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1986

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Kirchengeschichte: Reformationszeit

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Neuerscheinungen

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833

Theologische Literaturzeitung III. Jahrgang 1 986 Nr. I 1

834

(Nr. 199. S. 43IT), in Frankfurt um die noch behutsame Verschiebung
der Gewichte zugunsten der Reformation (Nr. 215. S. 122IT). Wie in
den früheren Banden steht das Thema ..Behandlung von Taufern und
Juden" an. Der Täufer Peter Riedemann wird nach vierjähriger Haft
schließlich entlassen (Nr. 219, S. 144 IT). O. riet von der Todesstrafe ab
und sprach sich für seine Ausweisung aus. Das Nürnberger Territorium
sollte dem Täufer künftig verwehrt bleiben. Für Juden, insbesondere
getaufte oder taufwillige, hat sich O. immer wieder verwandt
(Nr. 216. S. I33f; Nr. 221. S. I58IT; Nr. 231. 224IT). Erschreckend
für den heutigen Leser ist es. daß die Juden in Nürnberg angehalten
wurden. ..ein kenntliches Zeichen" zu tragen. ..damit man sie von den
Christen unterscheiden könne . . ." (S. 158 Anm. 6). (..Judenstern" im
16. Jh.?)O.S Verhalten ist in diesem Zusammenhang zu loben.

In der katholischen Meßfeier wurden seit Ende des 12. Jh. Hostie
und Kelch nach der Konsekration clevierl. Opfercharakter der Eucharistie
und Mysterium der Transsubstantiation wurden so unterstrichen
. Kein Wunder, wenn das liturgische Stück der Elevation bei
den protestantischen Theologen zwar umstritten, aber gleichwohl
noch üblich war. Im Ratschlag zur Elevation (Nr. 238. S. 4341)'; vgl.
bes. S. 434) wandten sich die Nürnberger Theologen gegen Achatius
Parsberger von St. Egidien, der sich allzu eifrig und mit teils bedenklicher
Argumentation dagegen aussprach. Vor allem die Christologie
wurde tangiert, so daß verschiedene Quellenstücke zu diesem Thema
belegen, daß dieses Adiaphoron es wohl wert war, ausführlich bedacht
zu sein (Nr. 240. S. 451 IT; Nr. 241, S. 469IT). Der Nürnberger Rat
mochte sich für die Abschaffung der Elevation vorerst nicht erwärmen
(S. 452). Erst 1543. nachdem Wittenberg vorangegangen war. unterblieb
die Elevation auch in Nürnberg. Parsberger erlebte seinen Erfolg
nicht mehr. Er wurde zunächst hinsichtlich der Christologie
belehrt, aber nicht bestraft und verblieb im Amt, zeigte er sich doch
flexibel. - In diesen Zusammenhang ist auch die Bitte O.s an Herzog
Albrechl von Brandenburg-Preußen zu stellen, ihm Texte des
griechischen und russischen Meßformulars zu besorgen (Nr. 227,
S. I89IT; Nr. 228. S. 1930. ferner die Erörterung der Abendmahls-
frage und der Absolution in Briefwechseln (Nr. 242, S. 482IT; Nr. 225,
S. 1860.

Ein wichtiges Thema stellen für O. die Eheverbote dar. Seme Schrift
..Von den verbotenen Heiraten". 1537. (Nr. 237. S. 407IT) ließ er
eigenmächtig in den Druck gehen, obgleich auch die Nürnberger
Ratsjuristen über diesem Thema brüteten. Luther bewertete O.s
Arbeit positiv. Der Nürnberger Rat aber verwarnte O. wegen seiner
Voreiligkeit (S. 4101). Spezialproblemc wie die Schwagerehe oder eine
Ehe mit der Witwe des Bruders des Vaters legte O. offensichtlich auch
gern im Briefwechsel auseinander (Nr. 218, S. 2400'; Nr. 220.
S. 152IT; Nr. 239, S. 442ff; Nr. 245, S. 5021), wobei er gegenüber den
Empfängern - profilierten Theologen wie Luther, Melanchthon.
Thomas Cranmer - gern seine Kompetenz zur Geltung brachte. (Zu
Nr. 245 wird ein Faksimile von O.s Brief an Hektor Pömer abgedruckt
, das all denen, die ausschließlich diese moderne Ausgabe bell
ut/en. seine makellos klare, gut lesbare Schrift vor Augen führt.)

In die höhere Kirchenpolitik rührt ein Konzilsgutachten, das der
Nürnberger Rat 1537 von den Theologen und Juristen abforderte
(Nr. 229. S. 195 IT). Dieses Gutachten wurde auch bei den Beratungen
in Schmalkalden eingebracht. Hauptautor war O., dessen eigenhändiger
Entwurf erhalten ist. Das Gutachten zeichnet sich durch Realismus
aus, da die erforderlichen Sicherheitsinteressen für teilnehmende
Protestanten deutlich als Bedingung herausgestellt werden. Auch die
zu befürchtenden rechtlichen Vollzugsfolgen werden klar vorhergesehen
.'- Nürnberg setzte sich für den Besuch des Konzils ein. doch
konnten sich seine Gesandten in Schmalkalden mit dieser Vorstellung
nicht durchsetzen (S. 201).

