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1986

Kategorie:

Judaistik

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Theologische Literaturzeitung III. Jahrgang 1986 Nr. 1 1

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Lord", das sich nun auf die Gestalt des Dcmiurgcn konzentrieren soll
(S. 192-238).

Jüdischer Ursprung desGnostizismus wird gerne bestritten mit dem
Argument, die antikosmisch dualistische Sicht des Dcmiurgcn könne
nicht jüdischer Herkunft sein, gebe es doch auch keine „hebräischen
Schriften" (H. Jonas), die einen solchen Dualismus von Gott und
Dcmiurg lehrten (S. 220). Aber nach Vf. läßt sich dieses Argument
entkräften. Der vollständig zum Antikosmismus entwickelte Dualismus
des Apokryphon Johannis ist geschichtlieh sekundär, die älteren
gnostischen Systeme zeigen demgegenüber nur einen „Dualismus der
Subordination", wonach der Dcmiurg Gottes Engel war. Und diese
Auffassung wurde geteilt von verschiedenen jüdischen Gruppen, z. B.
"laicising Samaritans and Hellenistic .lews such as Philo" (S. 237).
Der (neuzeitliche) samaritanische Katechismus MalleT. übersetzt aus
dem Arabischen ins Hebräische (S. 2.30). liefert den von H. Jonas geforderten
„hebräischen Text", der beweist, daß die gnostische
Anthropogonic primär nach Art jüdisch samaritanischer Bibclaus-
legung entstanden ist: "The anthropogony of the Malef corresponds
to that of the Gnosties. aecording to whom the demiurge (and Iiis
angels) made man and God supplied the spirit, so that man came alive
and could stand upright" (S. 231). Am System des Simon Magus kann
man dann den Übergang aus jüdisch-samaritanischer Häresie in
Gnostizismus beobachten (S. 220).

Dem zentralen Teil der Arbeit folgt ergänzend der dritte, in dem der
Vf. matcrial- und phantasiereich eine schier unübersehbare Fülle
jüdischer und gnostischer Texte ausbreitet und konnotativ analysiert.
Besonders hervorgehoben seien die Beleuchtung des Hymnus Phil
2.6-1 I aul'S. 292-297 und der Abschnitt über "The Hcavenly Man"
(S. 266-291). eine jüdische Vorstellung, die in Ez 1,26.28 wurzelt,
sich mit Gen 1,26f verbindet (S. 278) und so schließlich selbst den
Anthropos im hermetischen Traktat Poimandres als „Herrlichkeit
Gottes" erscheinen läßt (S. 284). So wird allenthalben die These bekräftigt
, daß die Gnostiker israelitisch-jüdische Traditionen beerbten
und weiterentwickelten. Schließlich belegen die mittelalterliehen
Nachrichten über die Maghariyah-Sekte. die der Vf. mit den Essenern
in Verbindung zu bringen versteht, die gnosisnahe Demiurgenlchre
schon für vorchristliche Zeit. Von ihr mögen Schriften der Essener
gehandelt haben, die nach 1947 nicht mehr gefunden werden
konnten, weil sie schon in frühislamischer Zeit entdeckt worden
waren und in die Hände der Karäer gelangt sein mögen (S. I8f, 214.
329-332). Die ersten Gnostiker - "who were Jcws and did not
disparage their Bible" (S. 10) - knüpften an die jüdisen-
samaritanische Lehre vom Demiurgcn als „Engel des Herrn" an, die
ihrerseits auf eine Weise, die der Vf. nicht expliziert, mit der platonischen
Demiurgenlchre verbunden war. Die dualistische Degradic-
rungdes Demiurgen erfolgte sekundär nach dem Maß der Opposition,
die die Gnostiker erleben mußten (S. 332-338).

Was hat die Untersuchung des Vf. erbracht? „Wer vieles bringt,
wird manchem etwas bringen." Will man bei der Behandlung von
Quellen texten, seien es jüdische, samaritanische. christliche oder
auch gnostische, die gelernten Methoden für litcraturwissensehaft-
liche und historische Analyse (einschließlieh Datierungsfragen)
beachtet sehen, liegt die Bedeutung der besprochenen Studie lediglich
in der Fülle der gesammelten Motive, die der kritischen Prüfung vor
ihrer Verknüpfung allererst noch bedürfen. Eine Alternative zur
Arbeitsweise der sog. religionsgeschichllichen Schule (S. III) konnte
ich nicht entdecken.

Weingarten Roland Hcrgnicier

Lapide. Pinchas und Ruth: Generation der Wüste. Gespräch über Juden in
Deutschland (EK 19. 1986.331-332 u. 337-338).

Tomson. Peter ).: The naincs Israel and Jcw in Aneient Judaism and in the
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Torrancc. David, and Alastair Lamont: Anti-Semitism and Christian
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Neues Testament

Kingsbury, Jack Dean: The Christology of Mark's Gospel. Philadelphia
. PA: Fortress Press 1983. XVII. 203 S. 8". Lw. $ 19.95.

