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Ausgabe:

1987

Spalte:

187-188

Kategorie:

Neues Testament

Autor/Hrsg.:

Broer, Ingo

Titel/Untertitel:

Die Seligpreisungen der Bergpredigt 1987

Rezensent:

Strecker, Georg

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Seite 1

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187

Theologische Literaturzeitung 112. Jahrgang 1987 Nr. 3

188

betont wird. Ähnlich der Untersuchung von R. Riesner, Jesus als Lehrer
. Eine Untersuchung zum Ursprung der Evangelien-Überlieferung,
Tübingen 21984 und dem von P. Stuhlmacher herausgegebenen
Symposiumsband „Das Evangelium und die Evangelien", Tübingen
1984 werden auch durch diese Studie die formalen Bedingungen des
neutestamentlichen Traditionsprozesses besser durchleuchtet.

Stuttgart Paul-Gerhard Müller

Broer, Ingo: Die Seligpreisungen der Bergpredigt. Studien zu ihrer
Überlieferung und Interpretation. Königstein-Bonn: Hanstein
1986. 110S.gr. 8* = Bonner biblische Beiträge,61. geb. DM 38,-.

Seinen Arbeiten über Probleme der Bergpredigt-Auslegung läßt der
Vf. nunmehr eine Untersuchung folgen, in der versucht wird, „eine
kleine Schneise in das Dickicht der Auslegung der Bergpredigt und
speziell der Seligpreisungen zu schlagen" (S. 12). Dabei ist der Besprechung
der Sekundärliteratur ein weiter Raum eingeräumt - ein zweifellos
hilfreicher Beitrag, auch wenn einige wichtige neuere Analysen
vom Vf. übersehen worden sind.

Nach einer knappen Darstellung der „Lage der neutestamentlichen
Exegese in der Gegenwart" wird im ersten Kapitel die „Überlieferungsform
der Seligpreisungen und Weherufe in der vorlukanischen
und vormatthäiscnen Tradition" untersucht. Dem Ergebnis des Vf.
läßt sich nur zustimmen: Sowohl die zweite Person (Lk) als auch die
dritte Person (Mt) sind vorsynoptisch (S. 38). Dabei mag dahingestellt
bleiben, ob sich dies auch für die „meisten Differenzen zwischen Bergpredigt
und Feldrede" verifizieren läßt. Zu widersprechen ist der weiteren
These: „Lk dürfte ... eine wesentlich weiter entwickelte Tradition
als Mt vorgefunden haben", die sich zwar auf die vorlukanischen
Weherufe berufen kann, aber das Problem der vormatthäischen
Makarismenüberlieferung(QMt) unberücksichtigt läßt (ebd.).

Das zweite Kapitel behandelt „Formgeschichtliches zu den
Seligpreisungen". Der Vf. vergleicht die neutestamentlichen mit den
alttestamentlichen Makarismen und untersucht besonders das Verhältnis
von Seligpreisungen und Konditionalsätzen. Dies in der
Absicht, die paränetische Ausrichtung zugunsten eines „Zuspruchscharakters
der Seligpreisungen" einzugrenzen. Doch mag man zweifeln
, ob die Argumentation die ihr unterstellte Beweiskraft tragen
kann. Die alttestamentlichen Texte, die das „Überwiegen des Zuspruchscharakters
" verdeutlichen sollen (Ps94,12; 146,5; IReg 10,8)
haben einen weisheitlich-hymnischen Hintergrund und schließen
eine paränetische Intention nicht aus. Ein Rückgriff auf griechische
und hellenistische Makarismenüberlieferung hätte das angeführte
Material bereichem und das Ergebnis relativieren können. So ist der
abschließenden Folgerung zu widersprechen, wonach durch das vorangestellte
„selig" gesichert sei, daß „der Zuspruchscharakter das Primäre
" ist (S. 52). So wenig ,„selig' als semantisches Nullum anzusehen
" ist (ebd.), so sehr ist doch seine semasiologische Funktion nur
aus dem unmittelbaren Kontext zu erheben. Die Bergpredigt enthält
nicht nur im Verheißungswort eine Ausrichtung auf die Zukunft, die
einer präsentischen und unethischen Interpretation der Makarismen
entgegensteht. Diese Ausrichtung wird durch die speziell ethischen
Makarismen 5,7-9 unterstrichen, auf die der Vf. in diesem Zusammenhang
nicht eingegangen ist.

Im dritten Kapitel handelt der Vf. „zum Problem der matthäischen
Sondergut-Makarismen". Dabei werden die Schwierigkeiten, zwischen
Tradition und Redaktion zu scheiden, durchsichtig. Der Vf.
vertritt die These, daß „das Gesamt der Sondergut-Makarismen"
nicht ein- und demselben Autor (= Matthäus) zugeschrieben werden
kann, sondern daß sich die Alternative stellt, ob der erste Evangelist
5,4f (7) oder 5,8f (10) verfaßt hat. Jedoch sind die auf der Grundlage
von sprachlichen Kriterien zu ziehenden Schlüsse zugunsten von
matthäischer Redaktionsarbeit nicht gleichwertig. Nicht gesehen ist
das Problem der Dreizahl als eines die matthäische Überlieferung prägenden
Faktors. Von hier aus hätte sich auch für den Vf. nahelegen

können, daß V. 7-9 eine vormatthäische Einheit, dagegen V. 10 eine
redaktionelle Vorwegnahme und Interpretation von V. 11 f darstellt
(zu S. 620.

