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Ausgabe:

1986

Spalte:

112-114

Kategorie:

Kirchengeschichte: Mittelalter

Titel/Untertitel:

Der Friede unter den Religionen nach Nikolaus von Kues 1986

Rezensent:

Kandler, Karl-Hermann

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111

Theologische Literaturzeitung III. Jahrgang 1986 Nr. 2

112

Exegese liegt im christologischen a priori des Apostels: wer die Bibel
richtig liest, wird nach Paulus immer bei Christus ankommen (275).

Das Buch enthält viele interessante Einzelheiten und Beobachtungen
, aber als Ganzes bietet es nicht viel. Die einzelnen Kapitel zeigen
keinen deutlichen Zusammenhang. Die Ergebnisse der Textuntersuchung
im 2. Kapitel spielen keine Rolle im 3. und 4. Kapitel. Das
3. Kapitel kommt über die recht allgemeine Feststellung, daß Paulus
den zitierten Stellen des AT einen Sinn be'ilegt, den sie in ihrem eigenen
Zusammenhang nicht haben, nicht hinaus. Auch das letzte Kapitel
trägt nichts wesentlich Neues zum Verständnis der paulinischen
Hermeneutik bei.

Hülhoven James Reiling

Klauck, Hans-Josef: 1. Korintherbrief. Würzburg: Echter 1984.
128 S. gr. 8' = Die Neue Echter Bibel. Neues Testament, 7. Kart.
DM 28,-.

Die Echter Bibel (Name des Verlags nach dem Würzburger
Fürstbischof Julius Echter von Mespelbrunn) ist nicht mehr nur
eine „Übersetzung ... mit ausfuhrlichen Anmerkungen", sondern ein
Kommentar, von dem aus der ntl. Reihe bereits das Johannesevangelium
(Gnilka) und der Römerbrief (Pesch) vorliegen. Klauck, uns
bekannt durch „Allegorie und Allegorese in synoptischen Gleichnistexten
" (1978) (ThLZ 108, 1983. 267) und Tür die vorliegende Aufgabe
kompetent aufgrund seines Werkes „Herrenmahl und hellenistischer
Kult" (1982) (ThLZ 1 10, 1985, 290-293), das sich bereits mit
dem 1 Kor beschäftigt, bietet uns einen äußerst gedrängten, wissenschaftlich
hieb- und stichfesten, gleichwohl angenehm zu lesenden
Kommentar, aus dem man - als Verbraucher - alles erfahrt, was nötig
ist, um wissenschaftlich sachgerecht informiert zu sein. Zugrunde liegt
die „Einheitsübersetzung", zu der im Kleindruck U herliefer u n gs - und
Übersetzungsvarianten hinzugefügt sind. Vf. legt eine eigene, also von
der Einheitsübersetzung abweichende Gliederung zugrunde, die uns
überzeugt. Trotz der in der Anlage und Zweckbestimmung des
Gesamtwerks begründeten Kürze werden viele Stellen - anders als in
den vom Umfang her vergleichbaren Schlatterschen Erläuterungen -
auf ihren formalen Bau hin untersucht (z.B. 1,18 fT; 1.26 IT; 7,29fT;
8,6; 9,19-23; 10,6-1 1; 12,4-6). An wichtigen Stellen werden unterschiedliche
Auslegungen referiert. Hintergrundsmatcrial kann zwar
nicht ausgebreitet werden, wird aber so herangezogen, daß man sich
zurechtfinden kann, auch wenn man dem Dargelegten weiter nachgehen
will. Der Kommentar bleibt nicht bei der Beschreibung literarischer
und religionsgeschichtlicher Phänomene stehen, sondern dringt
zum theologischen und geistlichen Verstehen vor. Die Sprache ist
undoktrinär (das Wortfeld „dienen" wird „ausgeplündert". 24; es
findet sich ein „brisanter Programmsatz", 47; die Trompete ist „das
klassische Musikinstrument in der eschatologischen Requisitenkammer
", 121, aber Paulus gehl sehr sparsam „mit den apokalyptischen
Dekorationsstücken" um, 122), aber sie ist präzis und klar in
den Konturen. Die gehaltvollen Einlcitungskapitcl lesen sich
geradezu kurzweilig. <

Vf. hält es für „möglich" (10). daß aus dem 5.9 erwähnten
„Vorbrief' Stücke in unseren heutigen 1 Kor eingegangen sind
(6,1-20: 9.1-18.24-27: 10,1-22; 11.2-34: vielleicht auch die
Kapitel 13 und 15). In das Verständnis tief eingreifende Folgerungen
werden bewußt nicht gezogen. „Der religionsgeschichtliche Horizont
der korinthischen Gemeinde" wird nicht als einheitlich beschrieben.
Es gibt deutliche Parallelen zu späteren gnostischen Häresien, so der
Libertinismus auf sittlichem Gebiet. Ansätze zu einer radikalen
Askese, ekstatisch-enthusiastische Phänomene, die Abwertung des
Leiblichen. Aber es finden sich auch apokalyptische Vorstellungen
des Judentums, „vor allem die Weisheitsspekulationen der hellenistischen
Diasporasynagoge" (8), aber auch Gedanken cÄ Piatonismus,
der Stoa und, beim Sakramentsverständnis der Korinther. Gedanken
der Mysterienkulte. Daß Paulus die Auferstchungsvorstellungen und

ihr Anliegen ungewollt verzeichnet hat, ist „nicht mit letzter Sicherheit
auszuschließen" (112).

