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Ausgabe:

1986

Spalte:

155-158

Kategorie:

Interkulturelle Theologie, Missionswissenschaft

Titel/Untertitel:

Christliche Verkündigung im Dienste kirchlicher Entfaltung (ab 1920) 1986

Rezensent:

Krügel, Siegfried

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Theologische Literaturzeitung III. Jahrgang 1986 Nr. 2

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Walter Schöpsdau, theologischer Referent im Konfessionskund-
lichen Institut des Evangelischen Bundes in Bensheim, hat das Handbuch
mit souveräner Stoflbeherrschung, aus evangelischer Sicht und
in ökumenischer Haltung geschrieben. Er versteht es gleichermaßen,
den theologischen Grundfragen zum Verständnis der Ehe, den diffizilen
und subtilen kirchenrechtlichen Bestimmungen der katholischen
Kirche, sowie den seelsorgerlichen Aspekten gerecht zu werden
.

Im ersten Teil (9ff) werden das katholische und das evangelische
Eheverständnis einander gegenübergestellt, wobei - wie in den
anderen beiden Teilen - auch die orthodoxe Kirche berücksichtigt
wird. Gemeinsame Basis beider Konfessionen ist das personale Verständnis
der Ehe, das die institutionellen Aspekte integriert (13,
21,240- Ein Hauptunterschied liegt in der Frage nach der Sakramen-
talität der Ehe. Nach katholischer Lehre ist die gültig geschlossene
Ehe zweier Getaufter ein Sakrament. Dadurch wird freilich diese Ehe
an die Kirche und ihre Jurisdiktion gebunden. Wie Schöpsdau
feststellt, ist diese „Sakralisierung und Verkirchlichung der Ehe" (28)
erst nach dem Tridentinum vollends erfolgt (vgl. 15f, 60). Davon hebt
sich das evangelische Verständnis ab, das die Ehe im Rahmen der
„Schöpfungsordnung" sieht (28). Ein weiterer Unterschied liegt in der
katholischen Verrechtlichung der Ehe (vgl. 26f, 30f, 33, 380, die sich
besonders im Dispenswesen wie in den Ehenichtigkeitsverfahren geltend
macht. Schöpsdau zeigt dabei auch die Lücken und Unklarheiten
im katholischen System: Begründet allein der Konsens der
Eheleute oder auch die kirchliche Mitwirkung beim Konsens die Ehe?
(150- Ist die Ehe „Bund" oder „Vertrag"? (21 f, 26)

Im zweiten Teil (42fi) speziell geht es um die konfessionsverschiedene
Ehe. Die hier von der katholischen Seite kommenden kirchenrechtlichen
Schwierigkeiten sieht Schöpsdau vor allem in der Lehre
vom Ehesakrament und deren rechtlichen und pastoralen Konsequenzen
begründet, also im Anspruch der Kirche auf die Jurisdiktionsgewalt
über die Ehe (43). Deutlich wird aber auch die im Vergleich
zu früher recht pastorale, offene, ökumenische Einstellung der
katholischen Kirche (43-45, 52). Vielleicht hätte Schöpsdau - zur
Argumentationshilfe für die Betroffenen! - noch deutlicher unterstreichen
können, daß das Versprechen des katholischen Partners beim
Brautexamen, „nach Kräften alles zu tun, daß alle seine Kinder in der
katholischen Kirche getauft und erzogen werden", durchaus keine
Zusicherung bedeutet (vgl. 45, 53, 56-58, 73).

Im dritten Teil (89fß werden die einschlägigen kirchlichen Verlautbarungen
von 1970 bis 1983 abgedruckt, z. B. CIC can. 1124-1129.
Schöpsdau informiert präzise und schreibt fair. Ihm geht es um die
betroffenen Menschen. Die Seelsorge soll „die konfessionsverschiedene
Ehe weder als Anomalie beklagen noch schwärmerisch als vorweggenommene
Einheit der Kirchen feiern" (69). Die Kirchen wollen
ja, falls sie dem Evangelium treu sind, „nicht Menschen vereinnahmen
, sondern ihnen zu einem gelingenden Leben helfen"! (87)

Stuttgart Andreas Rössler

Ökumenik: Missionswissenschaft

Hertlein, Siegfried: Wege christlicher Verkündigung. Eine pastoralgeschichtliche
Untersuchung aus dem Bereich der katholischen
Kirche Tansanias. 2. Teil: Christliche Verkündigung im Dienste
kirchlicher Entfaltung (ab 1920). 1. u. 2. Halbbd. Münsterschwarzach
: Vier-Türme-Verlag 1983. XXIII, 267 S. u. VII, 287 S. 8" =
Münsterschwarzacher Studien, 28/1 u. II. Kart. DM 96,-.

