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Ausgabe:

1987

Spalte:

204-206

Kategorie:

Dogmen- und Theologiegeschichte

Autor/Hrsg.:

Fransen, Piet F.

Titel/Untertitel:

Hermeneutics of the Councils and other studies 1987

Rezensent:

Winkelmann, Friedhelm

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Theologische Literaturzeitung 112. Jahrgang 1987 Nr. 3

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der berechtigten methodischen Mahnung, vom Widerstand lasse sich
kein rechtes Bild gewinnen, wenn man nicht ständig die Herrschaftstechnik
des Regimes in Betracht zieht. Mit seinen Bemerkungen gegen
die Einschätzung der „meisten Bewohner der von Hitler-Deutschland
besetzten Länder als Widerständler" (41) weist van Roon auf einen
Problemkreis hin, der die komparatistische Widerstandsforschung
noch vor weitere Aufgaben stellen dürfte.

Die zweite Abteilung „Der deutsche Widerstand und seine Bedeutung
für den Einzelnen. Urteile von Zeitzeugen" ist einstigen Widerständlern
und deren Angehörigen vorbehalten. In aller Regel knapp
formuliert, sind die hier abgedruckten Beiträge u. a. von Emmi
Bonhoeffer, Franz-Josef Müller, Isa Vermehren in ihrer
lebensgeschichtlichen Authentizität eine eindrucksvolle Lektüre.
Pfarrer Karl Steinbauer (geb. 1906), ein vehementer Streiter gegen
NS-Verunglimpfungen des Christentums und gegen kirchlichen Arisierungsdruck
, der deswegen mehrfach in Haft genommen wurde und
im KZ Sachsenhausen interniert war, verbindet die Schilderung seiner
Widerstandserfahrungen in den Jahren 1933-1938 mit der Einschärfung
von Acta 5,29 an die kommende Generation (84).

Unter der Überschrift „Der deutsche Widerstand und seine Bedeutung
für den Glauben. Urteile von Theologen" steht in der dritten
Abteilung die Auseinandersetzung mit dem kirchengeschichtlichen
und theologischen Grunddatum Barmen im Vordergrund (Joachim
Mehlhausen, Trutz Rendtorff, Walter Kreck, Eberhard
Bethge). Außerdem tragen der katholische Theologe Dietmar M i e t h
und Marie Veit Überlegungen zu Widerstand oder Tapferkeit für den
Frieden bzw. zu Widerstand und Selbstfindung unter Einbeziehung
religiöser Erziehungsleistungen vor. Ob Karl-Egon Lonne, Professor
für Neueste Geschichte in Düsseldorf, der Motive des katholischen
Widerstandes gegen das Dritte Reich analysiert, sich unter der Überschrift
„Urteile von Theologen" subsumiert weiß, bleibe dahingestellt
. Ohne qualitative Bewertungsakzente setzen zu wollen, sei auf
zwei Beiträge dieser Abteilung besonders aufmerksam gemacht.
Eberhard Bethge entwickelt in seinem Vortrag „Barmen und die
Juden - eine nicht geschriebene These?" kritisch-zupackende Gedanken
über Antisemitismus bis tief in die Reihen der Barmer Synodalen.
Bethge konstatiert „fehlende Barrieren" im Banner Bekenntnis gegen
die Judenpolitik des NS-Regimes auf dem Hintergrund eines zu
„lange beibehaltenen Zugleich von solus Christus und Antisemitismus
(theologischem Antijudaismus und auch politischem Antisemitismus
)" (155). Bethges Beobachtungen können als kirchlich-theologisches
Seitenstück zu dem Aufsatz von Christoph Dipper: Der
deutsche Widerstand und die Juden. In: Geschichte und Gesellschaft
9, 1983, 349-380; gekürzt in Jürgen Schmädicke/Peter Steinbach
(Hg.): Der Widerstand gegen den Nationalsozialismus. München-
Zürich 1985, 598 ff gelesen werden. Barmen ist für Bethge in die
„Schuldanalyse einzubeziehen" (160). Gleichzeitig sei mit hermeneu-
tisch vertieftem Blick zu erkennen, daß, ex post geurteilt, der Antisemitismus
in den Barmer Sätzen keinen Platz haben könne und auch
der theologische Antijudaismus in ihnen keinen Raum finde (153). In
Einsicht dieses Sachverhalts möchte Bethge Barmen unter heutigen
Erfordernissen des Verhältnisses von Christen und Juden fortgeschrieben
wissen.

