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Ausgabe:

1986

Spalte:

847-849

Kategorie:

Philosophie, Religionsphilosophie

Autor/Hrsg.:

Woschitz, Karl Matthäus

Titel/Untertitel:

De homine 1986

Rezensent:

Hegermann, Harald

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Theologisehe Literaturzeitung III. Jahrgang 1986 Nr. 11

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ist. Unter den fünf Vortragenden kam ein evangelischer Theologe zu
Wort: U. Wickert. Folgende 1k träge sind enthalten:

Leo Scheffczyk, Das Mariengeheimnis der Katholischen Kirche 11-26;
Helmut Riedlinger, Mariens Jungfräulichkeit und Gottesmutterschaft,
27-58; Ulrich Wickert, Freiheit von Sünde - Erhöhung zu Gott. Die
Koinzidenz von Schöpfung und Erlösung in Mariens Erwählung und ihre heils-
geschichtliche Wirkung, 59-85; Georg Söl I, Maria als Urbild und Mutter der
Kirche, 86-111; Franz Courth. Marienerscheinungen im Glauben der
Kirche, 112-131. Eine „Einführung" von Theodor Maas-Ewert und eine
„Nach-Frage" von Michael Seybold an Ulrich Wickert umrahmen den
Band.

U. Wickerts Beitrag geht von der ekklesiologischen Differenz
zwischen Kirche und Kirchen-Grund aus. In dieser Differenz sieht er
die „protestantische Pointe" seines Entwurfes (62). Denn die „Kirche
vom Ursprung her, das ist nicht Rom, nicht Konstantinopel, nicht
Canterbury, Wittenberg, Zürich, Genf. Die Kirche vom Ursprung her,
das ist Maria Assumpta" (65). Damit sei das protestantische „Extra
nos" ekklesiologisch gewahrt. Auf diesem Hintergrund bewegt sich
Wickerts Argumentation zum o. a. Thema.

M.P.

Ekonomzew. I.: Bekenntnis zum geistlichen Erbe von Byzanz (II). Ökume-
nizität und Universalität im Leben der Slawenapostel (SOrth 1986,3, 29-33).

Heinrichs. Wolfgang: Die Entwicklung einer freikirchlichen Ekklesiologie im
Zuge der Auseinandersetzung des Protestantismus mit der modernen Welt
(MEKGR 34, 1985, 113-132).

Rathke. Karl-Heinz: Diasporakirche und Weltmission (EvDia55, 1986,
51-65).

Simpfendörfer, Gerhard: Die Evangelikaien und die Kirche. Ein Bericht und
zwei Stellungnahmen (JK 47,1986,407-411).

Willems, Ad: Het mystcrie als ideologie. De bisschoppensynode over het
kerkebegrip (TTh 26,1986, 157-171).

Philosophie, Religionsphilosophie

Woschitz, Karl Matthäus: De Homine: Existenzweisen, Spiegelungen
, Konturen, Metamorphosen des antiken Menschenbildes.
Graz-Wien-Köln: Styria 1984. 336 S. 8°. Kart. öS 390.-.

Es handelt sich in der vorliegenden Studie nicht um eine anthropo-.
logiegeschichtliche Abhandlung über abendländische Entwürfe
menschlichen Selbstverständnisses, auch nicht um ein Ensemble feinsinniger
Essays zu diesem Thema; vielmehr erstrebt der Autor eine
Art Dokumentation wirkungsgeschichtlich gewichtiger und uns Heutige
ansprechender Stimmen unseres geistes- und kulturgeschichtlichen
Erbes in der Hoffnung, die abendländische „Kulturgemein-
schaft" könnte daraus Ermutigungen und Anregungen gewinnen für
eine „schöpferische Weiterentwicklung" dieses Erbes (303), für die
heute dringliche Neubesinnung. Der Leser soll an die „kulturbildenden
Quellpunkte" herangeführt werden. Vf. läßt vielfaltig
Quellentexte sprechen, Interpretationsprobleme treten zurück, doch
erscheint die Sicht des Autors wohlbegründet. Für den Aufbau des
Buches schwebt ihm eine Drei-Quellen-Theorie vor: Athen, Rom,
Jerusalem stehen als „Symbole für Weisheit, Recht und Liebe" (12),
sind „Schicksalsstädte unseres geistigen Seins" (35), fungieren als
„Horizonte" (16); in einem gedankenreichen Einführungsteil (1. Kapitel
Hinführung 9-46) wird das entfaltet. Stärkere Gliederungskraft
haben aber die verschiedenen Weisen von Existenzaussage („Paradigmen
von Existenzweisen" 303): der griechische Mythos (2. Kapitel:
Das Menschenbild in griechischen Mythen 47-74). die griechische
Tragödie (3. Kapitel: Die Vision von der Tragik des Menschen
72-89), die sokratische Wahrheitssuche (4. Kapitel: Das Abenteuer
der Wahrheit 90-109), der Beitrag der Dichter (5. Kapitel: Das
Menschenbild bei Vergil 110-136). Hinter „Athen" tritt also „Rom"
stark zurück, „Jerusalem" schließlich steht für zwei sehr verschieden
gewichtete Beiträge: eine kurze Skizze behandelt „Prophetische

Existenz: Jeremia" (6. Kapitel 137-161). es folgt der „Hauptteil der
Studie" (303) zum Thema „Christliche Existenz" (7. Kapitel
162-280).

