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Ausgabe:

1986

Spalte:

898-899

Kategorie:

Kirchengeschichte: Mittelalter

Titel/Untertitel:

Spätmittelalter 1392 - 1460 1986

Rezensent:

Scribner, Robert W.

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897

Theologische Literaturzeitung 111. Jahrgang 1986 Nr. 12

898

Oberlinner, Zwischen Kreuz und Parusie. 63-95; I. Maisch, Die österliche
Dimension des Todes Jesu, 96-123; P. Fiedler, Die Gegenwart als
österliche Zeit - erfahrbar im Gottesdienst, 124-144; D. Zeller, DerOster-
morgen im 4. Evangelium (Joh 20,1-18), 145-161; J. M. Nützel, „Komm
und sieh" - Wege zum österlichen Glauben im Johannesevangelium,
162-189.

T.H.

Kirchengeschichte: Mittelalter

Fischer. Bonifatius: Lateinische Bihclhandschriften im frühen Mittelalter
. Freiburg-Basel-Wien: Herder 1985. 455 S., lOTaf. gr. 8" =
Vetus Latina. Die Reste der altlateinischen Bibel. Aus der
Geschichte der lateinischen Bibel, I 1.

Über 40 Jahre arbeitet Bonifatius Fischer an der Erforschung der
Bibel in lateinischer Sprache. Zu seinem 70. Geburtstag stellte man
Fünf Aufsätze des Jubilars zusammen, die an z. T. schwer erreichbaren
Stellen gedruckt waren. Flermann Josef Frede sagt im Vorwort: „Seit
ihrer Erstveröffentlichung haben die bahnbrechenden Untersuchungen
zur lateinischen Textgeschichtc nichts an Aktualität verloren" (5).

Aufsatz I ist überschrieben „Codex Amiatinus und Cassiodor".
Jener Codex wurde um 700 im Doppclkloster Wearmouth und Jarrow
geschrieben, in dem damals auch Beda lebte. Man hielt Cassiodor für
die entscheidende Vorlage. F. zeigt, daß die Textvorlagen verschieden
waren: „Für Ps war es nachweislich ein schlechter irischer Text, für
Evv ein gutes neapolitanisches Evangeliar, für die Katholischen Briefe
ein lokal gefärbter Text" (34). Man konnte die Texte beurteilen und
suchte nach möglichst guten Texten. „Wo nur schlechte Texte zur
Verfügung standen, versuchte man diese irgendwie zu verbessern"
(34).

Aufsatz 2 „Bibelausgaben des frühen Mittelalters" geht von der verbreiteten
Auffassung aus: Man sprach von einer Vermischung
spanischer und irischer Texte auf dem Boden des fränkischen Reiches.
F. verweist darauf, daß die altlatcinische Bibelübersetzung aus dem
Süden kam. In der diokletianischen Verfolgung wurden 303 in der
nordafrikanischen Gemeinde Cirta 34 biblische Handschriften
beschlagnahmt (Optatus, CSEL 26, 186-188). Die altlateinischc
Bibelübersetzung war weit verbreitet, ehe Hieronymus an seine Übersetzung
ging. „Bunt ist dann auch das Bild, das die Überlieferung
bietet. Und überall ist es bestimmt von der Auseinandersetzung
zwischen Vetus Latina und Vulgata" (39). In die Vielfalt bringt F. eine
neue Ordnung: „Zuerst sahen wir ältere und jüngere Ausgaben von
Teilen der Bibel. Sowohl diese Ausgaben bzw. Rezensionen wie die
unbearbeiteten Texte verbreiteten sich hauptsächlich von Italien aus;
spanische Ausgaben und Texte haben nur geringen Einfluß außerhalb
Spaniens; der Umweg der italienischen Texte über England auf den
Kontinent zurück war eine Ausnahme und nicht die Regel." (97) Auf
Seiten 98-99 werden Zahlen geboten: „Aus Italien werden die meisten
Handschriften geholt (43). In weitem Abstand kommt Irland
nach (25), das andererseits viel mehr Handschriften nach außen gibt
oder auch auswärts hervorbringt als selber behält; dann Frankreich
(17) und England (16)." Eindrucksvoll ist die „karolingische Kulturblüte
" im ostfränkisch-deutschen Reichsteil. Hier produzierte man
„fast nur in der 2. Hälfte des 8. Jahrhunderts mehr biblische Handschriften
als jedes andere Land außer Italien in bedeutend längeren
Zeiträumen bis 800 hervorgebracht hat" (99). Es entstanden auch
Ganzbibeln, doch waren sie in der weiteren Überlieferung „sehr oft
nicht konstant, sondern wurden aufgelöst und wieder anders ge-
mischt"(100).

