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Ausgabe:

1986

Spalte:

146-147

Kategorie:

Systematische Theologie: Ethik

Autor/Hrsg.:

Furger, Franz

Titel/Untertitel:

Ethik der Lebensbereiche 1986

Rezensent:

Wiebering, Joachim

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Theologische Literaturzeitung III. Jahrgang 1986 Nr. 2

146

Houston. J. [Ed.]: Is it Reasonable to believe in God?, ed. and

introduced. Edinburgh: Handsei Press 1984. XII, 160 S. 8". Kart.
£6.75.

Das Buch vereint eine Anzahl von Beiträgen, die für eine neuere
Strömung in der englisch-sprachigen Theologie stehen, die - seit etwa
zwanzig Jahren - eine Abwendung vom Positivismus und stärkere
Hinwendung zum Thema Jules quäerens intellectum bedeutet. Auf
einige der behandelten Themen sei hingewiesen.

Wenn ausführlich die Gottesbeweise besprochen werden, so ist
allen Autoren gewiß klar, daß christlicher Glaube an Gott mehr bedeutet
als Glaube, daß ,Gott existiert'. Trotzdem sei Glaube an Gottes
Existenz die notwendige Voraussetzung für jeden existentiellen Glauben
an Gott, der Liebe und Vertrauen zu ihm besagt. Diese Voraussetzung
ernst zu nehmen, ist das Motiv von Abhandlungen über den kos-
mologischen und physiko-lheologischen Gottesbeweis. Der springende
Punkt an der Abhandlung über das,,kosmologisehe Argument
ist die Widerlegung des Einwandes: Wenn die Existenz alles einzelnen
geklärt sei. sei damit auch das Ganze erklärt (Hume, Edwards. B. Rus-
sell). Das gelte nur für endliche Ganzheiten, nicht für das Unendliche.
Das soll freilich nicht den kosmologischen Gottesbeweis als Axiom
christlicher Theologie bestätigen, sondern nur Beispiel dafür sein, daß
christliche Theologie im Dialog mit atheistischen Bestreitungen bleiben
muß. Und man weiß um den Sprung, der zwischen der Existenz
eines necessary being und dem Gott Abrahams, Isaaks und Jakobs
bzw. Gott als Vater Jesu Christi besteht. Keine Einzelabhandlung
dürfe losgelöst von den anderen und deren Zielpunkten gesehen werden
(S. 50). - Die Betrachtung des physiko-theologischen Gottesbeweises
lArgument firom Design, der Schluß von order und design in
der Welt auf einen designer in Analogie zu menschlichen Planungen)
bringt eine Auseinandersetzung mit Hume, bsw. mit Einwänden wie:
ob das Argument nicht auf die Annahme einer Vielzahl an Göttern
führe oder ob am Universum weniger die Analogie mit einem planenden
Menschen als die mit der Natur als Vegetation insgesamt näher-
begend sei oder die Unendlichkeit der Kombinationen in unendlicher
Zeit das Entstehen der Zweckmäßigkeiten erkläre. Natürlich habe der
Beweis seine Schwächen. Aber insgesamt habe das Argument doch
"someforce"(S. 67).

Der Streit zwischen Mystikern und Rationalisten über den Gähig-
keitsansprueh religiöser Erfahrung führt zu dem Ergebnis, daß beider
Standpunkte auf so verschiedenen Ebenen liegen wie die Lebensbäume
von Elefant und Walfisch. Der Elefant steht auf festem Boden,
aberdie Geheimnisse der Untcrwasserwclt sind ihm verschlossen.

Was vor allem gegen den Gottesglaubcn spricht, sind das Leid und
die Ungerechtigkeit in der Welt, das sog. Theodizeeproblem. Dieses
Bedenken des Atheisten durchzieht das ganze Buch, wobei die Bemerkung
beachtlich ist, daß dies nicht nur den Gottesglauben herausfordert
.

Der zunächst entstehende Eindruck, daß das Buch mehr allgcmein-
•heistisch als christologisch argumentiert (besonders, wo es auch den
Islam bedenkt, bsw. S. 50), wird durch den letzten Beitrag von Eleonore
Stump über das Bittgebet (Pctitionary Praycr) korrigiert, der sich
ausgesprochenermaßen auf die Bibel (besonders das Herrengebet) und
die christliche Tradition (kritisch zu Thomas von Aquino) bezieht.
Das Beispiel ist Monicas Gebet lür ihren Sohn Augustin (in den Con-
fessiones V, VI. VIII). das das Vorsehungshandeln Gottes zur Bekehrung
Augustins lenken ließ ("God must work through the intermedia-
Dof praycr", S. 148).

Ausführliche Literaturempfchlungen vermitteln einen Eindruck
von der Intensität, mit der gegenwärtig im englisch-sprachigen Raum
das Thema: Rechtfertigung des Gottesglaubcns vor Rationalität und
Logik verhandelt wird.

