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1987

Kategorie:

Bibelwissenschaft

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Theologische Literaturzeitung 112. Jahrgang 1987 Nr. 3

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der „Aufsicht Rufins" spricht, unter der dieser Bibeltext entstanden ist? Der
S. 153 f durchgeführte Vergleich mit Chromatius rechtfertigt diese Meinung
kaum; vor allem sprechen mir die in diesem Kapitel zur Charakterisierung des
Bibeltextes sorgfaltig vorgetragenen Erwägungen nicht dafür. Wenn ich so den
persönlichen Anteil Rufins praktisch ausschließe, ziehe ich auch die im 6. Kapitel
mehrfach erwähnte Anerkennung Rufins einer übernommenen lateinischen
Bibeltradition hinzu (etwa „nostra consuetudo" S. 2101'; in nostris codici-
bus hoc est in scripturis dh'inis" S. 226): ein deutlicher (und durchaus nicht auf
Rufin beschränkter) Protest gegen Hieronymus, dessen so oft angeführte Bemerkung
über seine Schonung der latina consueludo in seiner Evangelienrevision
mir in diesem Licht und bei seiner eigenen Praxis immer mehr als eine lästige
Pflichtübung erscheint. Es entsteht allerdings die grundsätzliche (und für mich
ungelöste) Frage, wie es zu verstehen ist, daß die Geschichte der altlateinischen
Bibel ohne jeden Zweifel durch Korrekturen nach dem Griechischen geprägt ist
(der von Rufin verwendete Text ist selbst ein Beispiel), die Lateiner aber oft so
vehement den Vorrang „ihrer" Tradition gegen griechische Texte verteidigen
.

Zu Recht werden auch die Ambrosiasterhandschriften A (Amiens 87;
8./9. Jh.) und W (Wien 743; Ende des 8. Jh.), die H. J. Vogels im Zuge seiner
Ambrosiasterstudien bekannt gemacht hatte, herangezogen: Der Text ihrer
gemeinsamen Vorlage „war mit dem Paulustext Rufins" eng verwandt, aber
doch „nicht voll identisch" (S. 467). A und W werden im 8. Kapitel eingehend
besprochen, ihre Lesarten im 2. Apparat des 10. Kapitels gebucht;
dabei wird nicht nur die Verbindung mit Rufins Text, sondern auch zur Ambrosiaster
-Überlieferung und zur Vulgata berücksichtigt. Wenn ich es nicht übersehen
habe, müßte das Verhältnis zu AW auch für die im 5. Kapitel gebrachte
interessante These (S. 187) von Belang sein. Rufin habe anfangs noch nicht auf
einen lateinischen Paulustext zurückgegriffen; oder ist das Material für diesen
Teil zu schmal?

Im 9. Kapitel werden nicht nur Rufins Zitate zu Rom außerhalb des Kommentars
aufgelistet - schon dies ist eine wertvolle Gabe -, sondern die Abweichungen
dieser Anführungen von Rufins Römerbrief-Text verzeichnet, so daß
ein eindrucksvolles und differenziertes Bild vom Römerbrief bei Rufin gewonnen
wird.

Die weitgreifende Ausführlichkeit, auf die schon mehrfach hingewiesen
wurde, kennzeichnet auch die Erörterungen über die Stellung,
die Rufins Paulustext innerhalb der lateinischen Bibel einnimmt. Das
Bestreben, die bisher von H. J. Frede in der Vetus Latina edierten
Paulusbriefe Eph - Phlm (Hebr) (Vetus Latina 24/1; 24/2; 25 mit
mehr als 1 900 großformatigen Seiten), vor allem aber dessen wegweisende
Untersuchungen zum Corpus Paulinum (Aus der Geschichte
der lateinischen Bibel 3; 4; 7-8; dazu die Einteilungen in den Textausgaben
) sich anzueignen und die Arbeit in diesen Rahmen zu stellen
, verdient gerade bei dem bescheidenen Verweis (S. 16) auf dieses
Ziel alle Anerkennung und sollte durchaus ein Vorbild sein, daß an
dieser Grundlagenforschung zur lateinischen Bibel nicht länger vorbeigegangen
wird. Besonders auf die Beziehungen zu der von Frede
entdeckten und erforschten Handschrift Budapest 1 (Vetus Latina: 89;
um oder kurz vor 800) wird regelmäßig hingewiesen. Daß Frau
Bammel zuweilen einem Mißverständnis erlegen ist (oder sich mißverständlich
ausdrückt?), kann ihr Verdienst nicht schmälern: Wer
selbst auf diesem Gebiet arbeitet, muß und wird unmittelbar auf die
genau zitierten Arbeiten von Frede zurückgehen. Daß man im
Römerbrief noch weiterkommen wird, wenn dafür die Vetus Latina
Edition vorliegt, ist selbstverständlich, aber gerade dafür bedarf es der
hier gebotenen Klärung der Rufin-Fragen.

