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Ausgabe:

1986

Spalte:

120-122

Kategorie:

Kirchengeschichte: Reformationszeit

Autor/Hrsg.:

Lindhart, Paul Georg

Titel/Untertitel:

Skandinavische Kirchengeschichte seit dem 16. Jahrhundert 1986

Rezensent:

Montgomery, Ingun

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Theologische Literaturzeitung III. Jahrgang 1986 Nr. 2

120

Der Reichstag konnte als Träger der Reichsidee als eigenständiger
politischer Faktor neben und auch gegenüber dem Kaiser handeln,
was zu den mehrfachen französischen Versuchen führte, bei den Kurfürsten
gegen den Kaiser zu agitieren. Fr verstand sich nicht als Vollzugsorgan
des „imperator", sondern als Entscheidungsorgan des
„imperium". Es ist gut. daß diese Tatsache einmal mit klaren Nachweisen
deutlich gemacht wird, weil sie bei dem oft beklagenswerten
Zustand des Reichstags an sich wenig überzeugend erscheint. Es liegt
auf der Hand, welche Möglichkeiten sich daraus für eine selbständige
Religionspolitik auf den Reichstagen ergab.

Der Aufsatz von Moritz. Csäki „Karl V., Ungarn, die Türkenfrage
und das Reich" stellt die Eorschungslage unter Einbeziehung der
reichen ungarischen Literatur dar und deutet die Aufgaben künftiger
Forschung an. bürden Kaiser war Ungarn nur ein Nebenkriegsschauplatz
im Kampf gegen das Haus Valois. Durch die Einbindung des
Landes in das habsburgische System wurde die ungarische Frage internationalisiert
, aber zum Leidwesen Ferdinands von Karl nicht mit
dem nötigen Einsatz an Machtmitteln betrieben. Ferdinand und
Ungarn wurden zu Leidtragenden des großen europäischen Konflikts
.

Einige Aspekte des Abfalls der Niederlande werden von Helmut
G. Koenigsberger behandelt (Warum wurden die Generalstaaten der
Niederlande im 16. Jahrhundert revolutionär?), doch liegt dieser
letzte Aufsatz zeitlich außerhalb des von Karl V. bestimmten Rahmenthemas
. Er betont die Rolle der Stände als Träger des Widerstandes
.

Das Schlußwort von Heinrich Lutz deckt „Zusammenhänge und
Perspektiven" auf. Es wendet sich mit seiner umfassenden Problem-
und Literaturkenntnis gegen jede enge nationale Zuordnung Karls V.
und betont die europäischen Perspektiven seines politischen Systems.
Von besonderem Interesse ist der Versuch, Karls Regierungszeit in
fünf Abschnitte mit jeweils kennzeichnender politischer Struktur und
Programmatik zu gliedern.

Für die deutsche Reformationsgeschichte bringt das Buch erheblichen
Gewinn. Seine durchweg auf hohem Niveau konzipierten, an
wesentlichen Problemen orientierten Beiträge führen zwingend zu
einer europäischen Sicht des Kaisers. Dabei erscheint aber doch
Spanien als sein Standbein, das ihm erst den Gebrauch des römisch-
deutschen Spielbeines ermöglichte. Die Zwiespältigkeit des großen
Habsburgers wird deutlicher als bisher, auch die einzelnen Aufsätze
zeigen diese Einheit in Gegensätzen: neben dem abstrakt-idealistischen
Programm stehen die Erfordernisse der praktischen Politik,
neben dem mittelalterlichen Universalismus der Aulbau moderner
Staatlichkeit. Auch Karl V. stand mitten in einer Zeit des Umbruchs
und vereinigte in sich Altes und Neues - ebenso wie Martin Luther.

Friedewald Karlheinz Blaschke

Iserloh, Erwin [Hrsg.]: Katholische Theologen der Reformationszeit,

1. Münster/W.: Aschendorffl984. 132 S.m. 5 Abb. gr. 8" = Katholisches
Leben und Kirchenreform im Zeitalter der Glaubensspaltung
, 44. Kart. DM 26,-.

Die Verteidiger der mittelalterlichen Kirche in der ersten Hälfte des
16. Jh. sind immer noch ungleich weniger bekannt als ihre reformatorischen
Kontrahenten. Die Gesellschaft zur Herausgabe des Corpus
Catholicorum ist in jüngster Zeit kräftig bemüht, dieser einseitigen
Kenntnis der Reformationszeit entgegen zu wirken sowie Leben und
Werk der wichtigsten von den bisher dreihundertfünfundfünfzig
bibliographisch aufgearbeiteten Kontroverstheologen bekannt zu
machen. Ein weiterer Beitrag dazu liegt in der anzuzeigenden
Broschüre mit zwölf Kurzbiographien von durchschnittlich acht Seiten
(allein Cajetan erhält fast den doppelten Umfang zugebilligt) aus
der Feder von Sachkennern vor: Barbara Hallensieben: Thomas de
Vio Cajetan; Peter Fabisch: Silvester Prierias; Herbert Smolinsky:
Hieronymus Emser; ders.: Augustin von Alveldt; Erwin Iserloh:

