Recherche – Detailansicht

Ausgabe:

1986

Spalte:

901-903

Kategorie:

Kirchengeschichte: Reformationszeit

Titel/Untertitel:

Der Berner Synodus von 1532 1986

Rezensent:

Rogge, Joachim

Ansicht Scan:

Seite 1, Seite 2

Download Scan:

PDF

90!

Theologische Lileraturzeitung III. Jahrgang 1986 Nr. 12

902

tenprojekt hinter den Erwartungen zurückbleiben wird, die durch die Übersetzung legt Hans-Georg om Berg vor (15-167). Die zeit-
Tagungvon 1980geweckt worden sind. genössischc lateinische Übersetzung von Simon Sulzer ist anschlie-

Bcrlin Siegfried Brauer

Bend wiedergegeben (168-243). danach die von Abraham Ruehat
stammende französische Version, die 1735 herauskam (244-381).
Der um die Ausgabe besonders verdiente Hans Rudolf Lavaler

Locher, Gottfried W. [Hg.]: Der Berncr Synodus von 1532. Edition steuerte ein chronologisches Verzeichnis der bisherigen Editionen von

und Abhandlungen zum Jubiläumsjahr 1982. Im Einvernehmen 1532 bis 1978 bei. und zwar mit Faksimile-Abdruck der jeweiligen

mit der evangelisch-theologischen Fakultät der Universität Bern Titelblätter (383-392). Die dadurch markierte ..Wirkungsgeschiehte

und mit Unterstützung des evangelisch-reformierten Synodalvcr- des Berner Synodus" wird in Band II noch weiter verhandelt werden,

bandes in den Katonen Bern und Jura hg. vom Forschungsseminar Lavater bietet außerdem zur leichteren Arbeit mit den Texten eine

für Rcrormationstheologic unter Leitung von G W. Locher Bd. I: Kapi.el-Synopse der offiziellen bernischen Synodus-Ausgaben. die in

Edition, Neuk.rchen: Neuk.rchener Verlag 1984. 406 S.. III. derZäh|ung beträcht,ich voneinander abweichen (3930 .Samuel I .utz

widmet sich dem Bibclstcllen-Register (395-399). Ernst Saxer dem

Es macht einfach Freude, dieses relativ geschlossene Stück reforma- Namen- und Sachregister (401-406). Auf diese Weise ist der Band in

torischer Theologie in einer schönen Edition zur Kenntnis zu vorbildlicher Weise aufgeschlossen.

nehmen. Wer an der Variationsviellält evangelischer Antwortsuchc Band II wird, großenteils von dem gleichen Verlässerkreis. „Studien

auf die Heilige Schrill und an besonderen Akzenten von Bekenntnis- und Abhandlungen" zum Synodusbringen. Locher selbst wird ihn als

und Ordnungsbildung in den Kirchen der Reformation interessiert ist. reformierte Bekenntnisschrift würdigen und seine Sakramentslehre

findet hier einen breit ausformulierten Versuch einer Stellungnahme darstellen sowie die Editionen vom 18. Jh. bis zur Gegenwart unter-

und Stcllunggabe aus und in einem stadtstaatlichen Kirchenwesen. suchen. Lavater liefert dann eine Zeittafel, äußert sieh im Sach-

Daß die jungen stadtstaatbezogenen reformatorischen Kirchen der Zusammenhang mit dem Synodus über die Verbesserung der Rcfor-

Schweiz solche Ansätze zur Neueinschätzung von Evangelium und mation in Bern und schreibt seine Wirkungsgeschiehte in der Bernei

Kirche, von Lebens- und Gemeindevollzügcn machten, ist ein Kirche bis zum Anfang des 18. Jh. Er wird auch die Bibliographie zum

Zeichen für die Kräfte, die sich weit über bibclexegctisehe theore- ganzen Komplex des Synodusablässen. Vom Berg geht dem wichtigen

tische Einsichten hinausauswirkten. Scriptum vom „Gang der Gnade" (64) nach und fragt nach dem

Wenn im Rahmen des Jubiläums nach 450 Jahren ein Zeugnis Für Verhältnis von Lehre und Leben in dem Gesamtduktus des

reformatorisches Denken und entsprechende Vorschläge Für kireh- Synodus.

liches Handeln in Bern unter Berücksichtigung mehrsprachiger Text- Ernst Saxer untersucht im II. Band ausführlicher die Unistände der

Überlieferung der Christenheit im 20. Jh. vorgelegt werden, dann ist Verfasserschaft Wolfgang Fabrieius Capitos. Von ihm heißt es loci

der Vergleich mit heutiger theologischer und kirchlicher Arbeit schon im 1. Band: „Der Führer der elsässisehen Reformalionx-

ganz einfach lehrreich und auf jeden Fall nachdenkenswert. bewegung wurde zur Mitwirkung an der Synode von 1532 nach Bern

Da findet sich doch im Kapitel über die Taufe in diesem Synodus, berufen. Seine Theologie fand in zahlreichen Abschnitten des

der tatsächlich so etwas wie eine Mischung von Bekenntnis und Synodus ihren deutlichen Niederschlag - der neben Martin Buecr

