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Ausgabe:

1986

Spalte:

918

Kategorie:

Liturgiewissenschaft, Kirchenmusik

Autor/Hrsg.:

Boekholt, Peter

Titel/Untertitel:

Durchbrüche wagen 1986

Rezensent:

Lehmann, Theo

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Seite 1

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Theologische Literaturzeitung III. Jahrgang 1986 Nr.12

918

..Geist" im philosophischen Verständnis zur Sprache gekommen Glauben an den Schöpfer? Zwar hat Pannenberg in Aufnahme der

waren. Der Mensch ist Geist, d. h. (mit Barth): der Mensch ist durch Auseinandersetzung Küng - Albert den Gedanken der Entscheidung

Gott Mensch (508). Seele bedeutet das Wirken des göttlichen abgelehnt oder wenigstens relativiert, immerhin aber von der Erwar-

Schöpfergeistes im Menschen (509). Besondere Bedeutung kommt der tung gesprochen, „daß eine kritische Aneignung dieser Befunde

Geschichte für die Anthropologie zu (s. o.). Ihr Verständnis wird viel- (Phänomene des Menschseins) möglich ist"......wenn der Gott der

seitig entfaltet und hat weitreichende Konsequenzen: Geschichte wird Bibel der Schöpfer aller Wirklichkeit ist" (18). Stehen sich nicht doch
als „prineipium individuationis" (512) bezeichnet. Der Mensch ist „Vermutung", „Erwartung" und Glaube näher, als Pannenberg
nicht nur das Ziel, sondern auch die Bewegung der auf das Ziel hin- anzuerkennen bereit ist (abgesehen davon, daß für Außenstehende die
Tührenden Geschichte (512). Von daher gewinnt Pannenberg eine Unterschiede ohnehin kaum wahrnehmbar sein dürften)? Von daher
weitere Definition der Person:. Sie ist „die Gegenwart des Selbst im relativiert sich m. E. auch der Unterschied zwischen einer anthro-
Augenblick des Ich" (513). Damit aber der Mensch nicht als ein pologischen Konzeption, die von der Wirklichkeit Gottes ausgeht.
Wesen mißverstanden wird, das sich selbst konstituiert, kommt und einer solchen, die bei den anthropologischen Befunden einsetzt
Pannenberg noch einmal auf den Geistbegriff in seiner christlichen und dann an ihnen die theologische Dimension entdeckt. Auch die
Ausprägung zurück, kann aber dann doch die Unterscheidung von Kritik Pannenbergs an Barths sog. Glaubenssubjektivismus verliert
göttlichem Geist und Geist des Menschen nur als „biblische Randaus- angesichts dieser Relativierung an Durchschlagskraft, ganz davon
sagen" ansehen, denn: „Auch das Leben des Sünders bleibt eben in abgesehen, daß für eine Auseinandersetzung mit Barth der Offenseiner
Weise noch geistbestimmt, wenn auch in der Form der Verkeh- barungsbegriff geeigneter erscheint als das Glaubensverständnis.2
rung" (514). Der Inhalt des vorliegenden Werkes kann in einer Rezension weder
Das letzte Stichwort dieses Schlußabschnitts (nach „Geist" und ausgeschöpft noch in seinen Konsequenzen zureichend gewürdigt
„Person") ist „Gemeinschaft", begriffen zunächst als „authentisches" werden. Rez. hofft aber, daß einige wesentliche Eindrücke vermittelt
Wirken des Geistes (514), wie umgekehrt in aller Gemeinschaftsbil- werden konnten, die zu weiterer Beschäftigung und Auseinandenset-
dung sich ein bestimmter Geist äußert (Geist der Familie, Schule, zung mit dieser Konzeption anregen können,
eines Volkes usw.). Es überrascht besonders nach dem eben zitierten Leipzig E
Verzicht auf die prinzipielle Unterscheidung von göttlichem Geist msl" ^Arnberg
und Geist des Menschen nicht mehr, wenn Pannenberg zu den

genannten Beispielen (Geist der Familie . . .»bemerkt: „Dabei handelt 1 Vgl. bereits: W. Pannenberg: Wissenschallstheoric und Theologie. Frankes
sich um eine jeweils besondere Manifestation des in allem leben- furt/M. 1973.bes. S. 266fT.

digen wirkenden Gottesgeistes, die aber ebenso wie bei einzelnen Dazu: w- Pannenberg: Offenbarung als Geschichte. Göttingen 1961.
Menschen von der Beziehung auf Gott losgerissen und dämonisch
werden kann" (515). Trotz der letztgenannten Gefahr „bleiben Übereinstimmung
und Gemeinschaft Kennzeichen der Wahrheit des

Geistes" (516). Abschließend (517) wird auf die Gemeinschaft des Praktische Theologie"

Gottesreiches verwiesen und auf das neue Leben im Geist LltUrgieWISSenSChaft

„Anthropologie in theologischer Perspektive": Dieses Werk macht

Ernst mit der heute in der evangelischen Theologie kaum noch um- Bockholt, Peter: Durchbräche wagen. 25 thematische Jugendgottes-

strittenen Einsicht, daß Erkenntnisse nichttheologischer Anthropolo- dienste. München: Don Bosco Verlag 1986. 206 S. 8

gie Tür das christliche Verständnis des Menschen unverzichtbar sind. ...

