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Ausgabe:

1986

Spalte:

148-149

Kategorie:

Praktische Theologie

Autor/Hrsg.:

Dannowski, Hans Werner

Titel/Untertitel:

Kompendium der Predigtlehre 1986

Rezensent:

Hertzsch, Klaus-Peter

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Seite 1, Seite 2

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Theologische Literaturzeitung III. Jahrgang 1986 Nr. 2

148

Anfrage nicht vermieden werden, ob die Differenzierung der drei
Lebensbereiche nicht zu künstlich ist. Die Grenzen zwischen individuellen
, mitmenschlichen und gesellschaftlichen Lebensbereichen
sind in der Wirklichkeit so fließend, daß die meisten Themen eigentlich
auf allen drei Ebenen behandelt werden müßten. So wundert man
sich z. B., wenn die Frage der Berufswahl und des Berufsvollzugs
innerhalb des individuellen Lebensbereiches erörtert wird, obwohl es
dabei doch in stärkerem Maße um gesellschaftliche Bedürfnisse und
mitmenschliche Beziehungen geht. Es ist auch nicht einsichtig,
warum die personale Gestaltung der Sexualität, die auf die Ehe zielt,
dem individuellen Lebensbereich zugeordnet wird, während dann von
Familienplanung und innerfamiliären Beziehungen erst im Übergang
vom zweiten zum dritten Lebensbereich die Rede ist. Die Nötigung zu
einer gewissen Gleichgewichtigkeit der drei Teile des Buches scheint
mit dazu beigetragen zu haben, daß die Zuordnung der einzelnen Themen
nicht überzeugend ausgefallen ist.

Inhaltlich läßt sich Furgers Argumentation durchgängig auf die
These bringen, daß alles Verhalten, das vernünftig und human ist,
zugleich auch christlich ist. Immer wieder wird zunächst ohne Berufung
auf besondere christliche Kriterien oder auf Sätze der biblischen
und kirchlichen Tradition versucht, Richtlinien für die Lösung eines
Problemkomplexes zu entwickeln, uad erst zum Schluß wird darauf
die Übereinstimmung mit der christlichen Überlieferung postuliert:
„Was sich .. . einer allgemein menschlichen Ethik als Grund-Kriterium
wenigstens ankündigt, wird im Horizont einer christlichen Weltanschauung
vollends deutlich" (122). So imponierend diese Einheit
von humaner und christlicher Orientierung sich anhört, verdeckt sie
doch mögliche Unterschiede auf Grund anderer Begründung und
Voraussetzungen. Wenn etwa für den gesellschaftlichen Lebensbereich
auf die Menschenrechte zurückgegriffen wird, bleibt unausgesprochen
, daß sich individuelle und soziale Grundrechte gegen den
Widerstand der Kirche und in Auseinandersetzung mit der katholischen
Soziallehre durchsetzen mußten, so daß ihre Beerbung nicht so
unproblematisch ist. wie sie hier erscheint. Allerdings muß auch hervorgehoben
werden, daß Furgers Buch in einem guten Sinne kommunikativ
argumentiert, eben weil nach allgemein menschlichen Kriterien
und nicht nach einem katholischen Sonderethos gefragt wird.
Daß dabei eine harmonisierende Tendenz vorherrscht, die die schärferen
Konturen einer entschiedenen Stellungnahme manchmal vermissen
läßt, wird gerade bei solch brisanten Themen wie der Friedens-
sicherung oder der Stellung zum Eigentum deutlich.

Das Buch verzichtet von Anfang bis Ende auf Anmerkungen und
begnügt sich damit, ein ausführliches Literaturverzeichnis zu bringen.
Das bringt Nachteile mit sich, weil einmal die im Text zitierten Autoren
oft nicht einmal im Literaturverzeichnis auftauchen und zudem
noch überhaupt auf Seitenangaben verzichtet worden ist, weil zum
anderen die Stellung des Autors in der kontroversen Diskussion der
Moraltheologie bzw. theologischen Ethik undeutlich bleibt. So sehr
Furger auf die personale Eigengestaltung im Sinne einer autonomen
Moral dringt, scheint er sich vor einer engagierten Auseinandersetzung
mit den moralischen Traditionen der katholischen Kirche z. B.
in der Sexualethik zu hüten. Vielleicht hängt dieser Eindruck auch damit
zusammen, daß in dem Buch durchweg von Haltungen, Tugenden
und Werten, aber kaum von Konflikten und speziellen Entscheidungssituationen
aus argumentiert wird. Am ehesten kann man nach
meinem Eindruck in dem Kapitel über „Probleme des Lebensschutzes
- Elemente einer Bioethik" (114-145) eindeutige Entscheidungshilfen
in klar beschriebenen Konfliktsituationen finden.

Mit diesem Buch hat Franz Furger den begrüßenswerten Versuch
gewagt, über den Kreis der Fachwissenschaft hinaus Orientierung in
dem eigentlich unübersehbaren Feld der speziellen Ethik zu vermitteln
. Dafür werden ihm viele Leser dankbar sein, die nach einer knappen
Zusammenfassung und Darstellung der Probleme und ihrer
Lösungsmöglichkeiten suchen.

