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Ausgabe:

1986

Spalte:

129-130

Kategorie:

Dogmen- und Theologiegeschichte

Titel/Untertitel:

Cyrillus Alexandrinus, Select letters 1986

Rezensent:

Winkelmann, Friedhelm

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129

Theologische Literaturzeitung III. Jahrgang 1986 Nr. 2

130

dieser ist. wenn überhaupt, in einem ganz anderen Sinn als der Logos
des Origenes hypostatisch gedacht, und deswegen kann der letztere
den Logos höchstens als das Licht des kosmos noelos bezeichnen,
keineswegs aber ihn mit diesem identifizieren.

Ein Buch, das solche Fragen aufwirft, wird man nicht nur mit
Respekt und Dank aus der Hand legen, sondern immer wieder aufschlagen
, um Stoff zu weiterer Belehrung und weiterem Nachdenken
zu finden.

Berlin Wolfgang Ullmann

Cyril of Alexandria: Select Letters, ed. and transl. by L. R. Wickham.
Oxford: Clarendon Press 1983. LV, 226 S. 8° = Oxford Early Christian
Texts. Lw. £ 15.-.

Wie man Kyrills (412-444 Erzbischof von Alexandria) theologische
Potenz und Kraft der Gedankenführung auch beurteilen mag,
ihre Wirkung war zu ihrer Zeit und ist noch heute bedeutend. Hatte
man eine Zeitlang seine Rolle vor allem von der Kirchenpolitik aus
beurteilt, ist man jetzt vielleicht zu stark zur Betonung der theologischen
Komponente geneigt. Wickham giht mit seiner Auswahl von
Briefen auch denjenigen Lesern, die keine Spezialkenntnisse in der
Theologie des 5. Jh. haben, die Möglichkeit, sich ein Bild von einigen
Grundzügen und Hauptetappen der theologischen Entwicklung
Kyrills zu machen. Er ist selbst in der Kyrillforschung kein Unbekannter
: R. Y. Ebied - L. R. Wickham, The Letter ofCyril of Alexandria
to Tiberius theCeacon, Le Museon 83 (1970) 433-482; dies., A
Colldction of Unpublished Syriac Letters of Cyril of Alexandria,
CSCO 359. 360. Leiden 1975. Einleitung wie ausgewählte Bibliographie
bezeugen denn auch die erfahrene Hand des Kundigen. Erfreulicherweise
verweist er hier auch auf die von F. Diekamp edierte Doc-
trina patrum (Münster 1907, Repr. 1981): "Here the reader will find
clearly set out what Cyril was claimed to have taught on all the main
Points in dispute" (S. LI).

Vf. wählt 10 Briefe aus. Leider giht er jedoch weder die in der wissenschaftlichen
Litcraturgebräuchliche Numerierung des kyrillischen
Briefcorpus noch die Nummern der Clavis Patrum Graecorum
(Bd. IM, hrsg. v. M. Geerard. Turnhout 1979) an. Nach jener wird in
der Forschung zitiert, diese enthält wichtige Angaben - über die von
Wickham gebotenen hinaus - zu Editionen und alten Versiones. Des-
wcgcn seien beide hier nachgetragen: 1. zweiter Brief an Ncstorios
<eP- 4; CPG 5304); 2. dritter Brief an Nestorios mit den Anathematis-
men, wozu die Bemerkungen S. XXXV-XLIII zu vergleichen sind
<ep- 17; CPG 5317): 3. an Akakios von Melitene (ep. 40; CPG 5340);
4- an Eulogios(ep. 44; CPG 5344); 5. erster Brief an Sukkenos(ep. 45;
CPG 5345); 6. zweiter Brief an Sukkenos (ep. 46; CPG 5346); 7. an
Anastasios usw. (ep. 55; CPG 5355); 8. Responsioncs an Tiberios
(CPG 5232); 9. quaestio und solutiones (CPG 5231); 10. an Kalosi-
"os(ep. 83:CPG 5383).

Wickham hat aus der großen Zahl der überlieferten Briefe das theologisch
Bedeutsame gefaßt. Diese Briefe spielten auch in der späteren
theologischen Diskussion eine besondere Rolle (ep. 1 und 39). Der
Wert dieser Ausgabe liegt in den knappen, aber sehr inhaltsreichen
Bemerkungen, der Einleitung, in der Kyrill charakterisiert wird, der
englischen Übersetzung. Nicht so sehr ist hier das eigentlich Philologische
zu nennen. Dazu vergleiche man S. XLIV-XLIX, wo von der
Akribie des Herausgebers Zeugnis abgelegt wird. Nr. 1-7 fußen nämlich
aufden Editionen in ACO. die unübertroffen sind. Rez. ist die folgende
Laudatio der Leistung von Eduard Schwartz aus seiner Erfahrung
mit anderen Ausgaben dieses Gelehrten heraus ganz aus dem
Herzen gesprochen: "An editorof these documents rapidly discovers,
arter rcading through the main manuscripts which Schwartz used, that
he has little to do. The textual problcms, almost without exception,
have beensolvedaswellastheyarelikelytobe"(S. XLIV). Nr. 8-10.
von denen der größte Teil bislang nur in P. E. Pusey's Edition (Oxford
'872, Repr. Brüssel 1965) zu benutzen war. hat Wickham in einem
kritischen Text vorgelegt.

