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Ausgabe:

1986

Spalte:

143-144

Kategorie:

Systematische Theologie: Dogmatik

Autor/Hrsg.:

Beinert, Wolfgang

Titel/Untertitel:

Dogmatik studieren 1986

Rezensent:

Mildenberger, Friedrich

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Seite 1

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143

Theologische Literaturzeitung 111. Jahrgang 1986 Nr. 2

144

die Thematisierung nach wie vor lohnend, weil zentral für alle Theologie
.

Der Untertitel, den Vf. seinem Werk gibt, ist Arbeitskonzept: in
knapper und prägnanter Diktion beschreibt B. das Menschsein als
durch Sprache offenbartes und geglaubtes Personsein. Die Begriffe
„Offenbarung" und „Glaube" werden daher zuerst im zwischenmenschlichen
Bereich fixiert (Kap. 1-4) und dann auf ihre religiöse
Dimension hin befragt (Kap. 5-9). Diese Reihenfolge ist programmatisch
. Denn: „Soll die Rede von einer göttlichen Offenbarung überhaupt
Sinn haben, so muß sie zu einer allen zugänglichen Erfahrung
einen analogen Bezug haben; und dies kann nur die zwischenmenschliche
Offenbarung sein . .." (86). Entsprechendes gilt vom
„Glaube(n)". Die zwischenmenschliche und die religiöse Dimension
des Menschseins seien von analoger, personalistischer Struktur. Fraglich
erscheint es dann allerdings, wenn Erlösung durch personalisti-
sche Integration des Menschen in den „Gottmenschen" letztlich zur
„Selbsterlösung" wird (149) - daß sie „geschenkt" sein soll, macht
diese Christusmystifikation nicht unbedenklicher. Weitere, ähnliche
Fragen sind mir beim Lesen gekommen (z. B.: Ist die Frage nach dem
deus absconditus und dem deus revelatus mit dem Hinweis auf die
personalistische Analogie wirklich zu entkräften? - 86; und ist es ein
Argument gegen die sufficientia scripturae, daß ihr die lebendige
Sprachlichkeit fehlt?- 129).

1. Teil: Offenbarung und Glaube im zwischenmenschlichen Bereich
ist gegliedert in 1. Offenbarung (sich als Person in seinem Personsein
zu erkennen geben), 2. Glaube (Anerkenntnis jenes Personseins
), 3. Person als Einheit (in sich ruhende Größe) und 4. Grundlagen
des Menschseins (Sprache als Medium für Glaube und Offenbarung
). - 2. Teil: Religiöse Offenbarung und religiöser Glaube beschränkt
sich auf 5. Christliche Offenbarung (analog zur gelungenen
zwischenmenschlichen Offenbarung die göttliche Offenbarung), diese
bewirkt 6. Neue Vertrautheit mit Gott (als Ermöglichungsgrund des
Personseins), 7. Christlicher Glaube als Antwort (als Anerkenntnis
Gottes), 8. Christus und Kirche als Träger (in engster Verbundenheit
gedacht) und 9. Gläubigkeit (die in o. g. Christusmystifikation
gipfelt).

Zwei Druckfehler sind mir aufgefallen: S. 10 6. Kapitel, lies: 8. Kapitel; S. 32
Z. 4 v. u.: ein „ist" ist zuviel.

Der universal gefaßten Konzeption des Titels folgt eine relativ einseitige
Sicht des Themas, die aber aus ihrer Perspektive dazu beitragen
könnte, daß das Nachdenken über den Kern der Theologie nicht unter
den Akten verstaubt.

R. M.

Systematische Theologie: Dogmatik

Beinert, Wolfgang: Dogmatik studieren. Einführung in dogmatisches
Denken und Arbeiten. Regensburg: Pustet 1985. 241 S. m. zahlr.
Schaubildern, Tabellen u. Übersichten 8". Kart. DM 29,80.

Oer Regensburger Dogmatiker legt hier eine Einfuhrung in das Studium
der Dogmatik innerhalb der römisch-katholischen Theologie
vor. Das Gewicht liegt dabei auf der Einführung in das dogmatische
Denken (1 .-7.). Hinweise für das dogmatische Arbeiten bieten die Ab-
schnitte 8.-11„ von denen der Autor zu Recht im Vorwort bemerkt,
sie seien für den Anfänger sicher zu Beginn sehr viel nützlicher. 8.
bringt eine Quellenkunde für das Dogmatikstudium, von der Bibel bis
zu den Äußerungen des Lehramts, und zur Reformation wie zur
Orthodoxie. Ich vermerke hier eine Äußerung, die mich überrascht
hat: „Die biblische Hauptquelle des Dogmatikers ist das Neue Testament
. Das Alte ist aber nicht nur integraler Bestandteil der Bibel und
somit dogmatisch verbindlich, es ist vor allem unerläßlich zum Verstehen
der Aussagen des Neuen Testamentes" (159). Kann die eine

Bibel so selbstverständlich, dem Brauch der Exegeten folgend, auch
dogmatisch zweigeteilt werden? 9. führt Hilfsmittel an, Bibliographien
, Lexika und Textbücher. Hier ist vor allem ein ausführlicher
Exkurs über den Denzinger und seine Benützung von Interesse. 10.
bespricht dogmatische Standardwerke, ausführlich vor allem „Mysterium
Salutis", aber auch andere Gesamtdarstellungen, und führt
Monographien zu einzelnen Traktaten auf. Auch die für das dogmengeschichtliche
Studium wichtigsten Werke werden genannt. I I. bringt
schließlich einige „Hinweise für Studium und Examen".

