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Ausgabe:

1987

Spalte:

215-217

Kategorie:

Systematische Theologie: Dogmatik

Autor/Hrsg.:

Jennings, Theodore W.

Titel/Untertitel:

Beyond theism 1987

Rezensent:

Dalferth, Ingolf U.

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215

Theologische Literaturzeitung 112. Jahrgang 1987 Nr. 3

216

Systematische Theologie: Dogmatik

Jennings, Theodore W., Jr.: Beyond Theism. A Grammar of God-
Language. New York-Oxford: Oxford University Press 1985. XIV,
272 S. 8". geb. £ 28.-.

Auch im englischsprachigen Bereich mehren sich seit einiger Zeit
die Anzeichen dafür, daß sich die theologische Auseinandersetzung
mit der Gottesfrage von der traditionell engen Verbindung mit den seit
der Aufklärung dominierenden religionsphilosophischen Problemstellungen
des Theismus bzw. Atheismus zu emanzipieren beginnt.
Jennings' Buch belegt das exemplarisch, und man sollte es z. B. neben
der religionsphilosophischen Trilogie Richard Swinburnes (The
Coherence of Theism, Oxford 1977; The Existence of God, Oxford
1979; Faith and Reason, Oxford 1981) lesen, um das Ausmaß der
Neuorientierung zu begreifen. Zwar teilt Jennings die Sensibilität für
das Problemfeld der "god-language" mit den Ansätzen analytischer
Religionsphilosophie. Aber sein Thema ist die Möglichkeit und
Gestalt einer nachtheistischen Theologie, die ihr Reden von Gott
nicht von der Sinnhaftigkeit des im Theismus dominierenden Gottesgedankens
eines körperlosen, ewigen, freien, allmächtigen, allweisen,
allgütigen und in jeder Hinsicht vollkommenen personalen Wesens
abhängig macht, sondern das, was unter „Gott" zu verstehen ist, aus
der Analyse und Rekonstruktion faktischer christlicher Rede von
Gott zu gewinnen sucht. Das geschieht methodisch im Anschluß an
Ansätze der analytischen Religionsphilosophie, der hermeneutischen
Wort-Gottes-Theologie und im Rückgriff auf strukturalistisches bzw.
poststrukturalistisches Gedankengut, die in einer für die gegenwärtige
nordamerikanische Theologie zunehmend charakteristischen Weise
miteinander verknüpft werden.

Die Kernthesen seiner Überlegungen lassen sich in Grundzügen folgendermaßen
resümieren: Der Theismus, d. h. "the belief in the existence
of a supreme and beneficient Being" (19), hat sich in der Aufklärungsepoche
ausgebildet und ist zur bestimmenden Wertorientierung
bürgerlicher Mittelklassekultur geworden (22). Mit dieser hat
auch er heute weithin seine Plausibilität verloren und taugt nicht
mehr als Kontext zur Explikation des christlichen Gottesglaubens.
Will christliche Theologie durch den Zusammenbruch des Theismus
nicht länger in Mitleidenschaft gezogen werden, muß sie sich endlich
nachdrücklich von diesem emanzipieren. Sie kann es, wenn sie sich
auf die spezifische Erfahrungsbasis christlichen Redens von Gott besinnt
. Jennings bestimmt diese als eine radikale Unterbrechung
unseres immer schon sprachlich strukturierten Erfahrungszusammenhangs
, die ihrerseits sprachlich verarbeitet werden muß. Das geschieht
in einer Vielzahl verschiedenartiger Diskurse, die in den unterschiedlichsten
individuellen und sozialkulturellen Kontexten ausgebildet
werden, sich in mannigfacher Weise mit biblischen liturgischen und
doktrinalen Redeformen verbinden und so Grund der Vielfalt christlicher
Rede von Gott sind. Die Aufgabe des Theologen ist dementsprechend
, diese Diskurse zu unterscheiden, zu beschreiben und aufeinander
zu beziehen und eben so die Grammatik christlicher Rede
von Gott zu erarbeiten.

Jennings entfaltet seine Thesen in drei Schritten. In einem ersten
Teil (The Problem of God) (1-39) schildert er den Aufstieg und Fall
des Theismus. Seine Genese führt er auf die sich seit dem Mittelalter
anbahnende Auflösung christlicher Trinitätslehre in eine unitarische,
am Absolutheitsgedanken orientierte Gotteslehre zurück, die mit dem
sich ausbildenden "ethos of individualism and personalism" (24)
Hand in Hand ging. Sein Zusammenbruch wurde philosophischerseits
durch die Aufklärungskritik an den Gottesbeweisen und die Theodi-
zeeproblematik eingeleitet und theologischerseits durch die Erkenntnis
seiner Untauglichkeit zur begrifflich adäquaten Rekonstruktion
der figurativen Sprache des christlichen Glaubens. Mit dem Ende des
neuzeitlichen "age of man " und dessen Leitmotiv personaler Existenz
ist auch das Ende der Plausibilität des Theismus gekommen (25), auch
wenn das von den am Problembestand der Neuzeit orientierten Theologen
noch immer nicht begriffen wird. Doch die theologisch-drängende
Aufgabe besteht nicht darin, sich (wie es weithin geschieht) um
eine Rettung des Theismus zu bemühen und sich dem eigenartigen
Bemühen hinzugeben"to persuade people to be theists or 'religious'
as a precondition for Christian faith" (33). Es geht vielmehr um die
Suche nach posttheistischen Alternativen, die eine bessere begriffliche
Explikation des christlichen Glaubens ermöglichen. Denn: "Neither
theism nor religion any longer characterizes the Situation within
which faith must articulate itself" (34).