Trutz Rendtorff weist in seinem Beitrag „Christen im Widerstand
- einst und heute. Eine politische Ortsbestimmung des Protestantismus
aus Anlaß des Gedenkens an Barmen 1934" latente und
faktische Perspektivverschiebungen beim Widerstand gegen das NS-
Regime und bei gegenwärtiger Verantwortung für das Gemeinwesen
zurück. „Das Thema ,Widerstand einst und heute' stößt darum heute,
im Blick auf die staatlich-politischen Voraussetzungen und strukturellen
Bedingungen ins Leere" (115). Unter der Voraussetzung der
substantiellen Relation von Rechtsstaat und Demokratie dechiffriert
Rendtorff die Lehren aus Barmen und dem Kirchenkampf als Aufruf
zur Stärkung demokratischer Grundloyalität, weil die sozialen und
politischen Probleme der Gegenwart (Friede, Umwelt, Arbeit, Gerechtigkeit
- 130) produktiv-kritische Formen des Zusammenwirkens

erheischen. Weitergehende Beachtung verdienen Rendtorffs Sätze zur
politischen Orientierung und Standortfindung des Protestantismus im
modernen Gemeinwesen (1270-

So different die Betrachtungen und Urteile des Bandes sind, so
unterschiedlich sind auch literarisches Genus und Reflexionsniveau
der Beiträge. Ein Teil von ihnen ist schon anderweitig gedruckt.

Leipzig Kurt Nowak

Sandstede-Auzelle, Marie-Corentine, u. Gerd Sandstede: Clemens
August Graf von Galen. Bischof von Münster im Dritten Reich.
Münster/W.: Aschendorff 1986. XI, 207 S., 1 Porträt, 12 Abb. auf 3
Taf. 8'. Lw. DM 24,80.

Die Vfn., eine Französin von Geburt, hat das hier angezeigte Buch
als Examensarbeit an der Pariser Universität vorgelegt. Um eine Anwesenheitspflicht
an der Universität in Paris für die Dauer der Arbeit
zu umgehen - und um die Möglichkeit eines Stipendiums durch den
Deutschen Akademischen Austauschdienst zu bekommen -, mußte
sie ein Thema wählen, das sinnvoll nur in Deutschland bearbeitet
werden konnte. Der Bekanntheitsgrad des Bischofs von Münster auch
in Frankreich, das Fehlen von eigenständigen französischen Veröffentlichungen
über den Grafen von Galen und der Wohnort in
erreichbarer Entfernung von Münster waren daher die Hauptüberlegungen
zur Wahl des Themas: „Die Rolle des Bischofs von Münster,
Clemens August Graf von Galen, bei dem Widerstand der katholischen
Kirche im dritten Reich."

Aus der anfänglichen Mithilfe ihres Mannes wurde nach Feststellung
der Vfn. eine gleichwertige und gleichberechtigte Mitarbeit.
Zu bemerken ist, daß die Arbeit erst 15 Jahre nach Beginn der Studie
vorgelegt wird.

Das Buch umfaßt 207 Seiten, davon wird der Text in 10 Kapiteln
auf 101 Seiten geboten, die Seiten 103-131 füllen die 398 Anmerkungen
und die Seiten 133-207 enthalten eine Dokumentation, im Buch
als Anhang bezeichnet (Kundgebungen der deutschen Bischöfe,
Hirtenbrief, Denkschrift und die drei Predigten des Münsteraner
Bischofs vom Juli/August 1941 und ein Interview des Bischofs von
Münster mit einer Schweizer Zeitung). Man vermißt ein Quellen- und
Literaturverzeichnis. Die als Quellen benutzte Literatur muß sich der
Leser aus dem Anmerkungsteil, hier als Quellenverzeichnis markiert,
mühsam heraussuchen. Die Vff. benutzen nur das in gedruckten
Quellen enthaltene Material. So bietet die Arbeit nichts Neues zum
Thema, das anderweitig nicht hinlänglich bekannt wäre. Kurzum, die
Arbeit bietet das bekannte Material nach bestimmten Gesichtspunkten
geordnet (z. B. Stellungnahme zu Hitlers Außenpolitik, Aussagen
zum Krieg, Antisemitismus und Judenverfolgung) dar.

Erfurt Franz Peter Sonntag

Dogmen- und Theologiegeschichte

Fransen, Piet F.: Hermeneutics of the Councils and other Studies.

Collected by H. H. Mertens and F. de Graeve. Leuven: University
Press; Leuven: Peeters 1985. 543 S., 1 Taf. gr. 8° = Bibliotheca
Ephemeridum Theologicarum Lovaniensium, LXIX. Kart, bfr
1 800.-.

Auf einige große Themenkreise waren die Forschungen Pater Piet
Fransens SJ, des 1983 verstorbenen Theologieprofessors an der
Katholischen Universität Löwen, ausgerichtet: Ekklesiologie; Hermeneutik
von Konzilsentscheidungen; Sakramentslehre; Theologie
der Gnade; mystische Theologie, im Gefolge von Jan van Ruysbrock,
dem niederländischen Doctor ecstaticus des 14. Jh. 18 Beiträge, die in
den Jahren 1950 bis 1979 verfaßt wurden, werden in dem vorliegenden
Band wieder abgedruckt. Durch ihre Zusammenfassung erhält
man ein recht geschlossenes und eindrucksvolles Bild der theologischen
Leistung F.s.