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Ausgabe:

1986

Spalte:

137-139

Kategorie:

Kirchengeschichte: Alte Kirche, Christliche Archäologie

Autor/Hrsg.:

Ben-Arieh, Yehoshua

Titel/Untertitel:

The rediscovery of the Holy Land in the nineteenth century 1986

Rezensent:

Schunck, Klaus-Dietrich

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Theologische Literaturzeitung III. Jahrgang 1986 Nr. 2

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bekannte Tatsache. Nur, wenn wir diese Zusammenhänge immer
tiefer und gründlicher erfassen, vor allem im Bereich der mittelalterlichen
Kunst, sind wir in der Lage, richtig und angemessen mit dem
historischen Kunstgut umzugehen. Gerade aber für diese Aufgabe
leistet die vorliegende Arbeit nur einen geringen Beitrag, trotz
mancher interessanter Hinweise, z. B. zur Ordnung von Bildinschrif-
'en (S. 75-79). Doch die verschiedenen interessanten Einzelergebnisse
können nicht verhindern, daß das Ganze wenig fruchtbar bleibt,
und der Grund dafür liegt vor allem in dem, was dem Vf. gerade das
Wichtigste ist, im Systematisieren. Er will die Wechselwirkung von
Bild und Liturgie und Ritual in ein System bringen. Das gelingt aber
nur mit der Auswertung einer sehr beschränkten Anzahl von Wir-
kungsfaktoren, was notwendig Künstlichkeit zur Folge haben muß
and den geschichtlichen Prozeß in seiner Breite und Dynamik auf
diesem Gebiet nicht erfaßt. Die Rolle der Mystik und Frömmigkeits-
Praxis bei der Ausbildung ikonographischcr Motive wird bei diesem
^erfahren ebenso vernachlässigt wie das Buch des „Physiologus",
diese sind aber genauso wichtig wie die Liturgie. Zudem konzentriert
sich der Vf. auf eine bestimmte Auswahl von Bildbeispielen aus verschiedenen
historischen Epochen, z. B. venezianische Kreuzigungsdarstellungen
aus dem frühen 12. Jh., Jan van Eycks Madonna des
Kanzlers Rolin, Giorgiones Madonna aus Castelfranco, Balthasar
Neumanns Entwurfzeichnungen für die Würzburger Hofkirche von
"31. usw. Auch die herangezogenen Texte gehören verschiedenen
Epochen an, neben den Verlautbarungen des Konzils von Trient
werden Konzilsbeschlüsse von Toledo 675 zitiert, ohne die sehr
unterschiedliche historische Situation ernst zu nehmen. Die Ergeb-
n'sse müssen darum unbefriedigend bleiben. Zuweilen werden auch
Judische und arabische Traditionen zum Vergleich herangezogen,
über in so knapper Darstellung, daß sie mißverständlich bleiben.
Natürlich ist es unmöglich, die ganze Fülle von Faktoren, die die
ikonographische Entwicklung in den verschiedenen Zeiten bestimmt
haben, aufzugreifen und zu verarbeiten. Darum wäre es günstiger, sich
auf einzelne Perioden und Territorien zu beschränken und diese
bann zu analysieren. So aber bleiben Mißverständnisse, Einseitigkeiten
und Wiederholungen nicht aus, was bei der vielen in die Publikation
investierten Arbeit zu bedauern ist.

Berlin Gerlinde Slrohmaicr-Wiederandcrs

Christliche Archäologie

Ben-Arieh, Yehoshua: The Rediscovery of the Holy Land in the
Nineteenth Century. 2nd Ed. Jerusalem: The Magnes Press/The
Hebrew University; Jerusalem: Israel Exploration Society 1983.
266 S. m. zahlr. Abb. gr. 8". Geb. $ 25.-.

Als Gustaf Dalman vor rund 80 Jahren als erster Direktor des
•■Deutschen Evangelischen Instituts für Altertumswissenschaft des
Heiligen Landes" in Jerusalem den Begriff .Palästinawissenschaft'
Prägte und zugleich den Inhalt dieser neuen Disziplin bestimmte,
führte er in ihr Sprach- und Literaturwissenschaftler, Volkskundler,
Historiker und Archäologen mit Theologen und Ökonomen wie auch
Ptit Naturwissenschaftlern zusammen. Dieses Zusammenwirken hat
s'eh nicht zuletzt auf Grund des jeweils anderen Blickwinkels und der
Jedem Fach eigenen methodischen Voraussetzungen seither als
äußerst fruchtbar erwiesen. Ein erneutes Beispiel dafür ist das vorliegende
Buch von Y. Ben-Arieh, der als Professor für Geographie an der
Hebräischen Universität von Jerusalem tätig ist.

