Recherche – Detailansicht

Ausgabe:

1986

Spalte:

921-923

Kategorie:

Religionspädagogik, Katechetik

Autor/Hrsg.:

Schmidt, Heinz

Titel/Untertitel:

Religionsdidaktik 1986

Rezensent:

Baldermann, Ingo

Ansicht Scan:

Seite 1, Seite 2

Download Scan:

PDF

921

Theologische Literaturzeitung 111. Jahrgang 1986 Nr. 12

922

im

is am

analoger Ausbildung. Gemeindeseelsorger kommen in diesem Buch hinaus, die allen Richtlinien und Lchrplänen (oft entgegen ihren
kaum vor, schon gar nicht die Seelsorge durch Gemeindeglieder, die ja grundsätzlichen Ausführungen) „eigene kognitiv- und stofforientierte
bereits terminologisch von der PPs. ausgeklammert ist. Dynamik" (62) zu überwinden. Für ihn ist die Planung des Religions-
Solche skeptischen Einwände sind gewiß noch nicht das letzte Wort Unterrichts von der Frage geleitet, „wie man mit Hilfe von gelebtem
zur Konzeption des Vf., und sie werden nicht aus Undankbarkeit oder Glauben und lebendiger Überlieferung emotionale Bindungen neu
gar aus Besserwisserei geäußert. Der Vf. konnte hier keine bloß identi- strukturieren, symbolisch gesetzte und geformte Sinn- und Ver-
fikatorische Aneignung erwarten, weil Rezension nun einmal zur kri- haltensmuster weiterentwickeln, abbauen und verändern kann" (62).
tischen Distanz verpflichtet. Er hat Bewegung in eine wichtige An- Deshalb gewinnt die Beschreibung von Einstcllungs- und Verhaltensgelegenheit
gebracht und einen Markstein gesetzt, den niemand über- mustern der Schüler den Stellenwert von Voraussetzungen, auf deren
sehen darf, dem verantwortliche Pastoralwissenschaft am Herzen Grundlage nun die Möglichkeiten reflektiert werden wie die (im
liegt. Seine Leistung wird so leicht nicht zu überbieten sein, aber es ersten Band entwickelten) Zielperspektiven im Unterrieht verfolgt
bleibt noch viel zu tun ; das weiß der Vf. gewiß auch. werden können. Daraus aber ergibt sich ein für die didaktische ReRostock
Emst-Rüdiger Kiesow "exion mißliche Argumentationsstruktur: Die Voraussetzungen auf

der Seite der Schüler sind Fakten, die Zielperspektiven Postulate, und
so haben die verschiedenen Ebenen der Darstellung auch unterschied-
liches argumentatives Gewicht. Das schlägt sich bis in die Formulie-

PraktiSChe Theologie: rung hinein nieder: Die unterrichtlichen Konkretionen stehen

KateChetik/ReligiOnSpädagOgik Modus des „könnte", „sollte" und „müßte". Hier wird die Prax

Ende doch zum Anwendungsfeld der Theorie; gerade die Didaktik

...... i i u i. a u .u i aDer kann auf die kritische Funktion der Praxis nicht verzichten Der

Schmidt, Heinz: Religionsdidaktik. Ziele, Inhalte und Methoden « . mem vti/.icmen. ucr

religiöser Erziehung in Schule und Unterricht. Bd. 2: Der Unter- ,Ur ^ didaktische Innovation wesentliche Anstoß, aus den Erfah-

richt in Klasse 1-13. Stuttgart-Berlin-Köln-Mainz:.Kohlhammer rungcn dcs Praktischen Unterrichtsvollzugs gerade die Voraussetzun-

1984. 320 S. gr. 8* = Theologische Wissenschaft. Sammelwerk für gen und Postulate in Frage zu stellen, muß sich auch in der Dar-

Studium und Beruf, 16,2. Kart. DM 49,80. Stellung niederschlagen. Der Primat der Theorie dagegen führt hier

dazu, daß auf dem Felde der Praxis zuweilen nicht mehr in gleicher

Der erste Band (besprochen in ThLZ 109, 1984, 151-154) hat in Schärfe reflektiert wird, und gerade das ist gefährlich: Es kann doch

seiner Verbindung von systematischer Kraft und didaktischer Korn- wohl nicht ernst gemeint sein, daß es beim Auszug Abrahams um

petenz große Erwartungen geweckt. Der zweite Band soll die dort ge- „blindes" Vertrauen geht, das sich durch eine Art Blindekuhspiel

wonnenen und erhärteten Positionen in die Rahmenbedingungen analogisieren ließe.