Es ist wohl mehr eine persönliche Verschiedenheit, wenn ich meine, daß
bei der Erörterung der Textbeziehungen manchmal zuviel „erklärt" wird. - Das
völlig richtige Prinzip, daß neue Lesarten im wesentlichen durch Kollation mit
anderen Handschriften gewonnen werden, scheint mir in der Vorliebe der Vfn.
überzogen zu sein, Varianten so oft unmittelbar auf falsch eingetragene oder
falsch verstandene Korrekturen zurückzuführen. - Daß bei Rom-Stellen, die
aus dem AT stammen, die altlateinische Formulierung der Quelle für Textänderungen
in Rom maßgeblich gewesen sei (z. B. S. 162; 267; 309; 472f), halte
ich für nicht bewiesen. - Unbedingt wären bei der bevorstehenden Textedition
Vulgataverweise von der Oxforder Ausgabe auf die Stuttgarter kritische Ausgabe
umzustellen.

Den größten Umfang nimmt die „Besprechung der einzelnen
Verse" ein (im 7. Kapitel S. 280-448). Hier ist ein wahrer Thesaurus
gegeben, auf den man immer wieder gern zurückgreifen wird. Da dieses
Urteil auch für das Gesamtwerk gilt, kann diese Besprechung, in
der hoffentlich auch zum Ausdruck gekommen ist, wieviel weiterführende
Anregungen ich empfangen habe, nur mit einem Dank an
die Vfn. schließen, und schon vorweggenommen sei der Dank für die
kritische Edition des Gesamttextes, die wir aus ihrer Hand erwarten
.

Beuron Walter Thiele

Aland. Barbara: Entstehung, Charakter und Herkunft des sog. westlichen
Texten - untersucht an der Apostelgeschichte (EThL 62, 1986,5-65).

Korenhof-Scharffenorlh. Miekc, in Zusammenarb. mit K. Mahn u. E.
Rcichle [Hg.]: „Aus dem Brunnen schöpfen . ..". Geschichten aus der hebräischen
Bibel und dem Neuen Testament. Von Frauen erzählt und ausgelegt.
Isolde Böhm, Erika Reichle, Friederike Rupprccht. Mieke Korenhof-Scharffen-
orth, Jutta-Ute Schwarz. Neukirchcn-Vluyn: Ncukirchener Verlag 1986.
120S.8-.DM 19,80

Kraft. Robert A , and Emanuel Tov: Computer assisted Tools for Septuagint
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Tov. Atlanta, GA: Scholars Press 1986. VII, 325 S. 8" = SBL. Septuagint and
Cognate Studies Series, 20.

Pöhlmann, Horst Georg: Bibel lesen ist ein Wagnis. Die Schrift als Norm
unseres Glaubens (EK 19. 1986,573-577).

Sorokin, Wladimir: Der slawische Text des Neuen Testaments und seine Bedeutung
(SOrth 1986,8,40-45).

Altes Testament

Wallace. Howard N.: The Eden Narrative. Atlanta, GA: Scholars
Press 1985. XI, 215 S. 8' = Harvard Semitic Museum. Harvard
Semitic Monographs, 32. Lw. $ 16.95

Die Ausführungen setzen mit einem knappen forschungsgeschichtlichen
Überblick seit Gunkel ein. Es werden dabei die Ansichten hinsichtlich
kleiner Einheiten, Orientierung an Volksüberlieferung, literarischer
Aufgliederung und strukturaler Exegese kritisch angefragt
und dagegengehalten, die Phase der mündlichen Tradierung und die
in ihr erfolgte Ausformung des Erzählstoffes, speziell die Wirkung,
welche die mündlichen Vorgänger der biblischen Erzählungen auf die
vorliegende schriftliche Form hatten, seien neu zu bedenken. Es geht
dem Autor also um die methodischen Voraussetzungen in der Penta-
teuchforschung, die er nicht auf Gen 2f beschränkt wissen will, daran
aber exemplarisch behandelt. Er weiß sich F. M. Cross verpflichtet,
der die Arbeit anregte und ihr Entstehen begleitete.

W. weist die Auffassung zurück, Gen 2f sei aus mehreren schriftlichen
Quellen aufgebaut. Brüche ließen nicht auf ursprünglich voneinander
unabhängige Elemente schließen. Unstimmigkeiten und
mangelnder logischer Zusammenhang im Verlauf der Erzählung seien
vielmehr durch die im mündlichen Stadium erfolgte Komposition
zustande gekommen. In ständig erneutem Vortrag seien Veränderungen
vor sich gegangen und unterschiedliche Gestaltungen des gleichen
Motivs bzw. Themas zusammengewachsen. Nach Cross nimmt W.
einen über Gen 2f hinausgreifenden epischen Zyklus an.

Einzelne Beobachtungen legten die Vermutung nahe, die Vorgänger
der schriftlichen Erzählung von J mögen poetische Form gehabt
haben. Die Kompositionstechniken der Oralphase beeinflußten offenbar
J, da er schrieb, als die Schreibkunst in Israel auf literarische
Werke angewandt zu werden begann. Gleichwohl seien der Übergang
zur Verschriftung und die Beziehung zwischen der schriftlichen
Quelle und ihrer mündlichen Vorgänger nicht exakt bestimmbar. W.
setzt sie allerdings in der Mitte des 10. Jh. v. Chr. an.

J hat nach Meinung des Vf. eine Menge traditioneller Elemente
aufgenommen, und er verwendet viel Eifer darauf, das altorientalische
(z. T. auch antike) Vergleichsmaterial zu diskutieren. Die frühen Berichte
über die Anfänge Israels hätten in Kontinuität mit den alten
Mustern der kanaanäischen (und anderer altorientalischer) Mythen
gestanden. So zeige etwa die Verwandtschaft der Patriarchencrzäh-