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Ausgabe:

1986

Spalte:

914-918

Kategorie:

Systematische Theologie: Allgemeines

Autor/Hrsg.:

Pannenberg, Wolfhart

Titel/Untertitel:

Anthropologie in theologischer Perspektive 1986

Rezensent:

Amberg, Ernst-Heinz

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Theologische Literaturzeitung III. Jahrgang 1986 Nr. 12

914

Evangeliums nahebringen und ihnen zeigen, daß es für alle Problembereiche
ihres Lebens das richtungweisende und lösende Wort hat -
einfach deshalb, weil es die Wahrheit Gottes, ja eine Wahrheit Jürden
Menschen' ist." (326)

Ein Personenregister und ein Sachregister, sowie eine äußerst hilfreiche
Zusammenstellung von Kurzbiographien und Kurzbibliographien
der Autoren (mit Hinweis auf bereits veröffentlichte Gesamtbibliographien
) runden diesen Band ab. Die substantiellen Gedanken
sind fast alle nicht neu, aber das Schöne an diesem Buch ist, daß die
verschiedenen Konzeptionen jetzt übersichtlich an einer Stelle zu
finden sind. Daher bleibt es dem Leser überlassen, dieses repräsentative
Spektrum gegenwärtiger Theologie als Ergänzung oder Hinfüh-
rung zu den geläufigen Publikationen der Autoren zu lesen oder als
Lexikon zu benützen, um sich eine schnelle, aber authentische Information
zu einem bestimmten Theologen zu holen.

Leipzig Ralf Marschner

White, Vemon: The Kall of a Sparrow. A Concept of Special Divine
Action. Exeter: Paternoster Press 1985.208 S. 8 Kart. £ 7.50.

Einer der Sperlinge aus Mt 10,29, von denen keiner ohne den
Willen des himmlischen Vaters zur Erde fallt, veranschaulicht entsprechend
dem Buchtitel auf dem Deckblatt die Problematik. Gewiß
handelt es sich auch nach Meinung des Vf. um ein recht spezielles
Problem, jedoch hofft er auch, breitere Interessentenkreise zu erreichen
, weil sich das Problem schließlich auch im Zusammenhang mit
Erfahrung und Bibel befindet. Vf. möchte ja helfen, die oft empfundene
Erfahrung der Abwesenheit Gottes in unserem Universum zu
überwinden. Wie also kann Gottes Handeln als persönliches und spezielles
, das in Souveränität erfolgt, beschrieben werden?

Die positive These des Buches lautet, daß Gott begriffen werden
kann und muß als der, der durch alle Ereignisse hindurch im Interesse
von Menschen handelt. Seine Ziele mit den Menschen sind durch sein
Handeln bekannt. In seinem Handeln wird Gottes Identität deutlich.
Wie lassen sich solche Aussagen mit der Erfahrung von Grausamkeit
und auch Ziellosigkeit in der Welt vereinbaren? Im Rahmen der
christlichen Überlieferung kann nach Meinung des Vf. ein Eindruck
vom göttlichen Handeln gewonnen werden, das auch die schmerzhaften
und rätselvollen Seiten menschlichen Lebens umfaßt.

Unterschiedliche heutige Erfahrungen Gottes sieht Vf. bereits angedeutet
in der biblischen Offenbarungsgeschichte durch die Spannung
zwischen biblischen Aussagen, die Gott zum Teil personal, zum Teil
in unpersönlichen Bildern wie Feuer und Licht beschreiben. So vermag
W. in der creatio continua auch ein Angebot zu sehen. Gottes
Handeln zu erfassen, ohne in Pantheismus oder Animismus verfallen
zu müssen. Gott setzt die Kräfte der Naturzur Erreichung seiner Ziele
ein. In Heilungs- und Naturwundern stellt dementsprechend Jesus
Christus die Struktur der Schöpfung wieder her, wie es durch Gott in
der Schöpfungstat mit dem Chaos geschah. Gegenläufige Tendenzen
überwinden den göttlichen Willen nicht, sondern werden vom Vf.
eher als Mittel interpretiert, deren Gott sich zur Entfaltung noch
größerer Gnade und Barmherzigkeit bedient. Das Kreuz Christi ist
demgemäß das paradoxe Mittel zur Überwindung der von Menschen
beschlossenen Niederlage Christi.

Diese Sicht der Dinge ergibt sich freilich nicht wie von selbst. Man
muß sein Denken vielmehr ganz bewußt dem Anspruch Gottes in
dieser Welt stellen, um Gottes Handeln ebenso wahrzunehmen. W.
findet Gottes Handeln zudem nicht ausreichend beschrieben in einer
allgemeinen Evolution und deren theologischer Interpretation.
Menschliches Leben läßt sich nämlich ebensowenig wie das der Sperlinge
aus dem Evangelium einfach darauf reduzieren, Teil eines
expandierenden Ganzen zu sein. Gottes personhaftes Handeln -
nun bemüht sich der Vf. durch Analogien verständlich zu machen:
Persönliches Handeln wird als Modell für göttliches Handeln von ihm
aufgefaßt. Die Beziehung zwischen göttlichem und menschlichem

Handeln versteht Vf. in Analogie zur Beziehung zwischen menschlichem
Tun und natürlichen Abläufen in anderen Wirkungszusam-
menhängen in dem Sinne, daß das jeweils höhere System das niedere
aufnimmt, ohne dessen Bedeutung zu zerstören.