Kaspar .Schatzgeyer; ders.: Johannes Eck; Remigius Bäumer: Johannes
Cochlaeus; Peter Fabisch: Johannes Dietenberger; Herbert
Immenkötter: Johann Fabri; Remigius Bäumer: Albert Pigge; Klaus
Ganzer: (iasparo Contarini; Reinhard Braunisch: Johannes Gropper;
Remigius Bäumer: Georg Witzel. Alle Beiträge sind in einem gut lesbaren
Stil geschrieben und somit auch über den Kreis der Fachinteressenten
hinaus verständlich. Die Quellen und Darstellungen sind
jeweils am Ende verzeichnet. Warum nur zu fünf der Dargestellten
eine Bildbeigabe aufgenommen wurde, ist nicht ersichtlich. Die Autoren
verschweigen nicht die Grenzen der Porträtierten. Ebenso vermerkt
der I lerausgeber. „daß die katholischen Gegner Luthers durchweg
- wohl mit Ausnahme von Cajetan - das schriftstellerische
Niveau und die religiöse Kraft des Reformators nicht erreicht haben"
(8). Seine generalisierenden Bemerkungen zu Schwierigkeiten des
Bewahrens und der leichleren Rolle dessen, der „etwas Neues verspricht
" und der „von der Vergangenheit nur das gelten" läßt, „was
ihm paßt" (8), werden nicht alle Leser nachvollziehen können.

Nur in den Beiträgen von Bäumer finden sich einzelne Äußerungen
mit einem unökumenischen Unterton. so z. IL, wenn er formuliert,
daß es Cochlaeus' „Ziel war, die Widersprüche aufzuweisen, in die
sich Luther infolge der Willkür und der Wandelbarkeit seines Denkens
in verschiedenen Schriften verwickelt hatte" (74). Mit „Mangel
an Zivilcourage" ist die Zurückhaltung der katholischen Verhandlungspartner
gegenüber Pigge beim Wormser Religionsgcspräch 1540
sicher nicht hinreichend beschrieben (101). Die mögliche Brücken-
lünktion von Schatzgeyers Meßtheologie wird wohl durch Iserloh
überschätzt (610- Smolinskys Vermutung, Emser habe mit der Veröffentlichung
von Luthers „Wider die räuberischen Rotten . . ." dem
Reformator Opportunismus vorwerfen wollen, ist zutreffend, da
Emser selbst sich in seiner Flugschrift „Der Bock tritt frei auf diesen
Plan" in diesem Sinn äußert. Aus Emsers Druckerei stammt vermutlich
sogar der erste separate Druck der Lutherschrift.' Von einem
Druck durch Emser „nach 1525" ist nichts bekannt (44).
Druckfehler: richterlieh statt ritterlich (14); 1528 statt 1582(126).

S. B.

Kirchengeschichte: Neuzeit

Lindhart, Paul Georg: Skandinavische Kirchengeschichte seit dem
16. Jahrhundert. Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht 1982.
S. 236-314 gr. 8* = Die Kirche in ihrer Geschichte. Bd. 3, Lfg.
M 3.

Jetzt liegt die lange erwartete Darstellung der Kirchengeschichte
Skandinaviens nach der Reformation vor als ein Faszikel des großen
Handbuchs „Die Kirche in ihrer Geschichte". Verfasser dieser lesenswerten
Übersicht ist P. G. Lindhart, einer der hervorragendsten
Kirchengeschichtler Skandinaviens, vorher Professor der Kirchengeschichte
in Arhus, aber seit einigen Jahren emeritiert. Er hat auch
den Ruf. einer der besten Stilisten Skandinaviens zu sein, was in einer
Arbeit wie der hier vorliegenden wirklich auf die Probe gestellt
wird.

Die dem Verfasser vorgelegte Aufgabe könnte im ersten Augenblick
ganz unlösbar erscheinen, d. h. auf 72 Seiten die Kirchengeschichte
von vier Ländern durch fast fünf Jahrhunderte hindurch zu schildern.
Etwas einfacher wird es freilich, wenn man Dänemark-Norwegen als
ein Gebiet und Schweden-Finnland als ein anderes auffaßt. Dänemark
-Norwegen wird dann auf 40 Seiten behandelt (27+13) und
Schweden-Finnland auf 31 (26 + 5). Auch wenn man sich so auf zwei
Hauptgebiete begrenzt, besteht noch die Aufgabe zu schildern, was in
diesen zwei Gebieten während fast 500 Jahren geschehen ist. Von
außen her gesehen mag die Geschichte der Länder Skandinaviens
ziemlich ähnlich aussehen: Die vier Länder nahmen die Reformation
an zu ungefähr derselben Zeit. Die evangelische Kirche wurde in allen
vier Ländern zur Staatskirche fast ohne irgendeine Konkurrenz von