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Ausgabe:

1986

Spalte:

154-155

Kategorie:

Ökumenik, Konfessionskunde

Titel/Untertitel:

Konfessionsverschiedene Ehe 1986

Rezensent:

Rößler, Andreas

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Theologische Literaturzeitung III. Jahrgang 1986 Nr. 2

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Daß manche Erklärungsmuster und forschungsleitende Paradigmen
auch historische Erkenntnis „kanalisieren" und sogar beeinträchtigen
können, sei abschließend an einem Konstrukt einer „theo-
logisierten Psychologie" deutlich gemacht, näherhin am Beispiel des
historisch unhaltbaren Bildes, das E. H. Erikson von Luthers Vater
gezeichnet hat: „Hans Luther trägt bei Erikson alle Züge eines ideologischen
Konstrukts" (so Joachim Scharfenberg). Dennoch kommt dieses
Bild von Luthers Vater in nicht wenigen Fällen in theologie- und
pädagogikgeschichtlichen Untersuchungen vor! Hier sei noch einmal
auf die bereits erwähnte Arbeit von Erhard Wiersing (27-54) zurückgekommen
. Um die Lücke in dem auch für einen Erziehungshisto-
nker wichtigen Zeitraum von früher Kindheit und Jugend Luthers zu
schließen, bedient sich Wiersing des genannten Eriksonschen Konstrukts
der strengen Erziehung Luthers durch seinen Vater (vgl. 40ff).
Interessant ist Wicrsings Begründung für diesen Schritt in die Spckula-
hon: „Wie will man sonst das aus dem Rahmen fallende, anstößige
Verhalten Luthers erklären? Wie kommt es, daß ,normalc' Lebensvoraussetzungen
in seinem Leben mehrfach eine unvorhergesehene
Wendung nehmen" (41)? Dagegen sei z. B. Jürgen Redhardt (Religion
heute 2/April 1983, 51) zitiert: „Daß eine permanent konfliktträchtige
Vater-Sohn-Beziehung für den Reformator von konstitutiver
Bedeutung war, bleibt. . . eine schale spekulative Vermutung
. . . E. H. Eriksons unbesorgter, hemdsärmeliger Umgang mit
den Quellen . . ., mit denen er seine These vom schwerwiegenden
Vaterkonflikt Luthers abstützt", hat die Fachwelt wohl mit Recht in
Erstaunen versetzt.

Problematisch dürfte auch Manfred Wichelhaus' Beitrag „Luther
und seine Väter und die Erziehung zum Gehorsam" (247-264) sein,
soweit er versucht, solche psychoanalytischen Annahmen zu entschränken
und sie in eine politische Verfallsgeschichte zu überführen.
Wenn auch mit Vorbehalten kommt Luther hier in den Ruf, der Ahnherr
deutschen Gehorsamsglaubcns zu sein: „Die evangelischen Lan-
desväter blieben bis 1918 auch die obersten Bischöfe ihrer Landeskirchen
und bewahrten Luthers Kleinem Katechismus den Rangeines
Lernstoffes. Darum haben viele evangelische Deutsche die Gehorsamsforderung
verinnerlicht. Viele sind darauf jederzeit ansprechbar"
1263). Der Verdacht, daß psychoanalytische Interpretationen historischer
Personen grundsätzlich nicht ohne Willkür zum Ziel kommen,
'st m. E. nicht auszuräumen.

Kurz: Das vorliegende Buch ist ein wichtiger und verdienstvoller
Beitrag zum Lutherjahr und - darüber hinaus - zur Erziehungsge-
schichtc überhaupt.

Darmstadt Karl Dienst

Bode, Jörg, Flemmig, Weert, u. Hans Bernhard Kaufmann: Konfir-
mandenzeit von 11 bis 15? Praxisberichte - Modelle - Perspektiven.
Im Auftrag des Comenius-Instituts Münster, des Evangelischen
Zentrums Rissen, Hamburg, und des Vereins KU-Praxis, Berlin,
hrsg. Gütersloh: Gütersloher Verlagshaus Gerd Mohn 1985. 144 S.
8" = Gemeindepädagogik. Arbeitshilfen, Materialien, Studien, 1.
Kart. DM 9,80.