Das Bemühen, Gottes wirksames und souveränes Handeln einsichtig
zu machen, ist mit der Bejahung der kirchlichen Christologie verbunden
. Daß auf sie am Schluß des Buches noch einmal ausdrücklich
Bezug genommen wird, ist symptomatisch. Damit wird der Horizont
benannt, in dem argumentiert wurde. Die Perspektive, daß Gott
durch die gesamte Schöpfungswirklichkeit hindurch zum Ziele
kommt, ist für den Vf. dadurch konstituiert, daß Gott bereits in der
Existenz Christi, in dessen Tod und Auferstehen im Sinne seiner Ziele
wirksam gehandelt hat. Unsere menschlichen Erfahrungen sind im
Lichte der Erfahrungen des gekreuzigten Auferstandenen zu prüfen.
Dadurch werden die Rätsel des Lebens zwar nicht beseitigt. Aber
angesichts der vollzogenen Überwindung zeigt sich die Perspektive
Gottes, an welcher der Mensch sich hoffnungsvoll orientieren kann.

Rostock Jens Langer

Pannenberg, Wolfhart: Anthropologie in theologischer Perspektive.

Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht 1983. 540 S. gr. 8'. Kart.
DM98,-;Lw. DM 120,-.

-: Anthropology in Theological Perspective. Transl. by M. J. O'Con-
ncll. Edinburgh: Clark 1985. 552 S. gr. 8*. geb. £ 24.95.

Anthropologie in theologischer Perspektive - im Sinne des Vf. heißt
das. vor allem die „religiöse Dimension der menschlichen Lebenswirklichkeit
in ihrer strukturellen Eigenart und in ihren wichtigsten
Erscheinungsformen" (7) herauszuarbeiten. Im Unterschied zu früheren
Veröffentlichungen soll das aber in diesem großangelegten Werk
besonders am „Leitfaden der Identitätsthematik" (8) geschehen.
Bereits in der Einleitung „Theologie und Anthropologie" wird der
Gegensatz zu Karl Barths Theologie herausgestellt; diese hat nämlich
nach Pannenberg, „indem sie es verschmähte, für die Unumgänglichkeit
der religiösen Thematik auf dem Boden der Anthropologie einzutreten
, sich schutzlos dem Verdacht ausgesetzt, daß ihr Glaube eine
willkürliche subjektive Setzung des Menschen sei" (16)'. Pannenberg
nennt seine Verfahrensweise „fundamentaltheologische Anthropologie
" (21); hier wird nicht, wie in der dogmatischen Anthropologie, die
Wirklichkeit Gottes vorausgesetzt. Der Ausgangspunkt wird vielmehr
bei den von den anthropologischen Disziplinen (Humanbiologie,
Psychologie. Kulturanthropologie, Soziologie werden ausdrücklich
genannt) beschriebenen „Phänomenen des Menschseins" genommen,
an denen dann allerdings eine „weitere, theologische Dimension" aufgewiesen
werden soll. Die „Vermutung", daß sich dies im einzelnen
durchführen läßt, ist die „Generalhypothese" dieser Untersuchung
(19ft. Sie wird u. a. gestützt durch den Hinweis auf den Gott der Bibel
als „Schöpfer aller Wirklichkeit" (18). Eine ähnliche Funktion hat
wohl auch die These von der „konstitutiven und unveräußerlichen
Bedeutsamkeit der Religionsthematik Tür den Menschen" (8).

Pannenberg gliedert seine Untersuchung in drei Hauptteile: I. Der
Mensch in der Natur und die Natur des Menschen (Mit der Humanbiologie
wird begonnen, weil hier überhaupt erst die begriffliche
Abgrenzung des Menschen erfolgt - 22). II. Der Mensch als gesellschaftliches
Wesen (Die Soziologie setzt biologische Anthropologie
und die ihr eng benachbarte Psychologie voraus - 22). III. Die gemeinsame
Welt („Die Geschichte des Menschen steht... für die anthropologische
Besinnung am Ende, gerade weil erst sie die konkrete
Wirklichkeit des Menschen thematisiert"-22).

Die bereits aus dieser Übersicht erkennbare Fülle der Themen,
Analysen und Ergebnisse dieser „Anthropologie in theologischer
Perspektive" kann unmöglich in einer Rezension aufgenommen werden
. Daher beschränken wir uns im folgenden jeweils auf einige
Schwerpunkte in den drei Hauptteilcn. wobei versucht wird. Anliegen