Die Besprechung des ersten Teils (ThLZ 1979, 104, 775fT) schloß
mit dem Satz: „Man kann nur hoffen, daß der inzwischen zum Abt
von Ndanda (Tansania) gewählte Verfasser neben seinen neuen Amtspflichten
Zeit findet, den II. Teil des Werkes .. . bald folgen zu
lassen." Es kann nicht verwundern, daß immerhin sieben Jahre verstrichen
, bis dieser Wunsch in Erfüllung ging, denn der zweite Teil,
doppelt so umfangreich wie der erste, beruht wiederum auf gründlichen
Quellenstudien. Auch er beeindruckt durch die Art, wie der
Stoff gesichtet, geordnet und historisch wie gedanklich fortschreitend
zur Darstellung gebracht wird.

Dieser zweite Teil (Halbbd. I u. II) ist in 3 Abschnitte und 15 Kapitel
gegliedert.

Im ersten Abschnitt („Missionare .pflanzen' die römische Kirche")
lauten die Kapitelüberschriften: 1. Die beherrschende Stellung der
Schule, 2. Der soziale Einsatz der Mission, 3. Vom Missionspionier
zum Pfarrverwalter, 4. Allmähliche Verlagerung der Werte, 5. Der
getaufte Christ im Zentrum, 6. Neubesinnung und Neubeginn in
Liturgie und Katechese.

Der zweite Abschnitt hat das Thema „Missionare .afrikanisieren'
die Kirche" und umfaßt die Kapitel 7 bis 12: 7. Das „Ja" der Kirche
zum neuen Staat, 8. Innerkirchlichc Neubesinnung im Vorfeld des
II. Vatikanums, 9. Der Aufbruch des Zweiten Vatikanums, 10. Der
Zugang zum Wort der Heiligen Schrift, 1 1. Eine neue Liturgie für das
Volk, 12. SSY (Seminar Study Year) - die Kirche auf dem Prüfstand
.

Der dritte Abschnitt schließlich beschreibt den entscheidenden
Schritt in die Gegenwart: „Die afrikanische Kirche erwacht". Dies
wird in 3 Kapiteln entfaltet: 13. Ujamaa-Sozialismus - eine Herausforderung
an die Kirche, 14. Kirchliche Führung im Übergang,
15. Die kirchliche Verantwortung der Laien.

Vf. verweist einleitend darauf, daß in jenem Zeitraum, der im ersten
Teil des Werkes dargestellt wurde, „Rom, die Missionszentrale der
katholischen Kirche, .. . sehr wenig in Erscheinung trat. . . Man
konnte in Ruhe und guten Gewissens seine eigenen Wege gehen"
(1/1).

Seit dem Ende des ersten Weltkrieges änderte sich das. „1919
schrieb Benedikt XV. seine Enzyklika Maximum II lud, die .Magna
Charta' der katholischen Missionshewegung; 1926 folgte Rerum
Ecclesiae, in der Pius XL daraus die praktischen Konsequenzen
zog .. . Pius XII. gab nicht weniger als fünf Rundschreiben heraus, die
unmittelbar Missionsfragen betreffen, und auch Johannes XXIII. veröffentlichte
kurz nach seinem Amtsantritt mit Princeps Pastorum ein
bedeutendes Missionsdokument. Auf dem Zweiten Vatikanischen
Konzil bildete sodann die Weltmission ein Zentralthema" (ebd.).

Seit den zwanziger Jahren wurde den .jungen Kirchen in den
Missionsländern . .. ein Recht auf eigene kulturelle Werte, eigene
liturgische Formen, den Gebrauch der Muttersprache und auch auf
eigene Weisen der Verkündigung" zuerkannt (1/2). „Das Zweite
Vatikanische Konzil hat" dann einen weiteren „entscheidenden
Schritt nach vorne getan" (1/3): Den „Teilkirchen und den ihnen
vorstehenden Bischöfen bzw. Bischofskonferenzen wird ausdrücklich
bestätigt, daß sie nicht als Vikare des Papstes, sondern in unmittelbarer
Abhängigkeit von Christus als dem obersten Hirten ihre Ortskirchen
leiten und führen. Sie selbst tragen unmittelbar Verantwortung
als volle gleichwertige Glieder in der einen universalen katholischen
Kirche" (ebd.).

Die damit erfolgte katholische Wegweisung ist so bedeutsam, daß
sie weit stärker als bisher auch in der evangelisch-ökumenischen
Diskussion beachtet werden sollte.

Das erste Kapitel schildert den von der katholischen Mission mit
großer Zähigkeit geführten Kampf um die Schule. Erst 1925 bequemten
sich die englischen Kolonialbehörden auf diesem Gebiet zur
„Cooperation" (1/9), bestanden aber.darauf, daß „für die Mittel- und
Sekundärschulen Englisch" die Unterrichtssprache zu sein halle
(1/1 I). Selbstverständlich stand diese Forderung im Dienst der britischen
Kolonialkonzeption der „indirect rule" (vgl. 1/10, Anm. 17). So
wenig dies heute noch diskutabel ist, so befremdlich ist andererseits
die Äußerung eines katholischen Missionssekretärs aus dem Jahr
1930: „In einem gewissen Sinne muß die Schule uns den christlichen
Staat ersetzen" (1/15). Auch Vf. selbst erweckt in diesem Punkt mit
seiner Bejahung der „Devise ,Wer die Schule hat, der hat die Zu-