Auch dieser 6. Band der Osianderausgabc führt wieder die weitgespannten
Interessen des Nürnberger Reformators vor Augen, belegt
aber auch persönliche Schwächen. Hierzu sei noch abschließend bemerkt
, daß der Tod von O.s erster Frau Katharina (gest. Juli 1537) in
den Zeitraum dieses Bandes fällt. Der Ehe mit dieser begüterten Dame

ließ O. bereits im Sept. des gleichen Jahres (!) die zweite Ehe mit der
ebenfalls wohlsituierten Witwe Helene Kunhofcr folgen. Die ..wortreiche
Rechtfertigung" (S. 406 Anm. 6) belegt, daß schon die Zeitgenossen
den Vorgang als fast peinlich empfanden (vgl. Nr. 234.
S. 397IT; Nr. 235, S. 402IT; Nr. 236, S. 4051). Auch die Auslassungen
über einen kostbaren Ring von Papst Alexander VI., in dessen Besitz
sich O. bringen konnte, veranschaulichen, wie zielstrebig er seinen
Vorteil zu verfolgen wußte (S. 406 Anm. 7).

Duisburg Jörg Rainer Fligge

1 Gottfried Scebaß: Das reformatorische Werk des Andreas Oslander. Nürnberg
1967 (= Lin/elarbeitcn aus der Kirehengeschiehtc Bayerns. Bd. 44).
S. 25-29.

! Evangclienharmonien im Rcl'ormatioiisjahrhundcrt. Ein Beitrag zur Geschichte
der Lcbcn-Jesu-Darstellungcn, Bcrlin-Ncw York 1982 (=AKG52).
S. 84-179. Vgl. O.-Ausg. S. 40 Lil. Verz. u. S. 229.

1 O.-Ausg. S. 2301', zit. Martin Stuppcrich: Osiandcr in Preußen I 549-1552,
Berlin (West)-New York 1973 (= AKG 44). S. 200-203.

' Jörg Rainer Fligge: Herzog Albrecht von Preußen und der Osiandrismus
1522-1568. Diss. phil. Bonn 1972, S 45.

' O.-Ausg. S. 52 (inhabitatio Christi); ..in Christus eingeleibl"......eingepflanzt
": S. 61, 81-83. 95. 114; ..Gerechtigkeit Christi": S. 80. 95; Gottes
Wort = Gott selbst: S. 100, 105, vgl. 66 Anm. 80.

Hamburger Arbeitsgruppe: Das Radikalenbild im Spiegel der Reformations-
jubiläcn 1983/84 (MGB 42.1985,60-84).

lekert. Scott S.: Radical Feminism: A Paradigm tot Reformation'.'(Dialog 25.
1986. 121-124).

Lohsc, Bernhard: Cajetan und Lutber-Zur Begegnung von Thomismus und
Reformation (KuD 32, 1986, 150-196)

Obcrman. Heiko A.: Reformator wider Willen. Erinnerung an Erasmus von
Rotterdam (EK 19. 1986,478-480).

Schwartz, Reinhard: Was gilt noch von den antirömischen Verwerfungen der
Reformation?(Luther 57.1986,60-65).

Wallmann. Johannes: Luthers Stellung zu Judentum und Islam (Luther 57.
1986,49-60).

Kirchengeschichte: Neuzeit

Herbert, Karl: Der Kirchenkampf. Historie oder bleibendes Erbe?
Frankfurt/M.: Evang. Verlagswerk 1985. 352 S. 8".

Die vorliegende kurzgefaßte Kirchcnkampfgeschiehte stützt sich im
wesentlichen auf bisher erschienene Literatur, partiell auch auf
Archivstudien. Für den Anfang wird Band 1 von Klaus Scholder kräftig
herangezogen, durchgehend auch die dreibändige Gesamtdarstellung
des Rez. Der Autor, geb. 1907 in Frankfurt/M., 193.1 in der
nassauischen Kirche ordiniert und hernach als Gemeindepfarrei tätig.
1965 bis 1972 Stellvertretender Kirchenpräsident der Evang. Kirche
von Hessen und Nassau, gehörte zur Bekennenden Kirche und trug
übergemeindliche Verantwortung im Landcsbruderrat: ..Als Zeitgenosse
und Betroffenergibt er mit diesem Buch einen Überblick über
die Kirchenkampfzeit und zieht ... die Konsequenzen aus den
Schwächen der Kirche in den dreißiger Jahren Für die heutige Zeit."
(Einbandrückseite) Im akademischen Bereich nimmt FL einen Lehrauftrag
für kirchliche Zeitgeschichte an der Johannes-Gulcnberg-
Liniversität Mainz wahr.

Unter Kennzeichnung auch religionspolitischer Entwicklungslinien
wird die Kirchenkampfgcschichtc anschaulich dargestellt und
kritisch akzentuiert. Wie nicht wenige Exponenten der Bekennenden
Kirche 1933 vorübergehend kurzfristig der deutschchristlichen Bewegung
zugehörig, die in Nassau-Hessen unter Pfarrer Georg Probst
vergeblich einen Reformkurs gegen die Rcichsleitung Hossenfelders
durchzusetzen versuchte, hat sich der Autor ab Herbst 1933 wie viele
mit ihm in der werdenden Bekenntnisbewegung engagiert (67). Im
Anhang zeigen eigene Predigten und Vorträge exemplarisch das Be-