Eine solche Alternative sucht Jennings im zweiten Teil (God and
the Linguisticality of Experience) (41-136) durch eine Untersuchung
des Zusammenhangs von Sprache und Erfahrung zu entwickeln. In
kreativer Fortführung sprachphänomenologischer Beobachtungen
einerseits und - vor allem in Anschluß an Ebeling - fundamentaltheologischer
Einsichten über den Zusammenhang von Gott und
Wort andererseits wird zunächst die durchgängige Sprachlichkeit
unserer Erfahrung dargelegt und gezeigt, wie die Rede von Gott ihren
Ort in der kreativen Unterbrechung unseres immer schon in bestimmter
Weise sprachlich präformierten Erfahrungszusammenhanges hat:
"god-talk signals the interruption of a wordlike-event within the
structure of language" (53). Der ursprüngliche Gebrauch von ,Gott'
ist für Jennings daher der "'expletive' use", d. h. "the use of'god' to
express the rupture of language" (60). Davon abgeleitet ist der prädikative
Gebrauch von ,Gott der "the quality, the how, of the word-
event" festhält, ohne wie der (für den Theismus typische) nominative
Gebrauch von ,Gott' das objektivierend benennen zu wollen, was
.hinter' dem Unterbrechungsereignis steht (61). Von diesem exple-
tiven und prädikativen, das Ereignis der Unterbrechung unseres
Erfahrungszusammenhangs signalisierenden Gebrauch des Wortes
,Gott' hat nachtheistische Theologie auszugehen. Wie das geschehen
kann, demonstriert Jennings, indem er in drei Erfahrungsbereichen
(The Ontological Region: 75-89; The Aesthetic Region: 90-102;
The Historical Region: 103-121) die Dialektik von Unterbrechung
vorgegebener Erfahrungsstrukturen und Verarbeitung dieser Unterbrechung
durch den Aufbau neuer Erfahrungsstrukturen nachzeichnet
, um so die spezifische Verankerung der Rede von Gott in diesen
Erfahrungsbereichen aufzuweisen.

Von der so erarbeiteten Erfahrungsgrundlage christlicher Rede von
Gott her wird deren Grammatik im dritten Teil (Theology as Grammar
) (137-229) exemplarisch in drei Redebereichen detaillierter
rekonstruiert. In einem ersten Schritt wird der "Explicative and
Meta-Explicative Discourse" des für die natürliche Theologie charakteristischen
Gebrauchs von ,Gott' in erklärenden Redezusammenhängen
untersucht (146-161). In einem zweiten der"Kerygmatic Discourse
" des Gebrauchs von ,Gott' in verkündigender Rede (162-185).
Und in einem dritten der "Doxological Discourse" des Gebrauchs
von ,Gott' in Gebet, Lob und Preis (186-208). Dabei werden sowohl
biblische als auch theologische, dogmatische und kirchliche Redezusammenhänge
analysiert und in ihrem sprachlogischen Zusammenhang
systematisch so bedacht, daß deutlich wird, welche "struc-
tures produce (.. .) the genres of narrative, apocalypse, command
(law), creed, proclamation, hymn, and liturgy" (208). Insgesamt entsteht
so ein differenziertes Bild der Mannigfaltigkeit christlicher Rede
von Gott, die nicht auf einen eindimensionalen Gottesbegriff reduziert
werden kann, sondern sich nur in der Korrelation verschiedener
Redebereiche und Verwendungsweisen von ,Gott' strukturell nachzeichnen
und so in ihrem komplexen und vielseitigen Erfahrungsbezug
plausibel machen läßt. Christliche Rede von Gott - das ist die
Botschaft dieses Buches - gewinnt ihre Plausibilität und Überzeugungskraft
nicht durch die Hilfskonstruktionen einer überholten thei-
stischen Metaphysik, sondern nur im Rahmen der "actual practice of
the Community and the 'self-understanding' of that Community"
(258). Dort hat sie sich zu bewähren, und von dort her ist sie auch
theologisch zu entfalten. Das hat Konsequenzen für eine Vielzahl
theologischer Probleme wie z. B. die Frage der Apologetik, der natürlichen
Theologie und ihres Verhältnisses zur kerygmatischen Theolo-