Fraglich ist allerdings weithin noch, wie diese Erkenntnisse in der Leider hat der Autor es nicht gewagt, se.n e.genes Schema zu durchTheologie
aufgenommen und verarbeitet werden können und in b"*hcn' mcht elnmal ,n dem Gottesdienst, der unter dem Thema
welchem Maß sie die theologischen Aussagen beeinflussen sollen. Die "~bscits vom Schema" steht und die These enthält: „Ein Schema verGefahr
einer Überfremdung der Theologie und besonders der theolo- ruhrt jedoch lrnmer zur Passivität; vieles ist bereits vorgegeben, wir
gischen Anthropologie wird (gerade auf dem Hintergrund der neuzeit- brauchen nur noch .mitzumachen'; ich meine aber, daß das zu wenig
liehen Entwicklung) ebenso gesehen wie das Problem einer vorschnei- ,st ■ ' "(S- 37> ünd ich meine, daß es zu wenig ist, daß nur ein einziges
len Indienstnahme humanwissenschaftlicher Einsichten durch die Mode" angeboten wird und sämtliche 25 vorgestellten Gottesdienste
Theologie im Sinne bloßer Bestätigung oder nachträglicher Recht- mit kleir|en Varianten nach dem gleichen (traditionellen) Schema ab-
fertigung. Pannenbergs Anthropologie will wohl beiden Gefahren ent- laufen: Eröffnung - Begrüßung - Einführung in die Meßfeier -
gehen, indem zunächst zwischen dogmatischer und fundamentaltheo- Schuldbekenntnis - Gebet - Lesungen - Fürbitten - Gabengebet -
logischer Anthropologie unterschieden wird, und letztere im vorlie- Vaterunser - Friedensgruß - Kommunion - Schlußgebet - Engenden
Werk bei den außerhalb der Theologie erkannten Phänomene lassune- Diese Gleichförmigkeit enttäuscht nach den Erwartungen,
einsetzt Dadurch scheint gesichert, daß diese Phänomene zu ihrem dle Titel und Vorwort („Die Texte sind als Modelle angeboten". S. 7)
Recht kommen und nicht nachträglich zur Legitimierung von Theo- wecken. Und daß nach dem „Wort zum Montag" von Otto Waalkes
logie herangezogen werden. Es könnte höchstens die Auswahl disku- Satze wie „Liebe Jugendliche! Wir alle sind oft unter-wegs" (S. 167)
tiert werden (z. B. zum Thema: „Der Mensch als gesellschaftliches nocn möglich sind, hätte ich nicht für möglich gehalten. Störend sind
Wesen") Auch wäre vielleicht zu fragen, ob der „Leitfaden der Identi- die zahlreichen Laß-mich-Gebete, in denen Gott um die Erlaubnis für
tätsthematik" nicht doch die Tendenz befördert, mehr den Menschen das gebeten wird, was er uns geboten hat („und laß uns immer tun, was
als einzelnen im Blick zu haben als den Menschen als soziales Wesen. du uns sa8st", S. 19). Die meisten Anregungen der Texte stecken in
Doch nicht an dieser Stelle soll weitergefragt werden. Vielmehr sehe dcn sprachlichen Formulierungen, da liegt die Stärke des Buches,
ich dort ein Problem, wo jeweils die angenommene „Vermutung" (die Weniger hilfreich empfinde ich Regieanmerkungen wie „Es folgt
sog Generalhypothese" der Untersuchung) eine Bestätigung erfährt, meditative Musik und stille Zeit, um auf den leise rufenden Gott zu
daß sich nämlich bei den Phänomenen des Menschseins eine hören" (S. 202). und zu schwach sind Äußerungen wieder Schlußsatz:
weitere theologische Dimension" (190 aufweisen läßt; z. B. in dem "Er wird mfen, und es ist gut, wenn wir dann seinem Ruf antworten"
wichtigen bereits referierten Abschnitt „Die Personalität und ihre reli- (S. 206). Es ist gut? Es ist lebensnotwendig! Diesem Buch fehlt das
giöse Dimension" (217 ff). Führt etwa die Analyse des „Grundver- Wagnis, den Ruf Gottes einer gottfernen Jugend zu sagen. Es wendet
trauens" wirklich unausweichlich zu Gott und Gottes Heil, oder ist s'cn eben an „liebe Jugendliche".

eine solche Einsicht doch noch von einer Entscheidung abhängig, vom Karl-Marx-Stadt Theo Lehmann