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Ausgabe:

1986

Spalte:

127-129

Kategorie:

Dogmen- und Theologiegeschichte

Autor/Hrsg.:

Pazzini, Domenico

Titel/Untertitel:

In principio era il Logos 1986

Rezensent:

Ullmann, Wolfgang

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Theologische Literaturzeitung III. Jahrgang 1986 Nr. 2

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innerhalb dieser jeweils alphabetisch gegliedert. Gleiche Stichworte
kehren also in den verschiedenen Rubriken vor, so daß der Benutzer
gezwungen ist, jeweils den ganzen Sachindex durchzugehen. Das ist
nicht sehr glücklich gelöst. Der Index der Eigennamen (S. 70-78)
enthält auch Ethnographisches, Geographica und Literarisches, ohne
Trennung oder Kennzeichnung. Den größten Raum nehmen die
Wortindices ein (S. 79-126 griechischer-, S. 126-276 lateinischer
Wortindex). Sie bemühen sich um ein vollständiges Erfassen der wichtigen
Begriffe aus der Überlieferung, die die Editoren für echtorigeni-
stisch halten. Leider werden bei den einzelnen Lemmata die Bedeutungsvarianten
nicht charakterisiert. Für den wissenschaftlichen Gebrauch
wird man in Zukunft also diesen Registerband im Verein mit
dem Register der Edition Koetschaus benutzen müssen.

Berlin Friedhelm Winkelmann

Pazzini, Domenico: In principio era il Logos. Origene e il prologo del
vangelo di Giovanni. Brescia: Paideia Editrice 1983. 142 S. 8" =
Studi Biblici, 64. Kart. L 8.000.

Vf. begründet die Publikation seiner Arbeit mit der Feststellung,
daß eine Untersuchung der beiden ersten Bücher vom Joh-Kommen-
tar des Origenes, die den Knotenpunkten und Übergängen der Argumentation
Schritt für Schritt folgt, bisher nicht vorliege. Wie recht er
damit hat, weiß niemand besser als der Rez., der in einem Beitrag zum
Patristikerkongreß 1975 in Oxford wenigstens versucht hat, die
Grundlagen einer solchen Untersuchung und einer Analyse von Origenes
' Sophiabegriff in diesen Teilen des Joh-Kommentares aufzufinden
. Aber wie gut mag es um unsere Kenntnis der vornizänischen
Dogmengeschichte bestellt sein, wenn eine ihrer fundamentalsten
Quellen noch der Erschließung harrt?

So viel steht fest: Die weitere Arbeit wird an Pazzinis Monographie
über die hermeneutischen Implikationen der Logoslehre in den ersten
beiden Büchern des Joh-Kommentares nicht mehr vorübergehen können
. Auch wenn der Vf. sich das bescheidene Ziel setzt, nur einige
Motive - Schriftverständnis, Schöpfung und Fall, Gestalten des cscha-
tologischen Endes - zu beleuchten: Er hat das Ganze der Argumentation
des Origenes immer vor Augen und vermag darum von diesen
Teilaspekten aus wichtige Einsichten in die Jon-Exegese und die biblische
Theologie des Alexandriners überhaupt zu vermitteln.

Die Arbeit hat 3 Hauptteile: Sinn und Zeit in der Hl. Schrift; Fall,
Rückkehr und Askese; der Logos und das Kreuz.

Schon an diesen Überschriften erkennt man, daß Pazzini nicht zu
den Autoren gehört, die das Verständnis der Theologie des Origenes
dadurch zu fordern glauben, daß sie ihrer Meinung nach einschlägiges
Belegmaterial aus der zeitgenössischen philosophischen Literatur anhäufen
.

Der erste Teil, aufbauend auf dem von de Lubac erreichten Forschungsstand
, geht doch einen wesentlichen Schritt über diesen hinaus
, indem er - völlig zu Recht - das Wesen der anagogischen Interpretation
der Hl. Schrift, die deren geistlichen Sinn zu erhellen hat.
beschreibt als die Aufgabe, den Logos als Inhalt der Schrift zu interpretieren
. Eine Aufgabenstellung, die einerseits sofort den Zeitaspekt
der exegetischen Aufgabe reflektiert, damit aber in Komplikationen
gegenüber Geschichte und Geschichtlichkeit gerät, weil der Logos
und sein Sprechen niemals mit einer Vergangenheit, auch nicht der
biblisch-heilsgeschichtlichen, identifiziert werden können. Pazzini
kann das pointiert so ausdrücken, daß die Aufgabe der Interpretation
der des Verstehens zu widersprechen scheint oder wirklich widerspricht
(S. 25ff), solange nicht klargestellt ist, daß grundsätzlich die
Gegenwart die Zeit ist, aus der und in die das Evangelium spricht.
Pazzini weist hier beiläufig auf den Unterschied zwischen dem hermeneutischen
Zirkel im Sinne der Existentialinterpretation und dem der
origenistischen Exegese hin (S. 230- Während jener unter Verzicht auf
Kohärenzregeln in seiner Interpretation immer nur den vorausgesetzten
Scinssinn Bestätigung finden lassen kann, hat dieser in sich

immer den Schritt von jenem vorausgesetzten Seinssinn in eine neue
Totalität, deren Neuheit geschichtlicher Konkretion nicht entbehrt.