Von Umfang und Inhalt her ist freilich die Einführung in das dogmatische
Denken der ersten 7 Kapitel ungleich gewichtiger. Die Einleitung
(1.) versucht, die negative Besetzung der Ausdrücke Dogma
und Dogmatik in unserem allgemeinen Sprachgebrauch bewußt zu
machen und so zu entschärfen. Dann folgt eine Erklärung des Ausdrucks
Dogma, die die geschichtliche Entwicklung des Sprachgebrauchs
antührt, und eine ausführliche Bestimmung der Sache und
ihrer Bedeutung. Dogma sei eine Aussage der Glaubenserfahrung, dabei
Sachangabe und „Zeitansage". Unter diesem m. E. etwas unglücklich
gewählten Stichwort wird ausführlich die geschichtliche Bedingtheit
der Dogmen und ihres Wortlautes erörtert (2.). Ein weiterer Abschnitt
(3.) behandelt die „Dogmatik im theologischen System". Aus
dem Begriff des Offenbarungsgeschehens heraus wird das Problem der
Vermittlung der Christusoffenbarung entfaltet, das wieder dazu dient,
die Zuordnung der einzelnen theologischen Disziplinen zu erläutern.
Darauf folgen (4.) Hinweise auf Aufgaben und Verfahrensweisen der
Dogmatik. Das Verständnis von Dogmatik hänge am Verständnis von
Dogma. Hier will Vf. mitderältercn wiederneucn Dogmatik das enge
Dogmenverständnis des 19. und beginnenden 20. Jhs. überwinden.
Dogmatik müsse „den in der Offenbarung sich erschließenden Sinn
und die in der Kirche . . . gewonnene Sinnerfahrung systematisch darstellen
und damit lebenspraktiseh anwendbar machen". Solche Sinnerfahrung
sei aber weitaus umfassender als die durch Dogmen im
strengen Sinn beschriebenen Tatsachen. Die Entstehung von Dogmatik
wird dann am Beispiel der Christologie aufgezeigt,-und ihre Arbeitsweise
beschrieben. Ein weiterer Abschnitt (5.) behandelt Methodenprobleme
und den Aufbau der Dogmatik. Die Begriffe theologia
und oikonomia werden als Beantwortung der essentiellen bzw. der
existentiellen Fragestellung erklärt. „Essentialistische" wie „existen-
tialistische" Argumentation, an Beispielen vorgestellt, bedürfen einer
gegenseitigen Korrektur, wie sie in der „heilsgeschichtlichen
Methode" unternommen werde. Hier habe ich mit der Terminologie
wie mit der Sache einige Schwierigkeiten; der schon bisher nicht einfache
Gedankengang wird besonders für eine einführende Darstellung
reichlich komplex und zudem recht verschwommen. Der übliche
Gang von der biblischen Theologie über die Theologiegeschichte hin
zur Gegenwart wird angegeben, ohne meinen doch wohl nicht unbegründeten
methodischen Gegenvorschlag (Grundwissen, S. 12-23) zu
erwähnen. Eine „Kleine Typologie des heutigen dogmatischen Denkens
" (6.) will mit dem Pluralismus gegenwärtiger Dogmatik bekannt
machen und ihn als Reichtum, nicht als Gefährdung erkennen lassen.
Hier werden gerade auch Positionen der evangelischen Dogmatik mit
berücksichtigt. Schließlich wird (7.) in die Interpretation dogmatischer
Texte eingeführt und zu einem kritischen Umgang mit diesen
Texten angeleitet.

Die Einführung kann den römisch-katholischen Studierenden das
Fach Dogmatik nahebringen, stellt freilich an den Anfänger recht
hohe Ansprüche. Sie kann aber auch dem evangelischen Theologen
Motive und Tendenzen der neueren römisch-katholischen Dogmatik
aufzeigen und Nähe wie Differenz kenntlich machen. Dabei vertritt
der Vf. eine vermittelnde, eher bewahrende als kritische Position. Er
zeichnet ein eher harmonisches Bild, in dem sich Offenbarung, Dogma
, Dogmatik und die moderne Lcbenswclt. gerade auch ihre Wissenschaft
, friedlich durchdringen. Ob dieser modernen Lebenswelt mit
solchem Frieden wirklich gedient ist?

Erlangen Friedrich Mildenbcrgcr