Sind die eben genannten Seligpreisungen nicht Gegenstand der
Untersuchung, so verdient der Vf. doch Zustimmung, wenn er im
vierten Kapitel die Skepsis gegen eine zu enge Beziehung der Makarismen
auf Jes 61 bestätigt und vertieft. Er kommt zu dem erwägenswerten
Ergebnis: „Eine Beeinflussung oder Anlehnung der gesamten
Makarismenreihe bei Mt an Jes 61 ist somit zu vermeiden, der Einfluß
von Jes 61 beschränkt sich auf Mt 5,4" (S. 67). - Wenn der Vf. das
abschließende fünfte Kapitel unter die Überschrift stellt „Voraussetzungen
für eine Interpretation der Seligpreisungen" und Mt 5,3-6 in
der Absicht diskutiert herauszuarbeiten, „daß der Makarismus primär
indikativen Charakter trägt" (S. 98), so scheitert die hier ausgesprochene
Intention nicht nur daran, daß die ethische Ausrichtung
der Makarismenreihe V. 7-9 übersehen und die heuristische Funktion
des Kontextes vernachlässigt worden ist (wie schon gesagt wurde),
sondern auch an der Leugnung der ethisierenden Tendenz in der
matthäischen Redaktion der Makarismen insgesamt.

Dennoch soll die Kritik nicht das letzte Wort behalten. Dieses Buch
bietet einen instruktiven Einblick in die historisch-kritische Exegese
der Makarismen der Bergpredigt und ihre Ergebnisse. Der Vf. führt
eingehend vor Augen, daß und wie dieser Text in der evangelischen
und katholischen Auslegung mit zunehmendem Engagement analysiert
wird und daß die Gegensätze in der theologischen Interpretation
nicht konfessionell zu fixieren sind, sondern quer durch die Kirchen
hindurchgehen.

Göttingen Georg Strecker

Dupont, Jacques: Les trois apocalypses synoptiques. Marc 13;
Matthieu 24-25; Luc 21. Paris: Cerf 1985. 153 S. 8° = Lectio
Divina, 121. Kart. ffr96.-.

Im Jahre 1985 erschienen zwei Festschriften (eine in Paris und eine
in Brescia) zum 70. Geburtstag des weltbekannten Neutestamentiers
J. Dupont. Darüber hinaus wurden eine Reihe seiner Studien zur Apg
(als Lect. Div. 118) und zu den synoptischen Evangelien (als Bibl.
Eph. Theol. Lovan. 70) gesammelt herausgegeben. Der Autor veröffentlichte
im selben Jahr diese übersichtliche Arbeit über die drei
synoptischen Apokalypsen. Es ist die schriftliche Ausarbeitung seiner
1983-1984 in Ottawa gehaltenen Vorlesungen, gleichzeitig aber auch
die allgemeinverständliche Zusammenfassung von über viele Jahre
hin angestellten Detailuntersuchungen, die bereits in Artikeln oder in
Buchform erschienen sind. Die vorliegende Arbeit ist in bescheidener
Form dargeboten: Sie ist nicht lang, hat keine Anmerkungen und
keine Register. In drei etwa gleich langen Kapiteln behandelt D. nacheinander
Mk 13, Mt 24-25 und Lk 21 und analysiert die Texte Peri-
kope für Perikope in jeweils (zufälligerweise?) sieben Unterabschnitten
. Am Ende eines jeden Kapitels findet sich eine ausführliche, übersichtlich
dargebotene bibliographische Anmerkung (auf S. 47 entfiel
in der ersten Anm. aufgrund eines Druckfehlers der Hinweis auf R.
Pesch, Naherwartungen; die kürzlich erschienene Untersuchung E.
Brandenburger, Markus 13 und die Apokalyptik, FRLANT 134,
Göttingen 1984, ist noch nicht mit einbegriffen).

Dieses kleine Buch ist meisterhaft geschrieben. Die Untersuchung
zeichnet sich durch ihren klaren (französischen) Stil aus. Der Leser
findet hier eine kurze, methodisch verantwortete (Zweiquellentheorie
!) und inhaltsreiche Auslegung dieser schwierigen Texte. Die Textinterpretation
wird nicht durch Diskussionen mit anderen Exegeten
erschwert, obwohl z.B. hinsichtlich Mt 25,31-46 („alle Völker",
„Brüder") oder Lk 21,24 („die Zeit der Heiden") die einander entgegenstehenden
Positionen in ausgewogener Weise präsentiert und
kritisch befragt werden. D.s Interesse richtet sich fast ausschließlich
auf die redaktionelle Eigenart einer jeden Apokalypse; ihre Darstellung
ist u. E. wirklich gelungen.