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Ausgabe:

1986

Spalte:

828

Kategorie:

Kirchengeschichte: Alte Kirche, Christliche Archäologie

Titel/Untertitel:

La tradizione dell'enkrateia 1986

Rezensent:

Haendler, Gert

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827

Theologische Literalurzeitung III. Jahrgang 1986 Nr. 11

828

Kirchengeschichte: Alte Kirche

Rondeau. Marie-Josephe: Lea commentaires patristiques du psautier
(Ille-Ve siecles). Vol. II: Exegese prosopologique et theologic.
Rom: Pontificium Inslitutum Studiorum Orientalium 1985.481 S.
gr. 8° = Orientalia Christiana Analects, 220.

Hatte der 1. Band der Dissertation von 1979 die patristische
Psalmenexcgese im Uberblick dargestellt und daran spezielle Untersuchungen
zu Euagrios Pontikos angeknüpft (s. ThLZIIO. 1985.
2020. so widmet sich der umfangreichere 2. Band umfassend einem
zentralen Thema des Psaltervcrständnisses, der Ausdeutung auf
Christus hin. Die dafür verwendete Methode nennt R. prosopolo-
gisch. Sic zeigt sich inspiriert von der grundlegenden Untersuchung
von Carl Andrcscn. Zur Entstehung und Geschichte des trinitarischen
Personbegriffcs (ZNW 52. 1961. 1 -39), meidet aber den dort verwendeten
Terminus prosopographisch. weil er schon mit anderem Sinn
belegt sei. Es geht aber um dieselbe Sache: die Unterscheidung von
verschiedenen Personen als Sprecher und Adressaten der einzelnen
Psalmen und um die Darstellung der Entwicklung, in deren Verlauf
aus einem zunächst ,,elastischen" Begriff ein theologisch gewichtiger
wird. R. behandelt also nicht die patristische Psalmenexcgese insgesamt
, sondern nur die relevanten Werke. Die meisten und wichtigsten
fallen aber unter ihr Thema, so daß der Obertitel ihrer Arbeit
schon seinen Sinn hat.

Gricch. prosopon, lat. persona - das ist die Figur, die Rolle im
Drama und auch in vergleichbaren Werken wie dem Dialog. Der alte
Sinn der literarkritischen Didaktik bleibt spürbar, auch wenn sich
daneben ein übertragener, erweiterter Sinn entwickelt. In diesem abgeblaßten
Gebrauch wird das Wort für die christliche Anwendung
verfügbar, die schließlich zum theologischen Personbegriff führt.

In einem kurzen 1. Teil stellt R. zunächst die Anlange der prosopo-
logischen Methode bei Justin und Tertullian dar, dann ihre Ausarbeitung
, theoretische Begründung und Anwendung auf die Psalmen bei
Origcnes und Hilarius. Hilarius hat in der Einleitung zu seiner Erklärung
des I. Psalms mit der größten Deutlichkeit und Bewußtheit
die prosopologischc Methode in ihrer Bedeutung für die Psalmcn-
deutungerörtert, und entsprechend ausführlich kommt er zu Wort.

Der 2. Teil, dessen Titel mit dem Untertitel des Bandes quasi identisch
ist. bringt den Hauptinhalt (S. 95-388), die differenzierten
Analysen, zu den einzelnen Autoren: Origenes (Kap. I), seine Adaption
bei Hieronymus (II), dann Eusebius (III). „Athanasius" (d. h.
Pseudo-Athanasius)(IV). Didymos (V), die Antiochcncr(VI). Hilarius
(VII), Augustinus (VIII). Der vorher unter diesem Gesichtspunkt noch
nicht ausgewertete Didymos aus dem Papyruslünd von Tura wird besonders
eindringlich gewürdigt, der Stil dieser Kollegnachschrift
durch den Vergleich mit heutiger Tonbandaufzeichnung veranschaulicht
.

Basis und Rechtfertigung der Deutung von Psalmen auf C hristus
sind, daß bereits im Neuen Testament zentrale Texte so verstanden
wurden. Es ist dann immer wieder eine kleine Zahl relevanter Stücke,
die im Mittelpunkt stehen. Bei Origenes ist im Grunde schon alles da.
Für die späteren Nuancierungen gibt den besten Zugang das sehr ausführliche
Inhaltsverzeichnis (S. 471-481). das nicht in Stichworten,
sondern in ganzen Sätzen den Gang der Argumentation zusammenfaßt
. Hervorgehoben sei hier Kap. VI, weil die Antiochener- wie auch
sonst - ihre eigene Note haben. Im Gegensalz zur allgemeinen Tendenz
, überall Christus zu finden, minimalisicren Diodoros von Tarsos
und Theodoras von Mopsuhestia die Bezüge, so daß für sie nur noch
Ps 2; 8; 44 und 109 relevant sind. Selbst Jesu Worte am Kreuz sind für
diese Exegese nicht als Erfüllung von Vorausdeutung auf Christus zu
verstehen, sondern als Übernahme vorgegebenen Textes in einer dafür
passenden Situation. Theodoretos lenkt dann teilweise wieder auf die
traditionelle Bahn zurück.

