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Ausgabe:

1986

Spalte:

831-834

Kategorie:

Kirchengeschichte: Reformationszeit

Autor/Hrsg.:

Osiander, Andreas

Titel/Untertitel:

Gesamtausgabe 1986

Rezensent:

Fligge, Jörg

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Theologische Literaturzeitung III. Jahrgang 1986 Nr. 11

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Das Incipit-Verzeichnis stammt wie auch die nachfolgenden Nachträge
und Berichtigungen bis auf wenige Ausnahmen noch von dem
1978 verstorbenen Hans Volz. der Tür die WA editorisch mit Abstand
das meiste geleistet hat, wie es im Nachruf WA 60. XIII-XV heißt.
Dieser Teil ergänzt also die Ergänzungen in WABr 13 und muß auf
jeden Fall, da er teilweise vielzeilige Nachträge zu den ersten Bänden
bringt, bei der Benutzung des Briefwechsels eingesehen werden.

Der folgende Teil bringt einen Nachtrag zu dem beschreibenden
Verzeichnis aller in WABr angeführten Lutherhandschriften, ist also
eine Ergänzung des ersten Teiles von WABr 14. Hier werden einige
neue Handschriften beschrieben, in denen sich jetzt erst Lutherbriefe
gefunden haben, so etwa in der Stadtbibliothek in Dessau oder der
Forschungsbibliothek in Gotha. Verlagerungen aus dem Staatlichen
Archivlager in Göttingen, etwa in das Geheime Staatsarchiv in Berlin
(West) oder in das Bundesarchiv in Koblenz, werden ebenfalls angemerkt
.

Der letzte Teil ist betitelt: Luthers Briefwechsel, letzte Nachlese,
und enthält insgesamt 28 Briefe, darunter auch eine zweizeilige Quittung
Luthers über den Empfang seines Gehaltes von 1543. Von acht
Briefen ist jetzt die Urschrift in den USA wieder aufgetaucht. Sic wird
wiedergegeben genauso wie auch die Urschrift des einzigen erhaltenen
Lutherbriefes an Willibald Pirckheimcr in Nürnberg. Zu einem im'
Nachtragsband WABr 12 abgedruckten Brief konnte der Empfänger
ermittelt werden. Alle anderen neunzehn Briefe sind neu und werden
hier erstmals in gewohnter kritischer Edition vorgestellt.

Knapp neun Seiten umläßt dann abschließend das Personen-
und Ortsregister sowie das theologische und Sachregister, die jeweils
an WABr 15 bzw. an WABr 17 anschließen und die zuvor gebotenen
28 Briefe aufschlüsseln. Eine Anlage zu einem Gutachten Luthers und
Brücks für die Universität Tübingen, ein Gutachten von Melchior
Kling, wird - den Prinzipien der bisherigen Registerbände folgend -
leider nicht für diese Nachtragsregister aufgeschlüsselt, so daß auch
hier wichtige Faktoren nicht nachzuschlagen sind. Hier wäre ein -
weiteres - Sonderregistcr, das nur die Beilagen, Anhänge. Apparate
der gesamten Briefausgabe erfaßt, ein sehr wichtiges Desiderat und
sicher ein Wunsch jedes ernsthaften Benutzers. Doch wird dieser
Wunsch sicher ein solcher bleiben, wird doch in den Vorbemerkungen
der Edition ausdrücklich der definitive Abschluß der Briefausgabc angemerkt
. Sollten wirklich weitere Brieftexte Luthers gefunden werden,
so sollen sie an anderer Stelle veröffentlicht werden.

Berlin Hans-Ulrich Delius

Oslander, Andreas d. Ä.: Gesamtausgabe. Bd. 6: Schriften und Briefe
1535 bis 1538. Hg. von Gerhard Müller u. Gottfried Seebaß.
Gütersloh: Gütersloher Verlagshaus Gerd Mohn 1985. 542 S. m.
5 Faks.-Wiedergabengr. 8°. Lw. DM 240,-.

Bislang konnten fünf Bände der Osiandcr-Ausgabc in der Theologischen
Literaturzeitung vorgestellt werden (vgl. ThLZ 102, 1977,
115-117: 104, 1979, 199-202; 106, 1981, 106-107; 109. 1984,
207-209; 532-533). Das Kernstück des 6. Bandes stellt Osianders
Evangelienharmonie von 1537 (Nr. 233, S. 229fT) dar, die er selbst als
sein Hauptwerk einschätzte (vgl. S. 232). Ferner enthält der Band zwei
weitere zeitgenössische Druckschriften: die erbauliche Abhandlung
„Unterricht an einen sterbenden Menschen", 1538, (Nr. 243,
S. 487IT) und das Gutachten „Von den verbotenen Heiraten", 1537,
(Nr. 237, S. 407ff). Hervorzuheben sind ferner verschiedene Predigtauszüge
(Nr. 201-214, S. 52ftj, Gutachten, Ratschläge, Berichte und
Briefe, die teils wichtige Themen der reformatorischen Praxis behandeln
, teils zeitgeschichtliche oder persönliche Nachrichten enthalten
.