Mit großer Sachkenntnis beschreibt der Vf. in dieser Publikation
die Geschichte der Erforschung Palästinas von 1799, dem Jahr der
'nvasion Napoleons I. in Palästina, bis etwa 1880, als die organisierte
Monistische Ansiedlung im Lande begann und die Landschaft wie die
beschichte des Landes immer stärker beeinflußte. Dementsprechend
greift die Darstellung über den Bereich der Geographie bzw. der

Historischen Geographie weit hinaus. In 5 Kapitel untergliedert, die
den jeweiligen Abschnitten in der politischen Entwicklung entsprechen
, beginnt jedes Kapitel mit einem kurzen geschichtlichen Überblick
über die wichtigsten Ereignisse und Veränderungen auf den
Gebieten von Politik, Verwaltung und Ökonomie sowie im Bevölkerungsstand
, die in Palästina wie auch in den umliegenden Gebieten
eintraten. Daran schließen sich, wieder der chronologischen Ordnung
folgend, genauere Auslührungen über die verschiedenen Forscherpersönlichkeiten
sowie spezielle Themen zur Erkundung bzw. Wiederentdeckung
des Landes an. In die einzelnen Abschnitte sind
101 Abb. eingefügt, die Reproduktionen von zeitgenössischen originalen
Zeichnungen, Skizzen, Stichen, Holzschnitten oder Radierungen
darstellen und größtenteils bisher kaum über den engsten Kreis
von Fachgelehrten hinaus bekannt waren. Sie allein verleihen dem
Buch schon einen hohen Wert.

Dem Hauptteil der Arbeit sind ein Vorwort und eine Einleitung
vorangestellt. Hier gibt der Vf. über den Zweck des Buches Auskunft.
Sein Ziel ist ein zweifaches: "to teil the story of the exploration of the
Holy Land in the 19th Century, and to create the basis for a further
study of the historical geography of Israel in modern times". denn
"that what happened here in the 19th Century held the key to under-
standing the geographical dcvelopmentsof our own times" (S. 5). Deshalb
soll dieses Buch vor allem die Quellen der Information tür diesen
grundlegenden Zeitabschnitt bekannt machen und diese unter einem
geographischen und historischen Gesichtspunkt auswerten.

Die Publikation wird abgeschlossen durch einen Epilog, eine ausführliche
Bibliographie, die primäre Quellen (Publikationen der
behandelten Forscher) von sekundären Quellen (Literatur über die
bedeutendsten Forschungsreisenden und die Geschichte des Landes
im 19. Jh.) unterscheidet, Indices der Personen und Orte sowie einer
Liste der Abbildungen. Der Epilog ist hauptsächlich auf eine Beantwortung
der Frage ausgerichtet, ob es eine Verbindung zwischen der
Wiederentdeckung des Heiligen Landes in den ersten acht Jahrzehnten
des 19. Jhs. und der um 1880 einsetzenden zionistischen Einwanderung
und Ansiedlung von Juden im Lande gab. Das Ergebnis des
Vfs. ist: Beide Vorgänge standen in keinem echten Zusammenhang;
die große Mehrheit der Forschungsreisenden waren gerade keine
Juden, während die frühen zionistischen Siedler wiederum an den
Ergebnissen dieser Forscher wie überhaupt an einem wissenschaftlichen
Studium des Landes kein Interesse hatten. Sie waren vielmehr
ganz auf die Errichtung landwirtschaftlicher Ansiedlungen und die
Entwicklung eines erneuerten jüdischen Lebens konzentriert; erst
nachdem die jüdische Ansiedlung in Palästina fester Fuß geläßt hatte,
begannen auch Juden schrittweise an der Erforschung des Landes teilzunehmen
.

Das Buch will nach seinem Titel die Wiederentdeckung des Heiligen
Landes - in den folgenden Ausführungen wird wechselweise auch
von .Palästina' gesprochen - darstellen. Dabei greift seine Darstellung
jedoch vielfach über diesen Bereich hinaus, so schon bei U. J Seetzen
und J. L. Burckhardt wie auch bei den Ausführungen über die Team-
Unternehmungen ab 1865, wobei auch die Sinaihalbinsel, der Negeb
sowie Edom, Moab und das gesamte Ostjordanland in den Blick
kommen.

Ein besonderes Verdienst dieser Publikation besteht jedoch darin,
daß sie Vollständigkeit in der Aufführung der Forschungsreisenden
anstrebt und so auch über zahlreiche zumal im deutschen Sprachraum
kaum oder gar nicht bekannte Forscher und deren Arbeiten
informiert. Auf diese Weise wird die große Breite des Interesses des
Abendlandes an Palästina eindrücklich erkennbar - neben Wissenschaftlern
und weitgereisten Forschern stehen Schriftsteller und
Diplomaten, Geistliche und Offiziere, Ärzte und Künstler -. und es
wird zugleich deutlich, daß die überwiegende Mehrheit dieser Menschen
allein von echtem Erkenntnisstreben geleitet war, während nur
einige von ihnen neben der wissenschaftlichen Arbeit auch noch
"impcrialist missions" ausführten (S. 231). Ebenso ergibt sich dabei
aber auch, daß alle diese Unternehmungen auf geographische und