosen finanzieren müssen". Oeter Definition des Phänomens findet der Vf. einen gangbaren Weg durch

schlägt einen Lastenausgleich durch eine kostenneutrale Steuerreform den Phänomenbestand verschiedener Kulturbere.che. Für seine Dar-

vor Fin o,.„ ■ u j c ■ u u ii j . u r.r u m -u Stellung gewinnbringend, beschränkt er sich auf die Seelenerlebnisse

UI-ein ausreichendes Erziehungsgeld soll den wirtschaftlichen Nahr- 66 6

boden der Familie sichern. Weitere Vorschläge betreffen ein familien- aus e,ner ^hnftlosen Kultur und Fünf Schnftkulturen. Als schnftlose

gerechtes Wohnungsbauprogramm, das zugleich Arbeitsplätze schaf- Kultur wählt der Vf d,e der U8ren' dle östlich des Ural an den Ufern

fen ls„„,„ rv . ^ c u a • ••■ i- u rj- des Ob siedeln. Sie sprechen dem Menschen mindestens vier Seelen

sonnte. Die sehr engagierte Schrift ist naturlich ganz auf die west- K

deuurVio c;.. .• u _ 17- tu i • j v-_. zu. Der Vf. beschreibt sie als ..Schattenseele", als „Exkursionsseele",

•-uiscne Situation bezogen. Für Theologie und Kirche ist wichtig, ' " '

daß moralische Voten Für die Familie ohne soziale Gerechtigkeit als als -Außenseele" und als „Ich- und Vitalseele" (43). Sorgfältig

"»wirksam erkannt werden und zugleich das ethische Problem eines wlrd dargestellt, warum die Ugren diese vier Formen des Erfahrens

egoistischen Anspruchdenkens im Blick ist. und Gebens von Seele unterscheiden. „Dem Menschen kann eben

vieles als Mächtigkeit physischen und hyperphysischen Lebens er-

EW- scheinen." (42)

Von schriftlich überlieferten Erlebnisformen werden dargestellt: die

Daih«, vir-, c u l ■ „ ,u i ii „Seelenvorstellungen bei den vorislamischen Iraniern" (44-59), die

■-""Der. Karl-Fntz: Suchen nach dem Sinn des Lebens. Zum Umgang mit v

Bünjerreligion und Volksreligiositä't <LM 25,1986.176-181). „Seelenvorstellungen bei den Griechen" (60-75), mit dem interessan-

falcke, Heino: Mit Gott Schritt halten. Biblische Aspekte des Prozesses ter> Exkurs „Seele und Gnosis" (70-75), die „Seelenvorstellungen bei

jenseitiger Verpflichtung (Bund) für Gerechtigkeit. Frieden und Bewahrung den Israeliten" (76-81), die „Seelenvorstellungen bei den Germanen"

derSchöpfung(JK47.1986,260-267). (82-92) und die „Seelenvorstellungen bei den Indern" (93-104). Mit

^ Henze. Ernst: Tagesordnungspunkt Gebet. Hannover: Lutherhaus Verlag dem Begriff Seelenvorstellungen wird der Vf. allerdings dem nicht

986.116 S. 8' = top, 8. Kart. DM 12,80. ganz gerecht, was er zuvor als Ereignis- und Erlebnischarakter des

Lehmann. Detlef: Distanzierte Kirchenzugehörigkeit - Problem und Heraus- Phänomens Seele herausgearbeitet hatte (35).

Gerung für Theologie und kirchliches Handeln (LuThK 10, .986,4.-61). Durch Vergleich verschiedener Seelenerlebnisse beschreibt der Vf.

•-indner. Herbert: Programme - Strategien - Visionen. Eine Analyse neuerer ., , . . „ .. . , „.., ,. _ .....

Gemeindeaufbaukonzepte(PTh 75.1986,210-229). " d,e auch sonst in der Religionswissenschaft (N. Soderblom, G. W.den-

Ohlemacher. Jörg: Zum Thema „Frömmigkeit" - Werden die Pietisten gren) übliche Trennung von Toten- oder Bildseele und Lebens- oder

evangelikal?(EvErz38 1986 324-339) Funktionsseele als die „Trennung von Exkursionsseele und (von)

Ragusc. Hanmut: Gedanken zur psychoanalytischen Deutung von bibli- Seelenkräften, die das physische und das psychische Leben des

Schen Texten (WzM 38.1986, 18-24). Menschen ausmachen" (60). Der Begriff „Exkursionsseele" (61, 81,

Stollberg, Dietrich: Vorbildlich und glaubwürdig? (DtPfrBl 86, 1986, 99 u. Ö.) bleibt unscharf. Klärend hätte ein Hinweis auf das XI. Kapi-

376-380). tel je,. Odyssee wirken können, wo erzählt wird, wie Odysseus in den

Hades hinabsteigt und dort mit den Seelen der Toten spricht.
Mit dem Begriff „Exkursionsseele" ist auch die indische Sicht des

Praktische Theologie: Seeisorge Phänomens der Seele nicht völlig zutreffend erfaßt. Der Vf. schreibt

über den ,atma': „Die Exkursionsseele, das Selbst des Verstorbenen,

II,, , ., „ , ... fährt zum Mond; denn der Mond gilt als allgemeiner Aufenthaltsort

^asenfratz. Hans-Peter: Die Seele. Einführung m ein religiöses ■ „ , ,

Grundphänomen (mit ausgewählten Texten). Zürich: Theolo- der Totenseelen, als Seelensitz" (99). Das heißt doch aber, ,atma',st

gischer Verlag 1986. 131 S. 8'. geb. sfr42.-. eine Rekursionsseele. Mit seiner Wahl des Begriffs „Exkursionsseele"

anstelle des Begriffs Toten- und Bildseele oder Rekursionsseele überwach
langer Zeit liegt mit diesem Buch wieder eine umfassende. sieht der Vf., daß der religiöse Mensch das eigentliche Seelenerlebnis
systematische Darstellung des religiösen Phänomens Seele vor. Der in der Begegnung mit dem Tod und den Toten und in der Hoffnung
^f- fragt nicht: „Was ist die Seele?" - so fragt der Philosoph. Der Vf. auf die Rückkehr an den Ort der eigentlichen Heimat, nämlich zu
fragt auch nicht: „Wie funktioniert Seele?" - sb fragt der Psychologe. Gott, suchte.

Vielmehr fragt der Religionsphänomenologe: „Wie erfährt man Seele, Am Schluß seiner Darstellung versucht der Vf.. die gesammelten

a's was manifestiert sich Seele?" (35) Aufzeichnungen zu systematisieren. Er stellt das Ergebnis unter die

Es geht in diesem Buch um die Definition und Umschreibung von Überschrift „Systematisierender Anhang" (105-111) und gibt damit