K„ der schon durch seine Monographie zum Matthäusevangelium
bekannt geworden ist (Matthew: Structure. Christology. Kingdom.
1976), geht in seiner Darstellung der markinischen Christologie von
den christologisehen Hoheitstiteln aus. Er kann sieh dabei auf eine
einflußreiche Forschungstradition berufen, und im I. Kapitel, das der
Forschungsgcschichte gewidmet ist. kann er von diesem Sichtpunkt
her mehrere bedeutende Etappen der Markusforschung von
W. Wrede an bis z. B. zu U. Luz oderG. Strecker auswerten. Schon in
der Vorrede, in welcher er die Ergebnisse seiner Arbeit vorausschickt,
macht K. auf die Schlüsselstellung des Titels Sohn Gottes aufmerksam
, und das erste Kapitel schließt er mit einer Korrektur der These
von dem Messiasgeheimnis des Markusevangeliums in dem Sinne,
daß es sieh eigentlich um das Geheimnis des Sohnes Gottes handelt.

Im II. Kapitel lehnt er die Versuche ab. die Christologie des
Markusevangeliums als die Polemik gegen einen anderen christologisehen
Entwurf aufzulassen ("corrective christology"). den man in
der neueren Forschung meistens in der sog. Gotlmensch-Christologic
gesehen hat (so z. B. T. J. Weeden oder N. Petrin). K. will dagegen
„literarkritisch" vorgehen, d. h. die Christologie des Markusevangeliums
aufgrund der in seinem Text vorkommenden Äußerungen
darstellen (S. 45).

Der Untersuchung des Verhältnisses zwischen dem Titel Sohn
Gottes und der Bezeichnung Jesu als Messias (bzw. Davidsohn) ist das
III. Kapitel gewidmet. Die Bezeichnung Messias hat bei Markus kein
negatives Vorzeichen (sie ist "correct"). aber sie ist für den Evangelisten
unzureichend ("insulTicient" - S. 97.149). Unzureichend, weil
sie zwar die Würde Jesu, aber nicht seine wirkliche Sendung ausdrückt
, die nur Gott selbst offenbaren kann und die in dem Titel Sohn
Gottes zu Wort kommt (1,1 I; 9.7). Der Mensch soll in seinem Bekenntnis
dieser Offenbarung Gottes recht geben (15.39). Die nähere
Bestimmung der Funktion des Titels Sohn Gottes, dessen Bedeutung
im Markusevangelium schon Ph. Viclhaucr in seinem Aufsatz „Erwägungen
zur Christologie des Markusevangeliums" (1964) nachgewiesen
hat. ist der größte Beitrag der vorliegenden Monographie.

Im IV. Kapitel analysiert K. Jesu Selbstbczcichnung ..Menschensohn
", die bei Markus der .«öffentliche" Titel Jesu ist (S. 170). Es
handelt sich um keine bloße Umschreibung des Ichs Jesu, aber es ist
eher eine Funklionsbezeichnung als Titel. Das eigentliche Geheimnis
besteht darin, daß die Funktion des Menschensohnes Jesus als der
Gottessohn ausübt (S. 173.1790- Dieses m. E. richtige Konzept
ermöglicht K„ einige Vorwürfe zu neutralisieren, die die Bedeutung
des Geheimnismotivs im Markusevangelium mit Hinweis auf den
öffentlichen Charakter des Menschensohn-Titels in Frage stellen
(z. B. H. Raisänen, Das „Messiasgeheimnis" im Markusevangelium.
1976, Rez.ThLZ 103. 1978,429-430).

Die Analyse des Gottessohn-Titels und des Geheimnismotivs im
Markusevangelium, die K. vorlegt, bedeutet in ihren Folgerungen
a)daß Markus kein bloßer Sammler war und b)daß er kein polemischer
, sondern eher ein synthetisierender Geist war. dem es
gelungen ist. die volkstümliche Tradition über die Taten Jesu mit der
Bekenntnistradition und mit der Passionsgeschiehle mit Hilfe des Geheimnismotivs
und des Titels Sohn Gottes in einem theologischen
Konzept und in einem literarischen Ganzen zu verbinden. Für diesen
Beitrag sind wir K. dankbar.

Wenn wir aber die ganze markinische Christologie vor Augen
haben, müssen wir sagen, um seinen Ausdruck zu benutzen, daß seine
Darstellung "correct", aber "insufficient". bruchstückhaft ist. Bruchstückhaft
methodisch: Seine literarkritische Methode können wir als
die Redaktionskritik begreifen, die sich jedoch für den Redaktor und
seine Stellung in der KiTche nicht näher interessiert. Sein Entwurf
müßte ausführlicher mit dem Problem der markinischen Eschatologie