Darum macht Pazzinis Erörterung auf etwas aufmerksam, was auch
keineswegs Allgemeingut der Origenesforschung ist: Ein integraler
Bestandteil der Exegese des Joh-Prologes ist die Art und Weise, wie
Origenes den Logos von Joh 1 auf den Logos von Apk 19 bezieht - der
deutlichste Hinweis darauf, wie weit er sich hier vom durchschnittlichen
philosophischen Logosverständnis seiner Zeit entfernt
(S. 79-104). Diese unsere Feststellung freilich hängt mit den Grundgedanken
des 2. Teiles von Pazzinis Monographie zusammen. Wenn
Gegenwart die dominierende Zeit des Evangeliums ist, dann entsteht
für die Exegese ein noch viel schwerer auflösbarer Knoten als der
Widerspruch zwischen Interpretieren und Verstehen. Die Exegese, die
etwas anderes ist als Hermeneutik eines Literaturdokumentes, kann
nicht davon abstrahieren, daß sie unter den auch ontologisch und
pneumatologisch relevanten Bedingungen des Falls sich vollzieht. In
einer eindrucksvollen Konfrontation mit dem harmonischen Kosmos
Piatons nach Timaios 44c (S. 67ff) zeigt Vf. das Ungleichgewicht der
Welt des Origenes, in der Entfremdung, Fall und Sünde die Gewaltsamkeit
der Askese provozieren.

Aber nicht nur das. Schmerz und Leiden in der Welt des Falles werden
auch eine Quelle der Erkenntnis, insofern das Kreuz ihr Ursprung
ist, das Kreuz, in dem der Widerspruch zwischen Fleisch, Geschichte
und Logos substantiellen Charakter annimmt. Und in diesem Zusammenhang
formuliert Pazzini die zentrale These seines Buches (S. 71):
„Das, was selbständig war von Natur im Gegensatz zur gewaltsamen
Absonderung der Askese, das was Ausdruck der Erkenntnis selbst
geworden war, das was seine Bezeugung in den durch die Hl. Schrift
erzählten Ereignissen gefunden hatte - das vereinigt sich so in einer
konkreten Individualität, nimmt selbständiges Leben an. wird Kriterium
und Quelle, beglaubigt durch sich selbst und nimmt eine absolut
präzise historisch datierte paradigmatische Gestalt an." (Übers, vom
Rez.) Was Pazzini hier beschreibt, ist die Art und Weise, wie Origenes
den Begriff der Hypostase so auf den Logos anwendet, daß dieser
Hypostasebegriff einen sowohl christologischen wie trinitarischen
Sinn gewinnt: einen christologischen, indem er die Einzigartigkeit
Jesu bei Wahrung seines vollen Menschseins präzise auszusagen erlaubt
, einen trinitarischen, indem er die Einheit von Logos und Sohn
in Gott erkennbar werden läßt.

Leider kann im Rahmen einer solchen Rezension nur eben darauf
hingewiesen werden, daß Vf. in den Schlußkapitcln anhand seiner
Kommentierung der Art. wie Origenes die Gestalt des apokalyptischen
Logos mit dem blutbespritzten Gewand auslegt, zu zeigen vermag
, welche Aussagemöglichkeiten auf dem Feld der Geschichte sich
lür eine Theologie ergeben, die den Logos wirklich hypostatisch zu
denken gelernt hat. Erst recht gilt das von Pazzinis Ausführungen zur
8. Josua-Homilie des Origenes, an der demonstriert wird, wie das
Kreuz Jesu wegen seiner Identität mit der Offenbarung des Logos,
mitten in der Geschichte den Anfang und das Ende der Geschichte
völlig neu definiert.

Aber gerade der tiefe Gehalt dieser Passagen in Pazzinis Buch gibt
Anlaß zu einigen Fragen, die zu unterdrücken mir unangemessen erschiene
. Zeigen nicht die Ergebnisse des Vf., daß die Scheidung
zwischen hermeneutischen und systematisch-theologischen Fragen,
mit der er S. 10 seine Methodik begründet, in dieser scharfen Form
gerade den theologischen Prinzipien des Origenes zuwiderläuft?

Und wirkt sich dieses Vorgehen nicht gerade an der zentralen Stelle,
in Pazzinis gewagter Ableitung und Einführung des Hypostasisbegrif-
fes aus, die jedenfalls von der des Origenes JohComm 1,19 und 1.34
abweicht, die - wie die auch von Pazzini zitierte Monographie von
Rius-Camps über die innere Dynamik der Trinitätslehre (El dina-
mismo trinitario, span., Rom 1970) gezeigt hat - aus der Beziehung
des pneumatischen Lebens der Gläubigen auf das Offenbaren und
Schaffen Gottes selber hervorgeht. Der Rez. gesteht auch, daß er etwas
zurückhaltender als der Vf. über den Vergleich des Logos im Sinne der
Theologie des Origenes mit dem kosmos noelos Plotins denkt. Denn