Man kann fragen, ob die getroffene Auswahl immer glücklich ist;
sind Aischylos, Sophokles, Euripides uns noch präsent und hilfreich?
Doch sei dem Urteil des Lesers nicht vorgegriffen. Gerade Quellgründe
, die der Autor eher neu erschließt, können sehr befruchtend
sein; so etwa in Kapitel 5 die drei virgilischen Gesänge über
feiernd-festliche Muße (Bucolica), über Arbeit als tragendes
Humanum (Georgica), über das fromme, tapfere Ja zum göttlichen
Fatum, zu einer „weisen göttlichen Ordnung" (133) in der Geschichte
(Acneis). Die so schwer zugängliche Gestalt des Sokrates sucht W. im
4. Kapitel farbig herauszustellen, er will auch hier zur Quelle führen;
aber Piaton ist kein „Eckermann"(92)l Piatons dialektischen Umgang
mit der Gestalt seines Lehrers einfach zu übergehen, bringt in die an
sich schöne und reiche Darstellung einen störenden Mißklang. In dem
wichtigen 6. Kapitel engagiert sich W. nachdrücklich in den Aufweis
der tiefen Andersartigkeit des Gottes- und Wirklichkeitsverständnisses
Israels gegenüber seiner gesamten Umwelt (auch der indischen
138). Er zeigt aber auch, wie Israels Existenz aus Glauben („Glaube
die einzig mögliche Existenzform' 142) mitten im rechtgläubigen
Traditionsvollzug auf dem Spiel steht, ein Aspekt, der später in der
jüdischen Ablehnung Jesu wiederkehrt. Die dem Propheten Jeremia
entgegentretenden Heilspropheten sollten noch klarer ernstgenommen
werden sowohl in ihrem prophetischen Anspruch als auch in
ihrer unbedingten Schalom-Verkündigung. Auffallend ist, daß W. den
von Jeremia verkündeten neuen Bund einzeichnen kann in die „Linie
der Gesetzespsalmen (Ps 1; 19; 119)" (160). Will er alttestamentliche
Prophetie damit zum Zeugen einer heutigen, jüdischen Glaubensweise
machen? Faktisch tut er es.

In dem großen 7. Kapitel faßt W. den neutestamentlich-urkirch-
lichen Ansatz zu Beginn gut zusammen, indem erden Blick richtetauf
die großen, offenbarungstheologischen Hymnen Hebrl, 1-4; 1
Tim 3, 16; Joh I, 1-18. Das Offenbarungsereignis des „Zuvor der
Liebe Gottes in Christus" ist „der ausgezeichnete Anfang christlicher
Existenz" (162-171). Die entfaltende Darstellung konzentriert sich
auf die drei großen Zeugnisse Johannesevangelium. Paulus, Hebräerbrief
, jedoch im Paulusteil (216-249) mit einer sehr zu begrüßenden
Erweiterung zu den deuteropaulinischen „Lebensentwürfen" im Kol
und Eph (239-249). Zu Joh geht W. mehr narrativ als reflektierend
vor, er riskiert viel Breite durch (gewiß oftmals kongeniale)
Paraphrase. Doch ergeben gute exegetische Grundentscheidungen
(großes Gewicht der Passionstheologie 202 u. ö.; gnostische Sprache
polemisch aufgenommen 209-21 I) eine überzeugende Gesamtsicht,
die auch thematisch konzentriert begegnet („Wahrheit und Freiheit"
186-192; das „Neue Gebot" 205-209: „Der Imperativ wurzelt ganz
im Indikativ"). Bei der Paulusdarstellung ist es ein glücklicher Griff,
sich zuerst dem stark systematikhaltigen Gedankengang in Rom 1-8
anzuschließen (216-229), dann mit 1 Kor 13.15 ein sprechendes Gesamtbild
anzufügen (229-237). Schließlich wird mit Recht und in eindrucksvoller
Durchführung der Hebräerbrief-Verfasser als „der dritte
große Theologe des Neuen Testaments" (249) vorgestellt (249-280).
Dessen Stimme würde noch klarer sprechen, wenn W. weniger
unkritisch das Interpretationsmotiv „Wanderndes Gottesvolk" heranziehen
würde; stattdessen gehörten die guten Ausführungen zum
Thema Parrhesia (2630, jetzt versteckt unter der Überschrift „Erlösende
Tränen" (258), verstärkt und ins Zentrum gerückt. Allerdings
vermag W. dem Motiv „Glaubenswanderschaft" sehr viel Ansprechendes
abzugewinnen, auf das der Leser nur ungern verzichten
würde! So soll man überhaupt bei dieser Studie nicht auf mehr „Richtigkeiten
" drängen, sondern sich erfreuen an der reichen Fülle von
„Gedanken", die der Autor „ausgebreitet und abgehört" hat (304),
wobei ein bekenntnishaft gewichtiger Grundgedanke des Autors selbst
nicht verborgen bleibt, auf den hin er die bunte Fülle in seinem
Schlußkapitel 8 ordnet (Integration und Ausblick 281-304). Ein
dankenswert knapper, substantieller Anmerkungsteil (305-336) weist