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Ausgabe:

1986

Spalte:

149-151

Kategorie:

Praktische Theologie

Autor/Hrsg.:

Rothermundt, Jörg

Titel/Untertitel:

Der Heilige Geist und die Rhetorik 1986

Rezensent:

Althausen, Johannes

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Theologische Literaturzeitung III. Jahrgang 1986 Nr. 2

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lungstheorie, insgesamt aber vor allem mit empirischer Sozialwissenschaft
. So durchzieht unterirdisch eine Frage das ganze Kompendium
-1.5.2. wird sie auch ausdrücklich einmal zum Thema gemacht -:
wieweit die „Interdisziplinarität" für die homiletische Theorie und
vor allem Praxis eigentlich fruchtbar ist. Zwar teilt Dannowski das
einprägsame Bild von Johannes H. van de Veen mit: beim Dialog mit
den anderen Wissenschaften, die in ständiger Veränderung sind, gehe
es der Praktischen Theologie wie einem Tänzer, der seinen Partner
zum Ball aus einer Wohnung abholen will, aus der dieser längst ausgezogen
ist. Aber das ändert nichts an der spürbaren Faszination Dan-
nowskis durch die Fülle und Buntheit der Aspekte, die sich aus den
verschiedenen Kombinationen so vieler Disziplinen ergeben wie in
einem variationsreichen homiletischen Kaleidoskop. Für die Sache
verspricht er sich offenbar vor allem einen Gewinn von den empirischen
Methoden, weil zuletzt die Frage nach dem Hörer den Charakter
der Homiletik bestimmt. So fallt auf, wie ausführlich er über die
contentanalytische Untersuchung einer Hannoverschen Arbeitsgruppe
berichtet, während er sonst Autoren und Positionen nur durch
kurze Stich worte charakterisiert. Dabei weiß er selber, daß solch eine
Analyse lediglich die Momentaufnahme in einem Prozeß sein kann.
Hier zeigt sich mir am deutlichsten, daß heute auch ein Kompendium
- sofern jetzt überhaupt die Zeit zum Kompendienschreiben ist - nur
eine Momentaufnahme sein kann.

Ich gestehe, daß ich dies Buch mit abnehmendem Interesse gelesen
habe. Das liegt gewiß nicht an Hans Werner Dannowski, der sich in
verdienstvoller Weise der Sisyphusarbeit unterzogen hat, uns einen
Überblick zu verschaffen. Es liegt an dem, was wir da erblicken. Ich
furchte, das Ganze ist eher entmutigend für die, für die es geschrieben
wurde. Für Menschen, die heute und morgen zu predigen haben, Stußenten
. Vikare, Pastorinnen und Pfarrer. Werden sie sich nicht fragen:
Muß ich das etwa alles wissen oder gar berücksichtigen und beherzigen
, ehe ich eine Predigt ausarbeiten und halten kann? Ich denke, wir
müssen der Annahme entgegenarbeiten, man könne durch die Beachtung
einer immer größeren Zahl von Methoden, objektiven Beobachtungen
und erhebbaren Faktoren zu einer immer besseren und im
Katastrophenfall überhaupt zu einer Predigt kommen. Vielleicht ist
es Zeit, unsre Predigtlehre wieder auf jene wenigen Elemente zu reduzieren
oder zu konzentrieren, die wirklich dazu helfen, soviel Textverständnis
, Wirklichkeitsnähe und Sprachphantasie zu gewinnen, daß
dadurch die konkrete Predigt für den nächsten Sonntag in Gang gesetzt
und verantwortet werden kann. Für mich ist darum der wichtigste
Gewinn dieses Kompendiums, daß man ihm und seiner Vorstellung
so vieler Namen und Bücher entnehmen kann, was alles man
m'cht oder nicht mehr zu lesen braucht, weil es für die Predigt von
heute und morgen bei genauerem Zusehen doch sehr viel weniger austrägt
, als die Verfasser vorher gehofft hatten.

Jena Klaus-Petcr Hertzsch

Rothermundt, Jörg: Der Heilige Geist und die Rhetorik. Theologische
Grundlinien einer empirischen Homiletik. Gütersloh: Gütersloher
Verlagshaus Gerd Mohn 1984. 159 S. 8 Kart. DM 29,80.

Der Versuch Rothermundts, die Homiletik in allen ihren Fragestellungen
pneumatologisch zu begründen, überzeugt nicht nur wegen
seiner umfassenden Kenntnis der einschlägigen Diskussionen und wegen
seiner sehr gut lesbaren konkreten Sprache. Man hat auch den
Eindruck, daß er aus der Praxis erwachsen ist, einer eigenen langjährigen
Predigttätigkeit und dem Unterricht in der Vikarsausbildung.
Mitunter will es scheinen, als stünden sogar eigene Erfahrungen mit
der charismatischen Bewegung dahinter. Erfahrungen, die gewiß bei
diesem Thema sehr helfen. (Vgl. S. 88ff; I43ff; 152) Nachdem in den
letzten Jahrzehnten vor allem die hermeneutisch-homiletischen Fragen
behandelt worden sind, das Wortgeschehen und der Weg vom
Text zum Hörer, richtet der Vf. nun sein Augenmerk vor allem aufdic

