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Ausgabe:

1987

Spalte:

197-199

Kategorie:

Kirchengeschichte: Reformationszeit

Autor/Hrsg.:

Augustijn, Cornelis

Titel/Untertitel:

Erasmus von Rotterdam 1987

Rezensent:

Delius, Hans-Ulrich

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Theologische Literaturzeitung 112. Jahrgang 1987 Nr. 3

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kehrendes Problem. Die Beziehungen zu den Herrschern - den will I. die neuesten Forschungsergebnisse in den verschiedenen

f'ppiniden, den französischen und deutschen Königen - haben Ent- Sprachgebieten aufeinander abstimmen, da diese Integration der

sprechungen auch bei anderen Klostergeschichten. Insofern sind die modernen Forschung bisher nicht möglich war. Dabei soll 2. E. als

vorliegenden Untersuchungen für die Geschichte des Mittelalters eigenständige Persönlichkeit gelten und nicht erneut an Luther

allgemein von Bedeutung. gemessen werden. E. war, als Luther zum erstenmal auftrat, bereits

Rostock Gert Haendler Über 50 ■'anre a,t " was oft übersehen wird. Folglich legt 3. A. das

Hauptaugenmerk seiner Darstellung auf die Zeit von 1500 bis 1520.

Knm.i n ... , „ ... „ ... .„„„____„ . .. Das führt dazu, daß 4. besonderes Schwergewicht auf die Eigenheit

tngelmann, Ursmar Hg. : Basilius Steidle 1903-1982. Beiträge zum . c . ■ „ . „ „ r. 6 .. . .. ..

alten Mönchtum und zur Benediktusregel. Mit einem Vorwort und deS E' U"d ^ Be,trag ZUr KultUr' auf b'Ograph.sche Einzelheiten

einer Einführung hg. Sigmaringen: Thorbecke 1986. 313 S., 1 Färb- dagegen weniger Wert gelegt w,rd (S' 11 *>• Dlese neuart'ge Konzep-

'af. gr.8'. Lw. DM 94-. t'on bringt es mit sich, daß keine Auseinandersetzung, etwa mit

Huizinga, der E. einen „Meister des Vorbehaltes" genannt hat, geführt

L>er 1903 geborene Basilius Steidle wurde 1923 Mönch in der wird. Auch die letzten Veröffentlichungen - z. B. Robert Stupperich-

trzabtei Beuron, promovierte 1929 in Rom und begann 1931 seine werden kaum beachtet. Diese Darstellungen sind jedoch durch A.

Lehrtätigkeit an der Theologischen Hochschule Beuron. 1937 er- nicht überholt.

schien ein Handbuch in lateinischer Sprache, 1939 gekürzt in A. schreibt einen klaren, eindrucksvollen Stil, so daß das Buch in
Deutscher Sprache: „Die Kirchenväter, ihr Leben und Werk". Nach seiner Kürze erfreulich zu lesen ist. Beeindruckend ist die Sachkennt-
aem Krieg erarbeitete er den Kommentar „Die Regel St. Benedikts, nis des Autors, dem man anmerkt, daß er die Werke des E. wirklich
eingeleitet, übersetzt und aus dem alten Mönchtum erklärt". Er kennt. A. versucht dabei, sich in die Situation eines Lesers im 16. Jh.
betont die Beziehungen zum Neuen Testament und zur Urkirche, ins- zu versetzen, die Schriften jeweils mit dessen Augen zu interpretieren,
besondere zur Urgemeinde in Jerusalem. „Mit dieser Einsicht warder Besonders ausführlich werden das .Enchiridion', das ,Lob der Torromische
Akzent im Regelverständnis abgelöst und eine sachlich heiv< die ,Colloquia' dargestellt. Der Auseinandersetzung mit Luther
gemäße Interpretation bevorzugt." (Engelmann, S. 12). 1980 erschien über die Willensfreiheit ist ein eigenes Kapitel gewidmet, wobei A. die
j-Oie Benediktusregel, lateinisch und deutsch" in 4. Aufl., das kleinere quellenreiche Neuausgabe der Lutherschrift im 3. Band der Lutheruch
„Die Regel des hl. Benedikt" erhielt sogar 12 Auflagen. Bei Studienausgabe entgangen ist. Diese Endabrechnung zwischen Luther
seinem Tode 1982 hinterließ Steidle mehr als 60 Aufsätze in Zeit- und E riihrte nicht zu einem Bruch zwischen Humanismus und
schnften, von denen 17 ausgewählt und unverändert nachgedruckt Reformation, was schon Bernhard Lohse 1981 festgestellt hat. Seit
werden. 10 Aufsätze stammen aus der Benediktinischen Monats- |519 wird der Lebenslauf des E. zunehmend von Luther bestimmt
schnft, die anderen Zeitschriften werden genannt. (S. 117). Die Bibelhumanisten standen zuerst auf Luthers Seite,
Es sind 8 Beiträge zum alten Mönchtum: Die Tränen, ein mystisches andererseits bestand die erste Generation der führenden Theologen
roblem im alten Mönchtum (1938); Das Lachen im alten Mönchtum (1938); der Reformatjon zum größten Tei, aus Bibelhumanisten, die in
«uer Zweite" im Pachomiuskloster. Zum Verständnis des 65. Kapitels der . ., . ,, _. c , , . , _ - „
Regelt u ji. u _ . . , 11 ■ 11 i », Luthers Theologie eine Vertiefung der Ideenwelt des E. fanden; Ge-

t8ei it. Benedikts (1948); „Homo Dei Antonius . Zum Bild des „Mannes , , ' ., ,. , .

