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Ausgabe:

1986

Spalte:

142-143

Kategorie:

Systematische Theologie: Allgemeines

Autor/Hrsg.:

Brunner, August

Titel/Untertitel:

Offenbarung und Glaube 1986

Rezensent:

R. M.

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14!

Theologische Literaturzeitung III. Jahrgang 1986 Nr. 2

142

schaft, in der Kommunikation durch Sprache, aber auch im sozialen
und politischen Einsatz. Überall, wo Menschen mit Hoffnung und
Sympathie der Wirklichkeit begegnen, antworten sie bewußt oder
unbewußt auf Gott, der der Grund jenes Versprechenscharakters der
Wirklichkeit ist. Noch mehr, sie sind auf diese Weise sogar in Verbindung
mit Jesus Christus, weil die liebende Beziehung zwischen Vater
und Sohn das „Strukturprinzip" der Schöpfung ist. Ihr Versprechenscharakter
bedeutet nichts anderes, als daß sie „christusformig" geschaffen
ist. Die ausdrückliche Beziehung der Kirche zu Christus hat
demgegenüber nur den Sinn, die Dankbarkeit und das Angewiesensein
auf die Gottesliebe zu bezeugen (66). Das dritte und weitaus
umfänglichste Kapitel des Buches befaßt sich mit dem Glauben an
den dreieinigen Gott. Alttestamentliche Aussagen über Gott bilden
den Ausgangspunkt. Jesus ist dann das „Ur-sakrament" Gottes,
Höhepunkt der Gleichnisfähigkeit der Welt für Gott, wie sie sich
bereits in den „Befreiungserfahrungen Israels vorbereitet. Jesus verweist
in allem, was er ist und tut, auf Gott als Liebe" (75). Dies wird in
engem Kontakt zu den Aussagen der Evangelien entfaltet: Jesus verweist
auf Gott als Liebe, die das Verlorene sucht, deren Reich unter
den Armen angebrochen ist, auf die Liebe, die sich in den Tod gibt
und die in der Auferstehung den Tod überwindet. Der Heilige Geist ist
dann die gegenwärtige Wirksamkeit der Offenbarung Gottes in Jesus
Christus. Er ist die „Gegenwartsgestalt jener Liebe Gottes" (97). Er
wird erfahren in der Teilhabe am Gebet Jesu und in den Taten der
Liebe, die er vorgelebt hat. - Nach einem abschließenden Abschnitt
zu Entstehung und Bedeutung der Trinitätslehre kommt K. zu den
beiden letzten Kapiteln, in denen der „Lebensraum" des Glaubens
behandelt wird; im 4. Kapitel der Lebensraum im engeren Sinne,
nämlich die Kirche; im fünften das Verhältnis des Glaubens zur Welt,
konkret zum modernen Denken und zu den Problemen unserer
Gesellschaft. In beiden Kapiteln geht der Verfasser auf die kritischen
Vorwürfe gegen Glauben und Kirche ein, aber auch auf die Spannung
zwischen der Jesusüberlieferung und der Kirche. Auch hier werden
d'e Linien vom Alten Testament her sorgsam ausgezogen, und noch
einmal wird die Bedeutung des Heiligen Geistes für die Kontinuität
zwischen Jesus und der Kirche herausgestellt. Im letzten Kapitel setzt
S|ch K. mit dem modernen Protest der Vernunft gegen den Glauben
auseinander. Er macht deutlich, daß gerade der Glaube einen Weg
zeigt, auf dem der Mensch verantwortlich und frei mit der Welt
umgehen kann, ohne sie zu vergötzen und ohne dem Fanatismus der
Weltveränderung oder dem resignierten Abfinden mit den vorfind-
üchen Mißständen zu verfallen. Mit einem Abschnitt über das politische
Handeln des Christen schließt das Buch ab.

Tatsächlich sind die beiden anfangs gesetzten Akzente zum Tragen
gekommen: Ausführlich erfolgt die Auseinandersetzung mit den Einwänden
der Vernunft (wobei es zwischen dem ersten und letzten
Kapitel auch Doppelungen gibt); ebenso deutlich ist das Bemühen,
die gegenwärtigen sozialethischen Probleme, aber auch die Frage
moderner Katholiken arr ihre Kirche mit einzubeziehen. Für den
evangelischen Leser besonders eindrucksvoll ist die positive Aufnahme
von Gedanken der Bibelkritik etwa im Blick auf das Verhältnis
von Jesus und Kirche, ohne dabei das Bekenntnis zur sakramental
geprägten katholischen Kirche aufzugeben. Eindrucksvoll ist auch die
starke Berücksichtigung alttestamentlich-jüdischer Gedankengänge.
Ungewöhnlich für ein solches Buch, aber für die Weiterarbeit ausgesprochen
hilfreich, sind die ausführlichen Literaturangaben. Natürlich
wäre auch manches anzufragen: etwa, ob die Aussagen über einen
Glauben unabhängig vom verbalen Christusbekenntnis nicht doch zu
Weit gehen. Aber hier ist nicht nur mit dem Vf. sondern mit einer
ganzen theologischen Schule zu diskutieren. Als unnötig empfindet
der Rez. die Ableitung des Grundaufbaus des Buches von einer Hand-
lungsthcorie, die in vier Schritten über das „Wovonher", das „Gegenüber
", das „Was" und das „Worin" des Handelns redet (13). Unnötig
deshalb, weil K. dann doch für den ersten Schritt die ersten beiden
Kapitel benötigt, den zweiten und dritten Schritt aber im dritten
Kapitel zusammenfaßt und schließlich den vierten Schritt noch einmal
in zwei Kapiteln entfaltet. Wo sich der zu behandelnde Gegenstand
so gegenüber einem Gliederungsprinzip verselbständigt, da
kann man jenes Prinzip dann auch vergessen. Aber das ist im Grunde
eine Äußerlichkeit. Das Buch erfüllt die gestellte Aufgabe in hervorragender
Weise: es führt hin zum christlichen Glauben. Bleibt nur zu
wünschen, daß viele diesen Wegauch einschlagen.