Berlin Hans-Georg Fritzschc

Systematische Theologie: Ethik

Furger, Franz: Ethik der Lebensbereiche. Entscheidungshilfen. Freiburg
-Basel-Wien: Herder 1985. 280 S. 8". Lw. DM 34,50.

Mit diesem handlichen und gut gestalteten Band legt der Verlag eine
spezielle Ethik vor, die für das gesamte Gebiet des sittlichen Handelns
Entscheidungshilfen anbieten will. Der Luzerner Moraltheologe
Franz Furger hat sich der Aufgabe gestellt, in der gebotenen Kürze die
Fülle der Themen zu ordnen und Richtlinien für das Verhalten zu
nennen. Er geht dabei von den verschiedenen ..Verwirklichungsebenen
" aus, auf denen sich Menschen vorfinden, und differenziert sie in
den individuellen, den personal-mitmenschlichen und den sozial-
gesellschaftlichen Lebensbereich.

Im individuellen Lebensbereich gehört zum ..vollen Aufbau einer
harmonischen Einzelpersönlichkcit" (24) die Verantwortung für die
leiblich-körperliche, psychische, intellektuelle und geistig-spirituelle
Entfaltung. Die personale Selbstverwirklichung vollzieht sich nach
Furger in der Gestaltung des Geltungstriebes in der beruflichen Tätigkeit
und in der Gestaltung des Geschlechtstriebes in der sexuellen
Partnerschaft von Mann und Frau. Die Sexualethik wird in diesem
Kontext vor allem im Blick auf Kriterien behandelt, die eine volle
personale Integration ermöglichen, in Absetzung von einer ..platonischen
" Leibfeindlichkeit und von einer individualistischen Sexualbejahung
. Ausführlich werden „defizientc Formen menschlicher
Sexualität", Homosexualität und Sexualität geistig Behinderter behandelt
, während die Probleme der Partnerwahl, der Eheführung und
der Ehescheidung nicht thematisiert werden, obwohl die Ehe als das
„volle Ideal menschlicher Sexualverwirklichung" behauptet wird
(88).

Der zweite Lebensbereich, der personal-mitmenschliche, betrifft
die zwischenmenschlichen Beziehungen im einigermaßen überschaubaren
„primärsoziologischen" Rahmen. Furger behandelt hier am
ausführlichsten Probleme des Lebensschutzes, z. B. die Euthanasie,
die Schwangerschaftsunterbrechung, medizinische Experimente und
die Todesstrafe. Dabei wird die bedingte Verfügung über Leben ausdrücklich
zugestanden, aber eine beliebige Verfügungsgewalt des
Menschen abgelehnt. Als weitere Werte erscheinen Wahrhaftigkeit
bei der Kommunikation, Sorge um materielle Wohlfahrt. Schutz und
Gemeinbestimmung von Eigentum sowie gegenseitige Achtung und
Zuwendung in der Familie. Rücksicht auf das Gemeinwohl. „Sozialpflichtigkeit
" des Eigentums soll dabei die prinzipielle Bejahung des
privaten Eigentums ergänzen. Gerade bei diesem Thema zeigt sich
freilich die Verzahnung mit dem sozial-gesellschaftlichen Lebensbereich
.

Für diese dritte Ebene nennt Furger als Leitprinzipien die aus der
Tradition der katholischen Soziallehre bekannten Prinzipien der Subsidiarität
und der Solidarität, die einander zugeordnet werden müssen.
Eigenständigkeit in der Selbstcntfaltung muß ebenso gewährleistet
werden wie die Rücksicht auf die Bedürfnisse der Schwächeren. Allerdings
betont Furger, daß „heute in einer Zeit zunehmender weltweiter
wirtschaftlicher Ungleichgewichte in erster Linie die Solidarität hervorgehoben
zu werden verdient" (195). Als normative Grundsätze für
das gesellschaftliche Miteinander wird auf die Menschenrechte zurückgegriffen
, weil sie „die grundsätzlichen Leitideen einer christlichen
Gcsellschaftslehre in eine konkrete gesellschaftliche Wirklichkeit
umsetzen" (196). Den Zielsetzungen ethisch verantworteter Politik
, wie etwa Friedenssicherung, Gewährleistung des Rechtsschutzes
für jeden Bürger und Bewahrung des ökologischen Gleichgewichts,
stehen als Ansprüche an den einzelnen Bürger Toleranz, Dienstbercit-
schaft, kritische Weltoftenheit und vor allem die Bereitschaft zur Mitverantwortung
gegenüber.

Zweifellos ist es Furger gelungen, das weite Feld, auf dem ethische
Entscheidungen anstehen, durch den Aufbau seines Buches zu gliedern
und viele aktuelle Themen anzusprechen. Dennoch kann die