Gottes" ;„ u »«■• u. j a i ,„„, ... . .. danken, die ihnen - natur ich zu Unrecht - auch bei E. latent

^■oues im alten Mönchtum (Studia Anselmiana 1956); „Wer euch hört, hört

mich". Die Einsetzung des Abts im alten Mönchtum (1964); Die Armut in der vorhanden zu sein schienen. Sicher wurde dann auch Luthers

frühen Kirche und im alten Mönchtum (1965); Der „Obern-Spiegel" im Theologie oberflächlicher verstanden, als sie es war.

•.Testament" des Abtes Horsiesi (t nach 387) (1967); Der heilige Abt Theodor War nun E. „ein großer Verstand, aber kein Charakter" (so Ulrich

von Tabennessi. Zur 1600. Wiederkehr des Todesjahres (368-1968) (Erbe und von Hutten), ist E. die „vollendete Undeutlichkeit" (so Joseph Lortz)?

Auftrag 1968). - Es folgen 9 Beiträge zur Benediktusregel: Abba Vater! Zur Ein zutreffendes Porträt zu zeichnen wird auch A. nach der Skizzie-

Abtsidee der Regel St. Benedikts (1934); Abbas/Tyrannus. Zur Abtsidee der ^„g der ejnzeinen Züge schwer, hängt doch dies mit dem Charakter

Kegel St. Benedikts (1948); Dominici schola servitii. Zum Verständnis des des E zusammen jSejne Schriften lassen sich unterschiedlich inter-

rologes der Regel St. Benedikts (1952); „De conversatione morum suorum". ■ , ... . . B1 j. — •. j _ • .

7„„ , ., . pretieren, und das ist typisch für die Zeit des Uberganges, in der er

philologischen Verständnis von Regula S. Benedicti, Cap. 58,17 (Studia ,, . . „ ., TT

And™ ^ .. • it. „ j-, o r, ' ebte. Die Divergenz in der Beurteilung gab es zu seinen Lebzeiten, sie

anselmiana 1959); Der „gute Eifer" in der Regel St. Benedikts(196l); St. Bene- 6 66

dikts Kritik am zeitgenössischen Mönchtum (Liturgie und Mönchtum 1968); existlert noch heute- Zwar nehmen in der modernen Forschung kon-

D« Abt und der Rat der Brüder. Zu Kapitel 3 der Regel St. Benedikts (Erbe und fessionelle und apologetische Motive einen geringeren Raum ein als

Auftrag 1976); Der Rat der Brüder nach den ältesten Regula-Benedicti- früher, was jedoch nicht bedeutet, daß nun vollkommene Klarheit

Kommentaren des Abtes Smaragdus (t um 826) und des Magisters Hildemar herrscht." (S. 163) A. meint, daß man E. nur dann gerecht werden

(tum 850) (Erbe und Auftrag 1977); Per oboedientiae laborem - per kann, wenn man ihn vor dem Hintergrund der mittelalterlichen

'noboedientiae desidiam. Zu Prolog 2 der Regel St. Benedikts (Erbe und Auftrag Theologie und Frömmigkeit sieht, sich aber gleichzeitig bewußt wird,

und 1978). daß er sjcn davon distanziert und auf die alte Kirche zurückgegriffen

G. H. hat. A. will damit seine Auffassung ausdrücklich von der der letzten
zwanzig Jahre absetzen, in der man E. so sehr in die Theologie des
Mittelalters eingefügt hat, daß kaum noch etwas originelles übriggeblieben
ist. Andererseits „hüte man sich aber auch vor einer Darstellung
, in der er in jeder Hinsicht als origineller Theologe erscheint"

... (S. 167). A. kommt bei der Einschätzung des Erasmianismus zu einer

ugustijn, Cornelius: Erasmus von Rotterdam. Leben - Werk - n . .. , , ,. f, ^ .... .

vi,-, . ' ,, „ .,. _ w.. , „ , negativen Beurteilung, waren doch die Ideen des E. nicht stark genug;

Wirkung. Aus dem Holl, ubers. von M. E. Baumer. München: Beck .... , ' ... • , ,

1986 201 S 8' Lw DM 48 - Frontbildung des 16. Jh. konnten sie nicht - mit der Ausnahme

Englands unter Heinrich VIII. - überstehen. Die Ideen des E. konnten

Für lange Zeit war das Bild des großen Philologen und Humanisten „eher als Korrektiv denn als Alternative" (S. 175) dienen. Zu seiner

Erasmus [E.] negativ geprägt durch seine Gratwanderung zwischen Zeit entschlossen und recht kompromißlos in seiner Kritik an der

den konfessionellen Parteien - keine der beiden Fronten konnte und Verweltlichung der Kirche oder auch in seiner Kritik am Mönchtum,

Sollte ihn als einen der Ihren reklamieren. dem E. vorwarf, Dummheit und Frömmigkeit miteinander zu ver-

Der Amsterdamer Kirchenhistoriker Augustijn [A.] versucht nun wechseln, hat A. diese und andere Aspekte klar herausgearbeitet, dem

ln seiner E.-Biographie, die eigentlich vielmehr eine Darstellung des genuin politischen Aspekt bei E. aber einen recht geringen Raum ein-

^erkes und gelegentlich auch der Wirkungsgeschichte des E. ist, mit geräumt. Der bedingungslose Pazifismus des E., wie er etwa in den

einem Vier-Punkte-Programm ausgefahrene Wege zu verlassen. Er .Querela Pacic' zum Ausdruck kommt, wird nur angedeutet; die Ver-

Kirchengeschichte: Reformationszeit