schulischen Unterrichts hineinschreiben. Schon das Vorhaben, den Gerade wenn man wie der Vf. sich nicht auf kognitive Lernprozesse
„Unterricht in Klasse 1 bis 13" in den unterschiedlichen Schulformcn beschränken, sondern an den Strukturen der Emotionalität arbeiten
der BRD kritisch und konstruktiv darzustellen, heischt hohen Re- will, ist es freilich schwer, die intendierten Lernprozesse in dergebo-
spekt, nährt freilich auch Zweifel, wie so etwas überhaupt in ähnlicher tenen Kürze unmißverständlich zu beschreiben. Die Unterrichts-
Höhenlage wie der erste Band realisierbar sein soll. Notwendig ist eine skizzen sind doch immer wieder wehrlos gegen eine zu rasche Nach-
solche Zusammenschau allemal, denn in der schulischen Praxis des ahmung, in der Intensität und Tiefe verlorengehen. Die immense
Religionsunterrichts pflegt jede Stufe die Arbeit der vorausgegange- klärende und informative Leistung des vorgelegten Entwurfes wird da-
nen stillschweigend zu übergehen. durch nicht geschmälert. In sorgfältiger Differenzierung werden alle

Der erste Teil des zweiten Bandes ist ein systematischer Nachtrag Schulstufen behandelt, auch die gymnasiale Oberstufe verdienst-
zum ersten Band: der Versuch, den geläufigen Beschreibungen der vollerweise aber auch die besonderen Probleme des Religionsunter-
Schülersituation das Willkürliche zu nehmen und in einer umfassend nichts in schwierigen Hauptschulklassen (Kap. V), also unter den
angelegten Auseinandersetzung mit jugendsoziologischen, religions- schwächsten Schülern. Hier sind die Unterrichtsvorschläge unmiß-
soziologischen und entwicklungspsycholog.schen Aspekten ein gülti- verständlich auf ein gründliches und geduldiges Eingehen auf die spe-
ges Raster zur Beschreibung der Schülcrs.tuation zu gewinnen. Dabei ziellen Voraussetzungen dieser Schüler angelegt. Eigentlich gehörte in
kommen noch einmal die Stärken des ersten Bandes voll zum Zuge: einen so umfassenden Überblick auch die Sonderschule hinein, aber
Der Vf. weiß recht disparate Entwürfe so zu verarbeiten, daß am Ende die Spannweite dieses Buches bleibt ohnehin schon erstaunlich,
daraus ein durchaus überzeugender geschlossener Gesamtrahmen Ein Desiderat freilich empfinde ich im Ernst als ärgerlich. Der Band
entsteht, der andererseits offen ist Tur den Dialog mit theologisch ge- zeigt in seiner Anlage und seinen Intentionen sehr deutliche Ent-
wonnenen Positionen, also die Theologie nicht humanwissenschaft- sprechungen zu dem „Rahmenplan für die kirchliche Arbeit mit Kin-
lich majorisiert. dem und Konfirmanden" des Bundes der Evangelischen Kirchen in

Die Schwierigkeit der folgenden Darstellung der intendierten Lern- der DDR. Trotz aller Unterschiede der Ausgangssituation, im Stil und
Prozesse in den verschiedenen Altersstufen und Schulformen ist im Leserkreis finden sich auf Schritt und Tritt diskussionswürdige Be-
jedem klar, der selbst ähnliches versucht hat, so auch dem Vf.: In der rührungen und Entsprechungen, aber die Diskussion findet nicht
Einleitung sprich, er die Hoffnung aus. daß das Buch als „eine Fund- statt. Das überaus umfangreiche Namenregister weist keinen einzigen
grübe praktikabler Unternchtsanregungen" aufgenommen wird der namhaften Vertreter der katechetischen Diskussion in der DDR
(S. 12). doch zu Beginn des Kapitels II „Religionsunterricht in der nach. Das ist ähnlich wie in Wegenasts Sammelband zur Religions-
Grundschule" empfindet er es selbst als „vermessen, ein so umfassen- pädagogik gewiß nicht gewollt, sondern einfach nicht bemerkt, aber
des Gebiet in einem Kapitel darstellen zu wollen" (62). Tatsächlich gerade so schwer erträglich.

scheint mir das entscheidende Problem der folgenden Kapitel und Ich würde mir von dem Dialog zwischen den Religionspädagogen in

damit des ganzen Bandes in der Form der Darstellung zu liegen. Mit der BRD und den Katecheten in der DDR eine stärkere Konzentra-

anderen Worten: die eigene Didaktik dieses Lehrbuches wird zum tion auf den theologischen Ansatz des Unterrichts erhoffen. Wo sich

Problem. Wie soll sich wissenschaftliche Reflexion, die einen derart die Kirche als „Lerngemeinschaft" definiert und intensiv gebend und

hohen Abstraktionsgrad erreicht, mit praktikablen Unterrichtsimpul- teilnehmend an dem Prozeß „Ökumenischen Lernens" teilhat, ge-

sen verbinden lassen, die nur in einem Höchstmaß von Konkretion winnt der Unterricht eine andere Struktur als dort, wo er sich als Be-

unterrichtlich ergiebig werden können? arbeitung der religiösen Sozialisation versteht. Mit dem ökume-

Es ist ohne Frage ein intelligenter und interessanter Unterricht, den nischen Kontext kommen andere Kriterien der Relevanz ins Spiel; die

der Vf. darstellt, und schon das ist nicht wenig. Er versucht darüber großen biblischen Themen erweisen sich hier als die Menschheits-