Die Herausgeberschaft für die Gesamtausgabe wird - wie im Vorwort
angekündigt wird - mit Band 7 in die Hände von Prof. Gottfried
Seebaß übergehen, da Prof. Gerhard Müller, der bisher verantwortlich
zeichnete, in den kirchlichen Dienst überwechselte. Mit Band 6

werden die Abkürzungen auf das System der Theologischen Realenzyklopädie
umgestellt, da dieses inzwischen normierende Wirkung
entfaltet und dieser Trend unterstützt werden soll. Wieder werden
einige verschollene Schriften und Briefe aufgelistet (S. 1511), von
denen in mehreren Fällen nicht nachzuweisen war. ob sie wirklich
existiert haben. In einem Fall zitiert O. selber im Jahre 1552 eine seiner
Predigten aus dem Jahre I 5 37 so genau, daß auf eine zumindest
1552 noch vorhandene Vorlage geschlossen werden kann (S. 16
Anm. 10). Hinsichtlich der von Seebaß in seinem Werkverzeichnis1
gebotenen chronologischen Abfolge sind nur wenige Abweichungen
zu registrieren (S. 17f). obwohl inzwischen jahrelange Forschung den
Stoff neu sichten konnte. So erweist sich diese Arbeit weiter als unentbehrliches
Hilfsmittel fürO.s Nürnberger Wirken.

Besondere Beachtung verdient O.s Evangelienharmonie, 1537.
(Nr. 233, S. 229-396), die auch vom Umfang her das gewichtigste
Stück dieses Bandes darstellt. Eine ausführliche Untersuchung hat vor
kurzem Dietrich Wünsch geliefert"1. Hier können nur wenige Beobachtungen
mitgeteilt werden: Das Ziel einer solchen Untersuchung
mutet modern an, geht es doch darum, den Einklang der vier Evangelien
nachzuweisen und sogar (syn-)optisch vorzuführen, um u. a. ein
anschauliches „Leben Jesu" zu gewinnen. Ein Hauptprinzip von O.s
theologischem Denken ist es, daß Gott in der Heiligen Schrift in seiner
ganzen Göttlichkeit präsent ist. „Da Gott zu sich selbst nicht in
Widerspruch stehen kann, kann es auch in den Evangelien keinen
Irrtum und keine Widersprüche geben . . ."' Vielmehr sind in Anlehnung
an Augustin („Concors diversitas") Unterschiede auf die eine
res zurückzuführen, so daß sich letztlich ein Konsens der Evangelisten
ergibt (S. 231). Kein Wunder, wenn O. die Lösung dieser vornehmen
Aufgabe als sein Hauptwerk ansieht (S. 232). Die Bemühungen seiner
Vorgänger betrachtet er als gescheitert. Da, wo er sie mit Nutzen v erwendet
, nennt er sie nicht. Vielmehr setzt ersieh als unabhängiger und
überlegener Denker ins Bild. Besonders deutlich wird dieses in seinen
Annotationes - er gliedert sein Werk in Vorrede. Elcnchus (Synopse)
und Annotationes -, in denen er sich weitschweifig über den Jesus-
Namen ausläßt, ohne sein Vorbild Rcuchlin zu erwähnen (S. 233D-
Von den Zeitgenossen findet nur Erasmus ehrende Beachtung, Luther
und andere dagegen nicht. O.s Werk erlangte trotz dieser menschlichen
Schwächen fachliche Würdigung, erfuhr verschiedene Nachdrucke
(S. 237) und diente anderen Autoren für ähnliche Vorhaben
noch bis ins Jahr 1737 als Vorbild (S. 236). Erst die jüngere historisch-
kritische Methode hat einen wirklich neuen Bearbeitungsansatz hervorgebracht
, wobei die früheren Bemühungen in gewisser Hinsicht als
Vorgeschichte dazugehören.

Die Erbauungsschrift „Unterricht an einen sterbenden Menschen".
1538. (Nr. 243, S. 487ff) und verschiedene Predigtauszüge
(Nr. 201-214, S. 52IT) bilden einen weiteren Komplex von Qucllcn-
stücken. Die Erbauungsschrift erschien im Druck, erreichte drei Auflagen
und weite Verbreitung (S. 489). Das Thema wurde seit dem
Mittclaljer bearbeitet. Interessant ist, daß O. in dieser Schrift öfter
Formulierungen verwendet, die später in Königsberg tür ihn an Bedeutunggewannen
: „leibliche EinwohnungChristi" (S. 493. vgl. 489).
die „Gerechtigkeit Christi zurechnen" (S. 494). den Gläubigen in der
Taufe „mit der Gerechtigkeit Christi bekleiden" (S. 495). Christus als
die Gerechtigkeit des Gläubigen. 1 Kor 1,30 (S. 497). Daher erfolgten
in Königsberg zwei Nachdrucke (S. 490). die der Absicht dienten,
seine dortige theologische Position zu legitimieren.4 Auch in den
Predigtnachschriften (Nr. 201-214), die sich überwiegend mit dem
JohEv. beschäftigen, lassen sich solche für O. typischen Aussagen
feststellen, obgleich es sich um Nachschriften aus fremder Hand
handelt (S. 520."'

Gutachten, Ratschläge. Berichte erörtern konkrete Probleme des
zeitgenössischen kirchlichen Lebens, führen das politische Geschehen
und die praktische Umsetzung von Reformation vor Augen. Ebenso
spiegeln die in diesem Band dargebotenen Briefe teilweise diese
Themen wider, soweit sie nicht gelegentlich Privates mitteilen. So
geht es in Dinkclsbühl um die Umgestaltung eines Landkapitels