Ein Personen- und ein Bibelstellenindex beschließen diesen sehr
erfreulichen Band, für dessen Solidität auch der Herausgeber der
Reihe, Henry Chadwick, bürgt.

Berlin Fricdhclm Winkelmann

Rahner, Hugo: Griechische Mythen in christlicher Deutung. Mit

einem Geleit- und Schlüsselwort von A. Rosenberg. Basel: Herder
1984. XXI, 396 S., 1 Taf. 8" = Überlieferung und Weisheit, geb.
DM 46,-.

Dieses Buch des 1968 gestorbenen Gelehrten (des Bruders von Karl
Rahner) gilt zu Recht als eines seiner Hauptwerke, in ihm spricht sich
auf jeden Fall eines der Grundanliegen des großen Forschers aus: der
Nachweis des Weiterlebens antik-christlichen Geisleserbes im Christentum
. Es ist, was der Titel nicht ohne weiteres verrät, in überwiegender
Weise ein historisches Werk; der Vf. zeigt, gestützt auf eine
selbst Für einen Dogmenhistoriker exzeptionelle Kenntnis antiker, altchristlicher
und mittelalterlicher Literatur, wie mythische Themen
der Antike im Christentum aufgenommen, umgeformt und zugleich
auch in ihrem tiefsten Kern erfaßt und erhellt wurden. Die historische
Exaktheit der mit einer überwältigenden Fülle an literarischen Belegen
untermauerten Darstellung steht außerhalb jeder Diskussion;
man könnte, unter diesem Aspekt, die Rezension hiermit abschließen.
Doch würde man so dem eigentlichen Anliegen des Werkes nicht gerecht
.

Unübersehbar ist nämlich, daß es neben dem Rahmen und Gerüst
des Historischen auch einen sozusagen systematischen Aussagebereich
gibt, der sich freilich nicht gleich obenhin äußert, vielmehr eher
als esoterischer Gehalt bezeichnet werden muß. Er äußert sich schon
stilistisch. So, wenn, vor allem, patristische Texte zitiert werden, die
dem Vf. zur besonderen Herzenssache geworden sind; Prädikate wie
„wundervoll", „herrlich" u. a. m. häufen sich da. Man spürt den Pulsschlag
. Und gerade das macht ja auch den eigentlichen Zauber des
Buchs aus. Die alten Mythen werden eben nicht nur auf ihre kontin-
gente Weiterverwendung im christlichen Denkbereich abgehört, sie
leben in Rahners eigenem Gottes- und Daseinsverständnis unmittelbar
weiter: hier, und nur hier, könnte Kritik einsetzen.

Der Rezensent bekennt jedoch, daß er sich mit solcher Kritik
schwer tut; er verdankt Rahner vieles, ja entscheidendes lür seine
eigene Denk- und Forschungsrichtung; und, vor allem, er ist bemüht,
als Referent der derzeitigen Eranos-Tagungen (Ascona) Denkanstöße,
die er seinem Vorgänger verdankt, weiterzuführen. Rahners Buch beruht
, zum größeren Teil, auf seinen Eranos-Vorträgen, die er, nach
seiner geglückten Exilierung in die Schweiz, während der Kriegsjahre
dort gehalten hat. Zu seinen dankbaren Hörern gehörten da keine Geringeren
als C. G. Jung, K. Kerenyi, M. Eliade.

Der Rezensent hat seit Jahrzehnten versucht, die Rahnersche Thematik
von einem lutherischen Standpunkt aus zu behandeln; so ist es
nicht als „Kritik" sondern nur als Charakterisierung aufzufassen,
wenn Rahners Werk, nach seinem „esoterischen" Aspekt, als grundsätzlich
katholisch bezeichnet wird. Aber es ist ein sehr spezifischer
Katholizismus; wenn man will, ein durchaus ökumenischer. In der
Gesellschaft Jesu wird seit dem Aufbruch neuzeitlicher Theologie
eine Denkmethode eingeübt, die weit mehr als dem üblichen Neutho-
mismus der Offenheit eines Matteo Ricci (des großen China-Missionars
um ca. 1600) verpflichtet ist. Da fehlt es denn nicht an Verständigungsbrücken
, hin und her. Auf jeden Fall bewährt sich hier wieder
der Grundsatz des Ägyptologen Siegfried Morcnz. „daß man selbst
erfahren haben muß, was Religion sei und daß Gott sei. wenn einem
das Gott-Mensch-Verhältnis ferner Zeit aus den Quellen sichtbar werden
soll" (S. Morenz, Ägyptische Religion, Stuttgart 1960, S. IX).
Eben das macht Rahners Deutung griechischer Mythen in so verbildlichter
Weise aktuell. Von dieser Prämisse her wollen auch die folgenden
Erwägungen verstanden sein.

Die Absicherung des Dogmas nimmt, gleich zu Anfang, einen verhältnismäßigbreiten
Raum ein; Der Vf. macht sich reichlich damit zu