Rede, den Hörer, die Situation und ihr Verhältnis zueinander. Im
Unterschied zu denen, die die Empirie bisher nur oder vorwiegend nur
kommunikationstheoretisch, psychologisch, sozialpsychologisch
oder unter anderen humanwissenschaftlichen Aspekten untersucht
haben, möchte er theologisch fragen. „Wenn Hörer und Situation für
die Predigt so eminent wichtig sind, daß von Inhalt und Ziel der Predigt
überhaupt nicht ohne sie geredet werden kann, dann darf das
nicht nur rhetorisch, sondern muß auch theologisch begründet werden
." (S. 35) Die Rhetorik, die für die Homiletik der wichtigste
humanwissenschaftliche Partner ist, soll damit nicht abgewertet werden
. Im Gegenteil: Die Kritik an Rudolf Bohrens Predigtlehre, mit der
sich Vf. angesichts der weithin marktbeherrschenden Rolle dieser
Homiletik im Ausbildungswesen besonders auseinandersetzt, richtet
sich gerade gegen die Abwertung der Empirie und der Kommunikationsforschung
durch Bohren. Vf. weiß, daß Rhetorik mit anderen
Wissenschaftsbereichen eng zusammengehört. Theologische Begründung
der empirischen Homiletik im Sinne des Vf.s wäre aber auch
nicht gut beraten, wollte sie sich darauf beschränken, die vorlaufende
Wirksamkeit des Geistes oder den geistlichen Mehrwert zu konstatieren
, durch die sich eine Predigt von einer Re.de unterscheidet.

„Das Wirken des Heiligen Geistes ist in engster Beziehung zu Christus
zu sehen." (S. 51) Es setzt die Christen mit Christus in Verbindung
. Doch ist das Heil auch extra nos in Christus allein ganz vollbracht
. Singularität und Universalität Christi, „die sich beide aus dem
,solus Christus' ergeben", müssen gleichzeitig ausgesagt werden. Das
ist nur möglich, wenn die Strukturunterschiede zwischen Christologie
und Pneumatologie beachtet werden. „Es ist derselbe Gott, der in
Christus und im Geist am Werk ist, aber er wirkt auf verschiedene
Weise. Dem Werk Gottes in Christus eignet Singularität und Partiku-
larität, dem Wirken Gottes durch den Geist Pluralität und Universalität
." (S. 52) Die trinitarische Begründung der Geistwirksamkeit, die
Vf. gibt, ermöglicht eine große Freiheit und eine klare Bindung an das
Wort Christi bei der Behandlung der konkreten Fragen der Homiletik.
Die vielfaltigen Weisen der Geistgegenwart in den Gaben rückt Prediger
, Situation und Hörer nebeneinander. Sie sind ebenso beteiligt an
dem Geschehen des Geistes in der Verkündigung wie das Wort, das zu
predigen ist. Auf dieser Basis läßt sich eine eigene theologische Begründung
für die empirische Homiletik geben.

Vielfalt darf freilich nicht so verstanden werden, als sei alles möglich
und alles erlaubt. Doch ist es unsachgemäß, die Wirksamkeit des
Geistes nur auf der Seite des Predigers und seiner Beteiligung am Predigtgeschehen
zu sehen. Dann aber ist zu fragen, was die Kennzeichen
des Geistes sind und wo die Einheit in der Vielfalt gewährleistet ist. In
den Kriterien Christusbekenntnis (Uoh 4,1-3) und Liebe
(Mt 7,16-20) sind Konkretionen gegeben, die nachprüfbar sind. Die
Kriterien sind jedes für sich zu betrachten und beide in der Konvergenz
zueinander. Vf. geht dem ersten insbesondere im Blick auf die
Textbindung nach. Das zweite untersucht er im Blick auf die Rolle des
Hörers im Predigtgeschehen. Wird er auf der einen Seite nicht müde,
für die Vielfalt der Gaben bei Predigern und Hörern, für die Vielfalt
der Situationen und der Texte im Verhältnis dazu zu plädieren. So
beeilt er sich doch auch, die Einheit in dem Christus gegenwärtigen
Gott herauszustellen und immer wieder neu fest zu machen.

Vom Anliegen des Buches her ist verständlich, daß der Abschnitt
über die „Bindung an die Hörer" (S. 103ff) die Mitte der Argumentation
darstellt. In den ersten beiden Kapiteln über „die Aufgabe" und
über „die Pluralität des Geistes und der Verkündigung" ist das Thema
im wesentlichen historisch und dogmatisch geortet sowie auf die
Grundfragen einer Homiletik hin entfaltet. Das endet mit der Frage
nach der Spannung zwischen Einheit und Vielfalt. Kapitel III über
„die Einheit des Geistes und der Verkündigung" nimmt das auf. In der
Durchführung folgt nun allerdings nach der Grundlegung der praktische
Teil. Hatte bisher der Stil einer Monographie vorgeherrscht, so
hat man jetzt mehr den Eindruck, das überarbeitete Manuskript einer
Vorlesung im Predigerseminar vorsieh zu haben, in der die sich in der
Praxis ergebenden Fragen abgehandelt werden sollen. Trotzdem oder