In diesem Bande werden Praxisberichte zur Konfirmandenarbeit
vorgelegt, die Versuche in bundesdeutschen Gemeinden aus den letzten
beiden Jahrzehnten dokumentieren. Dabei sind vor allem zwei
Aspekte wesentlich: einmal die Ausweitung der Konfirmandenzeit
nach vorne, in das Alter von 10 bis 1 1 Jahren hinein, und zum anderen
die Beteiligung von Eltern und jugendlichen Mitarbeitern in der
Konfirmandenarbcit. Teil I berichtet unter dem Schwerpunkt Elternbeteiligung
. Hier wird das Modell der Gemeinde Hoya, einer Kleinstadt
an der Weser, dargestellt. Die Konfirmandenzeit ist dreifach
strukturiert. Die Kinder werden zunächst ab dem 4. Schuljahr von
Gemeindcglicdern, nicht dem Pfarrer, in kleinen Gruppen unterrichtet
. Es folgt eine Zeit freiwilliger Angebote für die Konfirmanden. Im
8. Schuljahr findet der KU in Form von intensiven Konfirmandennachmittagen
statt. Aus dem katholischen Bereich wird ebenfalls über
die Firmkatechese in kleinen Gruppen durch Laienkatecheten berichtet
. Teil II bringt Beispiele mit dem Schwerpunkt Kurse mit Konfirmanden
. Aus der Gemeinde Lüneburg-Kaltenmoor wird z. B. berichtet
, daß die Konfirmandenzeit ebenfalls mit 10 Jahren beginnt. Die
Unterrichtsstunden werden auf 5 Kurse im Zeitraum des 5. bis
8. Schuljahres verteilt. Jugendliche Mitarbeiter aus der Gemeinde
sind hier an der Konfirmandenarbeit aktiv beteiligt. In Teil III wird
über Kinderkreise unter dem Aspekt von Kontinuität und Verläßlichkeit
berichtet. Damit geht es um die Bedeutung gleichbleibender
Bezugspersonen. In Teil IV wird die Konfirmandenarbeit unter dem
Aspekt der lebensgeschichtlichen und der gemeindepädagogischen
Dimension reflektiert.

Die vorgestellten Modelle sind sicher nicht auf jede Gemeindesituation
übertragbar. Hier gelten Charisma des Pfarrers sowie die Bereitschaft
zur Mitarbeit in den einzelnen Gemeinden als entscheidende
Voraussetzungen. Aber: die Veröffentlichung dokumentiert
den Paradigmenwechsel in der Religionspädagogik: das Lernen
in Gemeinschaft, das Lernen zwischen den Generationen erweist sich
als ein ganz wesentliches Element christlicher Erziehung. In diesem
Sinne zeigt der Band konkrete Möglichkeiten auf, wie die Lernprozesse
in der Gemeinde sinnvoll strukturiert werden können, wie der
Konfirmandenunterricht weiter entwickelt und altersgemäß differenziert
werden kann und wie Eltern und Jugendliche dabei sinnvoll mitarbeiten
können.

Wiirzburg Gottfried Adam

Ökumenik: Allgemeines

Schöpsdau, Walter: Konfessionsverschiedene Ehe. Ein Handbuch.
Kommentar und Dokumente zu Seelsorge, Theologie und Recht
der Kirchen. Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht 1984. 192 S. 8°
= Bensheimer Hefte, 61.

Die konfessionsverschiedene Ehe und Familie bildet das heikelste
ökumenische Problem, weil es dort, wo die Kirchentrennung durch
die eigene Familie geht, kein Ausweichen in schöne Floskeln geben
kann. Die Kirchen werden hier auf ihre ökumenische Glaubwürdigkeit
getestet. Seit dem 2. Vatikanischen Konzil hat sich das Verhältnis
der Konfessionen entscheidend verbessert. Für die konfessionsverschiedenen
Ehen brachte das päpstliche Motu proprio
„Matrimonia mixta" vom 31. März 1970 mit seiner vorsichtigen
Liberalisierung der katholischen Vorschriften einen Fortschritt.

1971 informierte Reinhard Frieling im Bensheimer Heft 41 unter
dem Titel „.Mischehe' - aber wie?" über die damalige Situation.
Durch den am I. Advent 1983 in Kraft getretenen neuen CIC (Codex
Iuris Canonici) hat sich katholischerseits nichts wesentlich Neues für
die konfessionsverschiedenen Ehen ergeben. Die Bestimmungen von
„Matrimonia mixta" wurden festgeschrieben. Trotzdem ist es sinnvoll
, daß im Bensheimer Heft 61 der gegenwärtige Stand beschrieben
wird: Atmosphärisch hat sich seit 1971 manches geändert, der
CIC 1983 hat rechtlich verbindlich formuliert, im Dokumententeil
waren neue kirchenamtliche Verlautbarungen hinzuzufügen.

Da im Verhältnis der Konfessionen vieles im Fluß ist, kann auch
das 1984 erschienene Handbuch in manchen Partien nur eine
Momentaufnahme sein, die sich zudem auf die - freilich exemplarische
- Situation in der Bundesrepublik Deutschland konzentriert
(die kirchenamtlichen Texte im Dokumententeil stammen meist aus
dem Bereich der EKD und der Deutschen Bischofskonferenz). Die
Ausführungsbestimmungen der Deutschen Bischofskonferenz zu can.
1 126 des CIC 1983 lassen noch auf sich warten, werden also in einer
späteren Auflage des Handbuchs nachzutragen sein. Beim Problem
der konfessionsverschiedenen Ehen kirchlicher Mitarbeiter (46-49)
werden alle Kirchen noch manches zu klären haben.