Werdau Friedrich Jacob

Schreiter, Robert J. [Hrsg.]: Erfahrung aus Glauben. Edward Schille-
beeckx-Lesebuch. Freiburg-Basel-Wien: Herder 1984. 327 S. gr.
8-. Lw. DM 38,-.

Bei allen großen Werken ist es eine ernste Frage, ob sie nur in ihrem
Umfang bewundert oder auch nach ihrem Inhalt studiert werden. In
unserer lesemüden und dennoch publikationsfreudigen Zeit ist daher
ein Lesebuch zum Lebenswerk von Edward Schillebeeckx, ähnlich
anderen Lesebüchern, wie sie bereits zum Werk von Karl Rahner oder
Hans Urs von Balthasar vorliegen, sowohl eine Hilfe wie eine Notwendigkeit
. '

Das Buch ist sehr übersichtlich angelegt. Vom Herausgeber stammt
eine ganz vorzügliche Einführung in Leben und Werk von Schillebeeckx
. Die Textauswahl von insgesamt 80 Stücken ist nach den
Schwerpunkten der theologischen Arbeit von Schillebeeckx gegliedert
. Die Abfolge der Themen ist aufschlußreich: A) Menschliche
Erfahrungen und menschliche Befreiung; B) Interpretation christlicher
Erfahrung; C) Gottes Heil in Jesus Christus; D) Die Kirche
Gemeinschaft aus Gnaden; E) Die Kirche in der weltlichen Gesellschaft
; F) Spiritualität als Erfahrung Gottes. Der erfahrungs- und vermittlungstheologische
Ansatz ist deutlich. Die einzelnen Abschnitte
beginnen jeweils mit einer knappen aber außerordentlich informativen
Einführung des Herausgebers. Besonders bemerkenswert sind darunter
dae Hinweise auf Schillebeeckx's Übergang von-der hermeneuti-
schen Theologie zur gesellschaftskritischen Theorie der Frankfurter
Schule (122ff). Eine vollständige Bibliographie schließt den Band
ab.

Die Werke von Schillebeeckx sind auch in dieser Zeitschrift besprochen
worden, und darum braucht hier nicht ausführlich noch einmal
darauf eingegangen zu werden.' Interessänt aber ist, daß diese Sammlung
abschließt mit einer Predigt, die Schillebeeckx 1965 am Fest des
heiligen Thomas von Aquin gehalten hat. Hier zeigt sich etwas von
dem habitus theologicus eines Dominikaners: „Das Leben des heiligen
Thomas möchte ich als ein priesterliches Doktorat ansehen, d. h.
als einen priesterlichen Wortdienst in reflexiv durchdachter, seiner
Zeit gemäßer Formgebung." (300) Die bewahrende Entfaltung des
Glaubens und die fortschreitende Verantwortung des Glaubens bildet
gewiß auch bei Schillebeeckx die nicht immer leicht durchzuhaltende
Spannung theologischer Arbeit. Doch die Auseinandersetzung mit
einem großen Theologen ist zu allen Zeiten lehrreich.

Erlangen Reinhard Slenczka

1 S. ThLZ93, 1968, 531-532:95, 1970, 224-229; 97, 1972,458-461; 103,
1978, 423-426: 104, 1979, 294-298; 106, 1981, 57-58; 110, 1985.
768-771.

Brunner. August: Offenbarung und Glaube. Eine phänomenologische
Untersuchung. München: Berchmans 1985. 160 S. 8*. Kart.
DM 25,-.

A. Brunner, bereits durch mehrere einschlägige Werke bekannt (s.
auch ThLZ 101, 1976,871 f), wendet sich in seinem letzten Buch, dessen
Veröffentlichung er nicht mehr erlebt hat, einem bzw. dem Zentralthema
der Theologie zu: Offenbarung und Glaube. 67 Jahre nach
Karl Barths Römerbrief werden die Gemüter, zumindest inderevang.
Theologie, vordringlich durch andere Themen bewegt. Dennoch ist