Die «Conclusion» (S. 389-396) resümiert nicht nur, sondern stellt
sich der Frage nach der Bedeutung dieser patristischen Exegese für die

Gegenwart. Die Antiochener mit ihrer Betonung des ursprünglichen
und wörtlichen Sinnes seien heutigem Wissenschaftsverständnis nahe.
Begreifen des originären Kontextssci unerläßlich, aber noch nicht das
letzte Wort. Eine «relecture chretienne» des Alten Testaments bleibe
legitim.

R. hat die Texte, mit denen sie arbeitet, nicht nur in gedruckten
Editionen, sondern vielfach in Handschriften benutzt, wovon die
einleitende Übersicht über die Quellen (S. 15-17) eindrücklich
Zeugnis ablegt. Die griechischen Texte gibt sie aus Gründen der Sparsamkeit
meist in französischer Übersetzung. Um so willkommener ist
der lexikographische Index, der die relevanten griechischen und lateinischen
Begriffe und Wendungen übersichtlich zusammenläßt. Voran
gehen Register der Stellen aus Bibel und von Schriftstellern. Der Index
der modernen Autoren wird eingeleitet durch eine Note bibliogra-
phique, die die wichtigsten Anregungen aus der Literatur hervorhebt,
vom unmittelbaren Anreger Andrcscn bis zur Inspiration durch
E. Benveniste und M. Buber. R. hat alles getan, ihre gewichtige und
vielschichtige Monographie benutzerfreundlich zu machen.

Berlin Kurl Treu

Bianchi. Ugo: La tradizione dell'enkrateia. Motivazioni ontologichc c
protologiche. Atti del Colloquio Intcmazionale Milano. 20-23
aprile 1982. Roma: Edizioni delf Atcnco 1985. XXXI. 800 S. gr.

8'.

Der Band enthält ein „Documento finale": Radikale Enthaltsamkeit
wurde oft protologisch begründet mit einer Lehre vom jungfräulichen
Adam oder der unverdorbenen Seele, die jegliche Sexualität
vom ursprünglichen Wesen des Mensehen trennt (XXIX). Die PastO-
ralbriefe bekämpften Enkratismus, aber er findet sich bei Tatian, in
gewissen Apostelakten, bei Marcion, in dcrGnosis und im Manichäis-
mus. auch bei Origenes und in Traktaten des 4. Jh. über Virginität. Im
Christentum gab es besondere Motive für Askese und Abstinenz: Die
eschatologische Perspektive des Reiches, die volle Verfügbarkeit für
den Dienst des Herrn, die Invitatio Christi sowie den Einfluß gewisser
Texte wie Mt 19,12 und I Kor 7 (XXXI). Von 25 Beiträgen seien I I
genannt:

G. Quispcl. Ehe Study of Encratism: A hislorical Survey (35-81); A. Guil-
laumont, Lc eclibat monastique et I'ideal chretien de la virginite ont-ils des
„motivations ontologiques et protologiqu.es"? (83-98): A. Boehlig, Einheit und
Zwciheit als metaphysisehe Voraussetzung für das Enkralievcrständnis in der
Cinosis (109-131); S. Giversen. Somc instanees of Encratism with protological
motivations in Gnostic texts (135-142): G. Slämeni Gasparro. Le motivazioni
protologiche dell'enkrateia nei cristianesimo dei primi seeoli e nello
gnostizismo (149-237): H.-M. Schenke, Radikale sexuelle Enthaltsamkeit als
hellenistisch-jüdisches Vollkommenheilsideal im Thomas-Buch (Nile 11.7)
(26.3-291): U. Bianchi. La tradilion de l'enkrateia: motivations ontologiques et
protologiques (293-315): P. F. Beatrice, Le tuniehe di pelle. Anliehe letturc di
Gen 3.21 (433-482); El. Crouzel. Les sourees hihliques de l'enkrateia chretienne
(505-526): A. M. Mazz.anti. Motivazioni protologiche nell'anlropoligia
di Filonc di Allessandria. con rilerimento al tema dclla distinzione dei sessi
(541-559): P. Pisi. La motivazione protologiea dclla verginilä: genesis. phlora e
aphtarsia nei Padri greci (625-635).

GH.

Elbens, Stephan: Kirche und Usurpation. Das Verhallen kirchlicher Würdenträger
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Hammerschmidt. Ernst: Slaat und Staatstheorie in der Alten Kirche (IKZ 75,
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I.indcmann. Andreas: Christliche Gemeinden und das Römische Reich im
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Schlingen. Cieorg: Monepiskopat und monarchischer Episkopal. Eine Bemerkung
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