Die 3. Arbeit „Bibeltext und Bibelrcform unter Karl dem Großen"
setzt ein mit der Epistola de litteris colendis, in der Karl seine Klöster
auffordert, sich um Schulen und Bücher zu kümmern. Die Libri
Carolini gehen mehrfach auf die Genauigkeit des. Bibcltextes ein
(102-104). Einschränkend stellt F. fest: „Allerdings deutet keinerlei
Nach rieht daraufhin, daß es für die Bibel ähnlich wie für die Benediktinerregel
, das Sakramentar oder die Collectio Canonum Hadriana am
Hofe ein Normalexemplar gegeben hätte." (105). Ein ausführlicher
Überblick über die biblischen Handschriften führt zu dem Ergebnis:
„Am meisten überrascht die bunte Vielfalt, die eben durch das lange
Aufzählen sichtbar geworden ist. An vielen Orten, fast überall, wo
wissenschaftliches Leben sich regte, wurde am Bibeltcxt gearbeitet,
und alle erreichbaren Hilfsmittel wurden dazu benützt." (201) F.
korrigiert ein verbreitetes Bild: „Karls Rolle besteht nicht darin, daß
er bei Alkuin eine Bibelrevision in Auftrag gegeben und sie dann im
Reich eingeführt hätte. Er hat vielmehr den nötigen Untergrund
geschaffen, das geistige Interesse und den lebhaften kulturellen Austausch
gefördert, den Anstoß zu wissenschaftlicher Tätigkeit gegeben
." (201) Sinnvoll schließt sich daran der Aufsatz „Die Alkuin-
Bibeln". Der Begriff „Emendatio Vetcris et Novi Testamenti" meint
vor allem „das einfache Verbessern von Fehlem" und „nicht eine
Textrevision oder Textrezension in unserem heutigen Sinn" (220). F.
hält fest an einem besonderen turonischen Bibeltext, d. h. an einem
Text, der in der Schrcibschule des Klosters Tours entstand zur Zeit, in
der Alkuin dort Leiter war (322-324). Aber dieser Text wurde nicht
als Norm übernommen, „sondern als Hilfsmittel zur Verbesserung
des eigenen lokalen Textes". Freilich wurde dieser turonische Text
schnell verbreitet. „Man muß damit rechnen, daß kostbare Evangeliare
und Pandekten Bestandteile von Familienschätzen besonders des
königlichen Schatzes waren, um dann gelegentlich als Votivgaben an
besonders bevorzugte Heiligtümer oder Neugründungen zu gelangen
" (402/403)

Der letzte Beitrag „Zur Überlieferung altlateinischer Bibeltexte im
Mittelalter" stellt fest, daß die Ablösung der altlateinischen Bibelübersetzung
durch die Vulgata ein sehr langwieriger Prozeß war, „der
streng genommen bis heute noch nicht abgeschlossen ist" (405).
Besondere Bedeutung haben die Psalmen, mit denen sich Hieronymus
dreimal beschäftigte: Psalterium Romanum, Psalterium Gallicanum,
Psaltcrium juxta Hebraeos. Es gab „durch das ganze Mittelalter hindurch
doppelte, dreifache, vierfache, ja sogar fünffache Psalterien in
verschiedener Zusammenstellung" (415). Es geht nicht nur darum zu
wissen, „wo und wann Handschriften entstanden sind"; wichtiger
wäre zu wissen, „wo und wie lange und wie intensiv Handschriften
benutzt worden sind" (420). Ein Register der zitierten Handschriften
füllt die Seiten 432-454 und unterstreicht damit den Schwerpunkt des
Bandes. Man freut sich auf die für 1986 angekündigte Sammlung weiterer
Aufsätze von B. Fischer, die unter dem Titel „Beiträge zur
Geschichte der lateinischen Bibeltcxtc" angekündigt sind.

Rostock Gert Haendlcr

Kleineidam. Erich: Universitas Studii Erffordensis. Überblick über
die Geschichte der Universität Erfurt. I: Spätmittclaltcr
1392-1460. 2„ erw. Aufl. Leipzig: St. Benno-Verlag 1985. XXIX.
475 S. gr. 8' = Erfurter theologische Studien, 14. M 24,50.

Es ist eine große Freude, den ersten Band dieser zuerst 1963 erschienenen
Geschichte der Universität Erfurt in einer erweiterten Auflage
vorliegen zu haben (vgl. ThLZ9l, 1966. 833). Kleineidams Buch ist
nicht nur eine gründliche Untersuchung der Entstehung der Universität
Erfurt und ihrer Entwicklung bis zu ihrem Höhepunkt in den
1460er Jahren. Sie ist zugleich eine Darstellung der verschiedenen
intellektuellen Strömungen, die die Universität prägten und sie zu
einer europäischen Größe machten. Zudem bekommt der Leser einen
Überblick über den institutionellen Aufbau der Verwaltung und die
einzelnen Fakultäten. Mit den wertvollen Verzeichnissen der Magister
, Doktoren und Ordinarien (dazu viele biographische Angaben) ist
der Band zugleich ein Quellentext. Klcincidam hat sorgfältig versucht,
neue Quellen über die Entstehung der Universität und ihre Frühzeit
zu entdecken, leider aber ohne Erfolg. Seine Anmerkungen sind
durchaus mit den Ergebnissen der neueren Forschung seit 1963 berci-