Dieser katholische Kommentar ist ein beglückendes Beispiel dafür,
wie nahe die Konfessionen sich sind, wenn sie genau auf das Wort der
Schrift hören. Luthers Freiheitsschrift von 1520 hätte man eher bei
Kap. 9 als bei 3,18fF erwähnen mögen. Wenn gesagt wird, daß das
„Für-euch" (11,24) die Mitfeiernden in die Selbsthingabe Jesu als
Hcilsereignis einbezieht (83), fragt man, ob das Er-für-uns sich nicht
zu schnell in ein Wir-mit-ihm ausweitet; aber wehren werden wir uns
(nach Lima) dagegen nicht. Wird in 11,25 „der Becher(inhalt). . .
noch nicht unmittelbar mit dem Blut identifiziert" (so S. 83), sollte
man doch bedenken, daß es in 1 1,27 nicht heißt, der unwürdig Trinkende
werde schuldig an dem neuen „Bunde", sondern (wie am Leib,
so)am „Blut" des Herrn; doch dies wird uns mit unseren katholischen
Brüdern ja nur enger zusammenfuhren. Uns freut die Unbefangenheit
des redlichen Auslegers, wenn es um Jesu leibliche Brüder (64.110),
um die Deutung von 3,13-15 (eine ausgearbeitete Konzeption vom
Fegfeuer liegt noch fern) oder die Abwehr des Mißbrauchs von 2,15
geht (Bonifaz VI IL, aber auch täuferische Sekten). Wichtige - aus dem
Text gewonnene - Hinweise auf gemeindliches, besonders gottesdienstliches
, speziell sakramentales Leben werden uns auch für die
kirchliche Praxis dienlich sein.

Leipzig Gottfried Voigt

Kirchengeschichte: Mittelalter

Kannst, Rudolf [Hrsg.]: Der Friede unter den Religionen nach Nikolaus
von Kues. Akten des Symposions in Trier vom 13. bis

15. Oktober 1982. Mainz: Grünewald 1984. 356 S. gr. 8' = Mitteilungen
und Forschungsbeiträge der Cusanus-Gesellschaft.

16. Kart. DM 77,-.

Sehnsucht nach Frieden ist nicht neu, sie gab es immer. Daß aber
1453 Nikolaus von Kues (= NvK) auf die Nachricht von der Eroberung
Konstantinopels durch die Türken seine Vision „De pace lidei"
in höchst bemerkenswerter Toleranz niederschrieb, war angesichts
der Greuel meld ungen alles andere als selbstverständlich.

1982 hatte die Cusanus-Gesellschaft ihr Symposion dem Thema
„Der Friede unter den Religionen nach NvK" gewidmet. Die große
Teilnehmcrzahl (362 schrieben sich ein) und die Beteiligung von Vertretern
verschiedener Wcltreligioncn, die in einem vom Fernsehen
übertragenen Podiumsgespräch zu Wort kamen, erwiesen das große
Interesse, das durch den Verlauf des Symposions nicht enttäuscht
wurde, wie der Rcz. als Teilnehmer bestätigen kann. Es waren 2'/j bis
zum Rande gefüllte Tage!

Im vorliegenden Band liegen die Akten des Symposions vor. Er enthält
alle Ansprachen, Vorträge (z. T. erweitert) und Diskussionsbeiträge
, dazu vier ergänzende Beiträge und ein Register

NvK ging es in seinem Dialog um mehr als Toleranz, ihm ging es
um ein Gespräch mit dem Ziel: „Una religio in varietatc rituum."
„Nicht die kriegerische Auseinandersetzung, sondern der Dialog [soll]
den Weg zur Einheit bereiten", wobei der Dialog ein tiefes Friedens-
vcrlangcn widerspiegelt. NvK ist davon überzeugt, daß „unsere aus
Gott stammende und auf Gott tendierende Liebe Jus movens bei den
Religionsgesprächcn sein" muß (26,29).

E. Meuthen führt in die historische Situation ein: „Der Fall von
Konstantinopel und der lateinische Westen" (35-60). Schockierend
bleibt, daß NvK 1464 starb, „als er (!!) aus Deutschland hcran-
strömendes Volk für den geplanten Türkenzug in Formation bringen
sollte" (47), „auch er offensichtlich im Zwiespalt der Kräfte und
Bewegungen seiner Zeit" stehend (60).

J. Stallmach verdeutlicht das Ziel der Gedankenlührung im Dialog:
„Einheit der Religion - Friede unter den Religionen" (61-75). Mag
hinter seinem Dialog auch seine kirchenpolitische Erfahrung stehen.