Lebensordnung der Kirche darstellt, eine Passage, die zur Gemeinde wichtigste Straßburger Theologe der Epoche muß als Entwerfer

hin erziehen will und manchem sehr anders praktizierenden Pfarrer dieses Textes angesehen werden." (12)

heute ein Lehrstück zur Gemeindewerdung sein könnte: „Deshalb Einige weitere Beiträge in Band II werden theologische, kirchen-
bitten und ermahnen wir: Der Taufende soll seine Leute daran praktische und ethische Inhalte des Synodus spezifischer themali-
gewöhnen, ihre Kinder am Sonntag zur Taufe zu bringen, wenn die sieren. so daß alles historisch und aktuell WcKOÜichc beachtet witd
Gemeinde zugegen ist. Denn wie gesagt, die Taufe ist ein Sakrament Ulrich J. Gerber handelt über Berner Täuferlum und Sy nodus sowie
der Kirche oder der Gemeinde - zwei Wörtchen, die wir Für ein und über die „Schicksale" der französischen Version vorliegender Be-
dieselbe Sache verwenden: das gläubige Völklein. Darum soll die kenntnisschrift, Walter E. Meyer über Offenbarung und Menschen-
Taufe nicht ohne Anwesenheit der Gemeinde vollzogen werden." (83) bild im Zusammenhang des Synodus und der damaligen Synode sow ie
Und nun aber: So erfreulich einem aufgeschlossenen Kirchen- über die pädagogische Seite der Bckenntnissehrift. R. Sherman Kl eil
Praktiker die zitierten Sätze sind, so tauftheologisch schwierig über Altes Testament und Gesetz im Synodus. Samuel Lutz über die
erscheint im folgenden die Meinung des Verfassers, die nach der hier vorliegende Auflassung zu Homiletik und Ethik.
Anwesenheit der Gemeinde als mitkonstitutiv Für die Wirkung der Die Themenvergabe Für den IL Band macht schon in etwa deutlieh,
Taufe verlangt: „Ist nämlich die Gemeinde nicht dabei, so ist die was der „Berncr Synodus von 1532" fürheutige Theologie und Kirche
Taufe nicht ein Sakrament der Kirche, sondern ein gewöhnliches .hergibt. Dabei ist das „weithin unbekannte(s) Dokument" (7) schon
Kinderbaden." In dieser und ähnlicher Weise überzieht der Berncr im historischen Kontext bedeutsam genug. 1528 war in Bern die
Synodus bisweilen von seinem starken Gemeindeengagement her die Reformation eingefühlt worden, vier Monate vor der Synode von,
allgemein anerkannten Ansätze reformatorischer Theologie. Munter 9. bis 14. Januar 1532 hatte bei Kappel durch die Niederlage der
und anregend ist dieses Spiel zwischen Theologie und Gemeinde- Zürcher und den Tod Zwingiis die Reformation einen schweren Stoß
bildungallemal! erlitten. Es zeugt von großer geistlicher Kraft, daß so bald danach in
Vorgesehen zur Herausgabe und Würdigung des Berncr Synodus, dem nahen Bern „eine tiefgreifende geistige und politische Krise"
der übrigens zuerst in Basel gedruckt wurde (167). sind 2 Bände. Der durch eine „Magistrats- und Geistlichkeitssy node" überwunden
erste Band enthält Geleitworte der Evangelisch-Theologischen Fakul- werden konnte.

tat und des Berner Synodalrates sowie ein informatives Vorwort Daß die am 9. Januar 1532 - offenbar also nicht am Ende der

G.W.Lochers, der als Leiter eines mehrjährig arbeitenden For- Synode - beschlossene „Ordnung" (16), bestimmt Für Lehre und

sehungsseminars die Edition hauptsächlich verantwortet. Man kann Leben von Pfarrern und Predigern in Stadt und Landschaft Bern, mit

der Berner Fakultät zu der Entscheidung nur gratulieren, daß sie dem „weiterem Bericht von Christus und den Sakramenten", bald in

Altmeister der Schweizer Reformationsgcschichtsschreibung über Vergessenheit geriet, ist nicht verwunderlich. Zustimmungen zu

seine Emeritierungsgrenze hinaus die Durchführung wichtiger For- Luther, Widersprüche gegen ihn und andere Hauptreformatoren

sehungsaufgaben mit tüchtigen jüngeren Historikern weiterhin er- bilden ein Knäuel von Problemen, die wahrscheinlich verhindert

möglicht hat. Die Teilnehmer des Forschungsseminars sind es denn haben, daß sich dieser so lebendig zu Bibel, Predigtarbeit, Katechese,

auch, die die einzelnen Aufgaben zur Evaluierung des Synodus über- Seelsorge und Gemeindeethik äußernde Text widerspruchslos dureh-

nommen hatten. Urtext und daneben abgedruckte neuhochdeutsche setzte oder in andere Bezugshorizonte transportieren ließ.