Leipzig Joachim Wiebering

Praktische Theologie: Homiletik

Dannowski, Hans Werner: Kompendium der Predigtlehre. Gütersloh:
Gütersloher Verlagshaus Gerd Mohn 1985. 168 S. 8". Kart.
DM 19,80.

„Kompendium" - wenn ich das Wort lese, erinnere ich mich aus
meinen Studententagen an Karl Heussis „Kompendium der Kirchengeschichte
", ein Buch, das knapp und zuverlässig aber etwas trocken
den Grundbestand an Namen, Zahlen und Fakten enthielt, den einer
für zweitausend Jahre Kichengeschichte wissen mußte. Hans Werner
Dannowskis Buch hat mit solch einem Werk gemeinsam, daß es in
großer Zusammenschau namen- und faktenreich über das Gebiet der
Homiletik informiert. Aber darin unterscheidet es sich charakteristisch
von jenem Kompendium, daß es nicht die Summe der Jahrhunderte
zusammenträgt, sondern das Gespräch von heute als For-
schungs-, Erfahrungs- und Problemgespräch wiedergibt. Insofern
ähnelt es eher einer riesigen Sammelrezension über Bücher, auch Aufsätze
, die in den letzten Jahrzehnten zum Thema Homiletik geschrieben
worden sind. Überraschend aber ist das Geschick, mit dem Dannowski
all diese Fakten, Konzeptionen und Gedanken in einen sinnvollen
Zusammenhang ordnet. Das Ganze ist wie ein großes homiletisches
Puzzelspiel, wo eins ins andere greift, sich ergänzt, sich fortsetzt
oder sich gegenübersteht, wo die unterschiedlichsten Teile - Barth
und Bahr, Lange und Lerle - in ein sauberes Mosaik zusammengefügt
sind. Dabei trägt die Art der Stcllenbelege zu dieser Übersichtlichkeit
bei, indem für Referate und Zitate jeweils Name und Jahreszahl angegeben
sind, also: „Friedrich Mildenbcrger 1984", „Karl Barth 1956".
Dannowskis Belesenheit, vor allem seine Fähigkeit des Zusammenziehens
sind beeindruckend. Nur bei der Medienhomiletik verläßt ihn
einmal der Mut: „Es ist mir unmöglich, hier in Kürze einen Problemabriß
über Verkündigung in Massenmedien zu geben." Nur eine Kollektion
von Problemanzeigen traut er sich hier zu.

Die einzelnen Kapitel haben einfache Fragen als Überschrift. Mit
ihrer Hilfe ordnet er den umfangreichen Stoff: Was ist die Predigt?
Hier werden Predigttheologien und -theorien diskutiert. Wer predigt?
Hier ist das Subjekt der Predigt und seine Kompetenz im Blick.
Worüber wird gepredigt? Hier geht es um das Problem von Text- und
Wirklichkeitsbezug einer Predigt. Wo wird gepredigt? Hier geht es um
den Gottesdienst als Ort der Predigt. Wem wird gepredigt? Hier
kommt Hörererwartung und Hörervcrhalten zur Sprache. Wie wird
gepredigt? Das weite Feld der sprachlichen Kommunikation und der
Rhetorik eröffnet sich.

Hans Werner Dannowski ist um Sachlichkeit bei seinen Darstellungen
bemüht. Gelegentlich ist es erstaunlich, wie ersieh auch in fremde
Gedankengänge einfühlt und den springenden Punkt herausstellt, der
dem Autor wichtig war. Gelegentlich ergreift er ausdrücklich darum
nicht Partei, weil er die scheinbar polaren Konzeptionen für ein komplementäres
System hält. Trotzdem kann und will er sich nicht aus
der Diskussion heraushalten, weil er sich ja längst in sie eingemischt
hat. Sein Kompendium enthält eine Reihe von Selbstzitaten und Hinweisen
auf Dannowski-Publikationen, im Literaturverzeichnis
erscheint sein Name mit einer Titelanzahl wie kaum ein anderer.
Gerade das aber gibt dem Kompendium eine gewisse Frische. Man
merkt, der fleißige Zusammenträger und Referent ist an bestimmten
Stellen deutlich stärker engagiert als an anderen. Das gilt zum Beispiel
für das Kapitel: Wer predigt? Hier bietet er dann auch eine eigene
Lösung an, die auf den Prediger als Vertreter der Gemeinde hinausläuft
- Stellvertretung wie bei Dorothee Solle -. Daß die hermeneu-
tische Frage zwar implizit im Kapitel über die Wirklichkeitsbezüge
des Textes anklingt, die gesamte hermeneutische Diskussion aber hier
nicht dargestellt wird, ist ein weiteres Anzeichen für solch ein subjektives
Setzen der Gewichte. Um so ausführlicher läßt Dannowski sich
ein auf alle Überlegungen, die die Homiletik mit anderen aktuellen
Wissenschaften in Beziehung setzen, z. B. mit Sprachanalysc und Informationstheorie
, z. B. mit Kommunikationsforschung und Hand-